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Kommentar Zugaben in Konzerten – muss das sein?

Das Konzert ist beendet, begeisterter Applaus brandet auf: Eine Zugabe ist angesagt. BR-KLASSIK-Redakteur Fridemann Leipold könnte auf dieses Konzertritual oft verzichten. Das hat gleich mehrere Gründe.

Igor Levit beim Applaus nach dem Konzert in Tokio | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Wer häufig in Symphoniekonzerte geht, kennt Bachs Gavotte aus der dritten Solo-Partita in- und auswendig: Nur zu gern nämlich spielen Geigen-Stars die Gavotte oder andere Bach-Stücke als Zugabe. Aus dem Zusammenhang gerissen haben sie längst ein Eigenleben entwickelt – als Zuckerl fürs Publikum. Viel zu oft muss Bach dafür herhalten.

Zugaben stören die Stimmung nach großen Werken

Porträt Johann Sebastian Bach | Bildquelle: picture-alliance/dpa Und immer wieder die Gavotte... Sätze aus Johann Sebastian Bachs Solopartiten für Violine müssen oft für Zugaben herhalten. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Nicht nur aus diesem Grund mag ich Zugaben in Konzerten überhaupt nicht: Man hat gerade ein großes Werk erlebt, das einen mitreißt, anregt oder erschüttert. Zugaben stören da nur. Und mal ehrlich: Wer will nach Alban Bergs Violinkonzert, das mit einem Bach-Choral verklingt, nochmal einen Satz vom selben Komponisten hören? Da will ich in die Pause. Ins Freie, um durchzuatmen. Oder bei einem Bier mit anderen meine Eindrücke teilen.

Ego-Show für Solist*innen

Auf unglaubliche vier Zugaben hat es die Tasten-Diva Khatia Buniatishvili neulich gebracht. Eine Ego-Show ohne Rücksicht aufs Orchester, das in der Warteschleife hing. Hauptsache, das Publikum jubelte. Wie wohltuend dagegen, als Gautier Capuçon nach einem monströsen Cellokonzert von Lera Auerbach einfach mal – nichts mehr spielte. Die beklemmende Stille nach einer Dreiviertelstunde hochgepeitschter Emotionen war genug. Darf’s etwas mehr sein? Nein danke.

Anlass für Ratespiele in der Pause

Aber ich will ja niemandem den Spaß an Zirkusstückchen und Sahnehäubchen verderben. Zugaben sorgen in der Pause ja immer auch für lustige Ratespiele. Einer wie Igor Levit stellt uns mit seinen Dreingaben regelrecht Denksportaufgaben: Was war denn das jetzt bloß?!

Podcast-Tipp

"32 x Beethoven": In ihrem erfolgreichen Klavierpodcast erklären Igor Levit und sein Freund Anselm Cybinski alle Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven. Inzwischen ist schon die zweite Podcast-Staffel erschienen: "Variationen. Alles wird anders". Alle Folgen finden Sie bei BR Podcast, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Die Zugabe als politisches Statement

Igor Levit beim Beethoven-Zyklus am Flügel bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF / Marco Borrelli Politisches Statement: Igor Levit spielte einmal ein Arbeiterlied des Revoluzzers Frederic Rzewski als Zugabe. | Bildquelle: SF / Marco Borrelli Wenn Levit ein Arbeiterlied des Revoluzzers Frederic Rzewski auf ein Beethoven-Konzert draufsattelt, ist das eher eine Zumutung als eine Gefälligkeit. Kein Schmankerl, sondern ein politisches Statement. Sowas mag ich. Und tief unter die Haut ging es wohl allen im Münchner Nationaltheater, als sich der Dirigent Vladimir Jurowski nach einem Liederzyklus mit der Sopranistin Sabine Devieilhe an den Flügel setzte, um mit ihr noch ein ukrainisches Volkslied zu musizieren. Selten war eine Zugabe passender als in diesem Moment.

Sendung: "Allegro" am 29. April 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Montag, 02.Mai, 14:24 Uhr

Seibold

Zugaben

Zu Tode gelangweilte Kritiker wollen dem Publikum den Spaß an Zugabe-Zuckerln nehmen. Sie vergessen dabei, dass die überwiegende Mehrzahl der Zuhörer die Stücke nicht 20-30-Mal im Jahr zu hören bekommt. Und politische Statements à la Levit sind ein Irrtum am zahlenden Publikum. Ruhe, ihr abgeschmackten Kritiker! Lieber noch einmal die Gavotte hören.

Sonntag, 01.Mai, 16:34 Uhr

Kurwenal

Zugaben

In der Tat: Nach vielen Werken verbietet sich eine Zugabe.

Tiefpunkt für mich: Klaus Florian Vogt entblödete sich in Frankfurt nicht, die "schöne Müllerin" mit "Dein ist mein ganzes Herz" vollends zu zerstören....

Sonntag, 01.Mai, 14:43 Uhr

Kristina Güntsch

Zugaben?

Viel mehr stören mich Kadenzen, die ein schönes Konzert auseianderreißen

Freitag, 29.April, 18:41 Uhr

Piano-Fan

Zugabe als Highlight

Für mich ist nach einem Klavierkonzert eine Solo-Zugabe fast immer ein Highlight! Da zeigt sich ein weiterer nicht unerheblicher Teil der pianistischen Persönlichkeit und in nicht wenigen Konzerten war für mich jene solistische Zugabe der Höhepunkt des Abends.

Freitag, 29.April, 14:50 Uhr

Gufo

Zugaben

Zugaben tragen immer die Gefahr in sich, dass sie den Genuss und Nachklang des Hauptwerks zerstören. Doch dies muss nicht immer so sein. Auch Jonas Kaufmann ist ein " Meister " der Zugaben, aber bei ihm fügen sie sich in das "Hauptwerk" ein, sind sozusagen eine Fortsetzung desselben.

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