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Kommentar – BIPoC in der Klassik Öffnet Euch!

Rassistische Stereotype in Opern, kaum Schwarze Musiker in Orchestern: Klassische Musik ist noch immer eine ziemlich homogene Veranstaltung. Dabei zeigt gerade ein Blick in die Geschichte, dass es auch anders geht. Unser Autor plädiert für mehr kulturelle Offenheit.

Members of the South Carolina State University marching band perform before an appearance by United States Vice President Kamala Harris in Orangeburg, South Carolina on National Voter Registration Day, Tuesday, September 20, 2022. | Bildquelle: picture alliance / Consolidated News Photos | Sean Rayford - Pool via CNP

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Aus Mozarts "Zauberflöte" (fast)

Alles fühlt der Liebe Freuden, 
Schnäbelt, tändelt, herzt und küsst, 
Und ich sollt' die Liebe meiden, 
Weil ein "Weißer" häßlich ist! 
[…]
"Schwarz" ist schön! Ich muß sie küssen;
Mond, verstecke dich dazu! 
Sollt' es dich zu sehr verdrießen, 
O so mach' die Augen zu! 

Nur zwei Worte sind hier vertauscht und schon klingt der ganze Text irritierend. Dass das Schwarzsein abgewertet wird, ist sehr verbreitet in historischen Werken der klassischen Musik, wie der (originale) Text dieser Arie des Monostatos ("Alles fühlt der Liebe Freuden") in Mozarts Zauberflöte zeigt. Und nicht nur hier. Im Lauf der Musikgeschichte wurden negative Klischees auf diverse Völker und Kulturen projiziert.

Schwarze Musikerinnen und Musiker sind in der Klassik nach wie vor selten

Die Komponisten brachten damit gewisse Einstellungen ihrer Zeit auf die Bühne. Doch wie wäre es, wenn der Monostatos in Mozarts bekanntem Werk ein "weißer" Sklave wäre, der sich als "hässlich" bezeichnet und zugleich der lüsterne übergriffige Charakter ist, der dunkle und böse Tendenzen verkörpert? Wie wäre es, wenn eine "schwarze" Pamina die "schöne" Tochter der Königin wäre? In einer pluralistischen Gesellschaft müssen wir uns solche Fragen stellen, spätestens dann, wenn diese Werke Stoff für Bildungszwecke sind.

Klicktipp – Dem Toxischen auf der Spur

"Otello", "Die Zauberflöte" oder "Carmen" – viele beliebte Opern brauchen einen rassismuskritischen Blick. Ansätze aus der Musikwissenschaft wie die US-amerikanische Blackness-Forschung eröffnen neue Perspektiven. Hier geht's zum Artikel.

Der uneinsichtige Kurs, den die Klassik bis heute fährt und den man als Weißer vermutlich weniger unmittelbar erfährt, hat dazu geführt, dass People of Color kaum in diesem Genre vertreten sind. Zwar sind sie keine bloße Zurschaustellung stilistischer Exotik mehr, dennoch ist ihr Anblick in Orchestern nach wie vor selten. In den USA sind z.B. weniger als zwei Prozent der Musikerinnen und Musiker in Orchestern afroamerikanischer Herkunft und Schwarze Dirigenten und Komponistinnen sind nach wie vor eine Rarität. Ebenso ist es noch ein Rätsel, warum die afroamerikanische Kultur so wenig Eingang in die klassische Musik Amerikas gefunden hat.

Vor allem afrikanische Musikkulturen wurden ignoriert

Ähnlich ist es in Europa. Keine 14 Kilometer trennen uns vom afrikanischen Kontinent. Dennoch scheint der Einfluss von Musikkulturen südlich des Mittelmeers wenig Eingang in die Klassik gefunden zu haben. Und man muss sich fragen, warum der Klang der klassischen Musik trotz des kontinuierlichen kulturellen Austauschs so homogen blieb. Klar gab es Komponisten, die ganz neue musikalische Wege einschlugen, trotzdem gossen sie ihre Visionen in die Formen der alten Meister. Hätten die uralten Traditionen und Musiktheorien benachbarter Kulturen auch Wurzeln in der Klassik geschlagen, sähe die Musiklandschaft heute anders aus und der Klang der europäischen Klassik wäre ein anderer, einzigartiger.

Dabei ging (!) es auch anders: Gerade der Einfluss der arabischen Kultur im spanischen Andalusien auf den Rest Mitteleuropas war für die Entwicklung der Musikinstrumente und Musiktheorien Europas von großer Bedeutung. Die Araber hatten die Musiktheorien der Griechen und der Inder übersetzt und verfassten auch die ersten Abhandlungen darüber. Und nicht zuletzt kamen Instrumente wie die arabische Oud – der Vorläufer der europäischen Laute – über heimkehrende Kreuzfahrer nach Europa, zusammen mit anderen Instrumenten, die den Klang der Klassik erweiterten. Das Beispiel zeigt gut, wie viel ästhetisches Potential in solchen Formen von kulturellem Austausch steckt.

Zeigt dass es anders geht!

Nun ist es an der Zeit, dass die Saat der Diversität in der Klassik wächst, dass Orchester sich auch einer neuen Vielfalt von Instrumenten und Klangwelten öffnen und die Werke von Barbara Strozzi, Florence Price oder Samuel Coleridge-Taylor genauso selbstverständlich zum Repertoire gehören wie die der drei großen B's: Bach, Brahms und Beethoven.

Sendung: "Allegro" am 24. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Mittwoch, 22.März, 21:49 Uhr

Johann

Kulturelle Aneignung

Ich habe verstanden, dass "kulturelle Aneignung" verpönt sein soll. In diesem Artikel wird "kulturelle Aneignung" dagegen als etwas Positives dargestellt. Was denn nun?
Ich würde bei dieser Thematik doch zu deutlich mehr Gelassenheit raten. So rassistisch oder frauenfeindlich, wie die klassische Musikkultur hier dargestellt wird, ist sie im 21. Jahrhundert wirklich nicht mehr.

Mittwoch, 22.März, 17:31 Uhr

W. Viereck

Abwertung des Schwarzseins???

Dass das Schwarzsein abgewertet wird, ist bei Monostatos gerade nicht der Fall. Der "dunklen" und "bösen" Seite wendet er sich gerade zu, weil er auf der "hellen" und "guten" Seite abgelehnt und erniedrigt wird. Er ist keine Karikatur eines Schwarzen, sondern eine deutliche Kritik am Rassismus!

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