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Ukrainische Tänzerin im Interview Albina Kiriks Weg ans Staatstheater Nürnberg

Seit Beginn des Krieges wird in der Ukraine nicht mehr getanzt. Viele Tänzer*innen sind geflüchtet. Darunter auch Balletttänzerin Albina Kirik aus Charkiw. In Nürnberg führt sie nun ein neues Leben, kann am Staatstheater auch weiter ihrer Disziplin nachgehen. Im BR-KLASSIK-Interview berichtet sie von ihrer Flucht.

Szene beim Schlussapplaus  | Bildquelle: Albina Kirik

Bildquelle: Albina Kirik

BR-KLASSIK: Albina Kirik, Sie kommen aus Charkiw und sind jetzt in Nürnberg. Wie schnell fiel denn die Entscheidung – wir gehen jetzt? 

Albina Kirik: Drei Tage lang haben wir überlegt, ob wir in andere Städte gehen könnten. Und dann mussten wir im U-Bahnhof übernachten und haben gesagt: wir müssen los. Das war dann innerhalb von 2 Stunden. 

BR-KLASSIK: Das ist so unglaublich für uns hier, dass man innerhalb von zwei Stunden sein Leben ändert.  

Albina Kirik: Wir haben alles zurückgelassen, ich hab nur meine Katzen mitgenommen, Reisepass und ein bisschen Geld. Am Tag vor dem Angriff haben wir noch eine Vorstellung getanzt, Giselle. Und ich ging heim wie immer, hab geduscht, bin ins Bett. Am nächsten Tag hat mich meine Mutter rausgeklingelt morgens um halb sechs, hat angerufen und gesagt: "Steh auf, es ist Krieg, du musst sofort zu mir, wir müssen weg." Und ich dachte, das gibt’s nicht! Ich wollte zuerst mal zur Probe, wie jeden Tag. Für mich wiederholt sich gerade alles: Ich habe vorher in Donezk gewohnt. Nach 2014 ist es jetzt schon das zweite Mal, dass mich der Krieg vertreibt.   

BR-KLASSIK: Und dann sind Sie wohin gegangen – direkt nach Nürnberg? 

Albina Kirik: Nein, es war ein langer Trip. Zuerst sind wir per Zug in die Mitte der Ukraine gefahren, wo wir drei Tage bleiben konnten. Aber dann sind da überall Raketen eingeschlagen und wir sind weiter. Nach Lviv nahe der polnischen Grenze. Und ich weiß auch nicht mehr, wie das alles war. Da waren immer fremde Menschen, die uns geholfen haben, und ein Pole hatte Verwandtschaft in Nürnberg. Aber wie genau ich dahin gekommen bin, wo ich übernachtet habe – keine Ahnung.  

BR-KLASSIK: Und wie sieht Ihr Alltag jetzt aus in Nürnberg? 

Ich bin so dankbar, dass ich jeden Tag bei den Proben mittanzen darf. Das gibt so etwas wie eine tägliche Routine – aber es ist natürlich alles anders. Ich checke jede freie Minute die Nachrichten. Jeden Morgen wache ich auf und schreibe meinem Bruder, wie es ihm geht. Das ist mittlerweile gleichbedeutend mit der Frage: Lebst du noch? Dasselbe gilt für meinen Freund – Männer dürfen eben gerade nicht das Land verlassen.  

BR-KLASSIK: Und die anderen Tänzer*innen aus Charkiw, haben Sie noch Kontakt? 

Albina Kirik: Ja, haben wir. Über Social Media. Es gibt eine Gruppe, in der wir uns jeden Morgen schreiben: Wie geht’s euch, alle noch am Leben? Ja, wir haben noch Kontakt.

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