BR-KLASSIK

Inhalt

Sponsoring der Salzburger Festspiele Warum "saubere" Kunst eine Utopie ist

Ein Sponsor, der Menschenrechtsverletzungen billigen soll. Ein geladenes Ensemble aus Russland, das von einer kremlnahen Bank gefördert wird: Die Salzburger Festspiele stehen derzeit gleich doppelt in der Kritik. Aber kann Kultur wirklich "moralisch sauber" sein? Peter Jungblut kommentiert.

Salzburger Altstadt mit Blick auf die Burg | Bildquelle: picture alliance / Franz Pritz / picturedesk.com

Bildquelle: picture alliance / Franz Pritz / picturedesk.com

Wer kann sich eigentlich die teuren Eintrittskarten in Salzburg und Bayreuth leisten? Sitzen da nur Demokraten im Saal, die ihr Geld auf anständige Weise verdient haben? Oder mogelt sich da manchmal ein korrupter Oligarch samt Anhang rein? Besser nicht fragen, sondern die Kunst genießen, und die ist nun mal teuer, speziell auf höchstem Niveau. 

Aufregung um "toxisches" Sponsoring und Teodor Currentzis

Theodor Currentzis und musicAeterna bei den Salzburger Festspielen mit Beethovens Neunter | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli MusicAeterna, das Ensemble des Dirigenten Teodor Currentzis, wird von der kremlnahen VTB Bank gefördert. | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli Ob Ticketeinnahmen oder Sponsoring: Die Geldquellen sprudeln vor allem in Salzburg reichlich, und auf ihre politische Bekömmlichkeit hat sie bisher kaum jemand überprüft. Jetzt, wo der Schweizer Regisseur Lukas Bärfuss und seine lettisch-amerikanische Kollegin Yana Ross das stetige Plätschern mit Blick auf das Sponsoring des dubiosen Nickel-Produzenten Solway für "toxisch" halten, ist die Aufregung groß. Wieder mal, denn wer den Festivalbetrieb schon länger beobachtet, der wird sich noch an den amerikanischen Kunstmäzen Alberto Vilar erinnern, der Salzburg und andere hochkarätige Kunstmetropolen einst mit Millionenbeträgen überschüttete, bevor er 2005 als Anlagebetrüger entlarvt wurde. Neuerdings muss sich auch der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis unangenehmer Kritik stellen, weil sein MusicAeterna-Ensemble von der kremlnahen russischen VTB Bank finanziert wird, angeblich fließt kein einziger Rubel ohne Putins Zustimmung.

Wirtschaftsbetriebe sind keine Wohltätigkeitsorganisationen

Das alles stellt Kulturmacher zumal in Kriegszeiten allerdings vor die Frage, was eigentlich "sauberes" Geld ist und ob letztlich nicht jeder Dollar, jeder Euro von Sponsoren ein überaus fragliches Propagandainstrument in eigener Sache ist: Mäzene wollen glänzen, sogar diejenigen, die gern im Hintergrund bleiben, und sei es nur unter ihresgleichen. Seien wir ehrlich: Wirklich "moralisches" Geld gibt es nicht, Wirtschaftsbetriebe sind keine Wohltätigkeitsorganisationen, und keine Produktion der Welt ist völlig unangreifbar. Das gilt zumal für Staatsunternehmen und solche, die staatlich beeinflusst sind. China, Russland, die USA: Welches dieser Länder ist über Kritik erhaben? Bergbau, Öl, Rüstung, Agrarwirtschaft: Welche Branche ist zweifelsfrei ohne jeden Verdacht bei Menschenrechten, Umwelt- und Sozialstandards? Ja, da ist manches, wenn nicht alles "toxisch", vor allem nach den Maßstäben einer an Idealen orientierten Kunst.

Wirklich moralisch "saubere" Kunst ist quasi unmöglich

Nur: Wer fordert, auf die Gelder zu verzichten, müsste eigentlich auch auf nicht wenige Gäste verzichten – und manchen Star mit merkwürdigen Ansichten (Stichwort Currentzis) ausladen. Dann wäre die Kunst womöglich "relativ sauber". Vorausgesetzt, es sitzen nur Leute nebeneinander, denen Geld nichts bedeutet und die noch nie das Finanzamt hintergangen haben.

Sendung: "Allegro" am 22. April 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (6)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Montag, 25.April, 20:41 Uhr

Vladimir Genin

Alle etwa gleich schlecht?

Man will, dass wir für bare Münze nehmen, dass alle etwa gleich verdorben sind. Eine typische Propaganda-Masche. Ja, vieles ist schlecht, aber nicht alles gleich: Eine Erkältung ist nicht einer Pest gleich. Wichtig ist nur diese Gleichheit ins Gehirn rein zu pflanzen, dann kann man sofort ernten. "Saubere Kunst ist eine Utopie" - dann braucht sich kein Mensch mehr zu schämen. Schöne Lösung!

Samstag, 23.April, 13:29 Uhr

Werner Bromberg

Geht es etwas konkreter?

In den Kommentaren, aber auch im Beitrag selbst finden sich einige Behauptungen, die eher Meinungen darstellen oder bei denen nicht klar erkenntlich ist, auf welcher Grundlage sie zustande gekommen sind: In Bezug auf die Bank, die musicAeterna gesponsert hat, heißt es: "Angeblich fließt kein einziger Rubel ohne Putins Zustimmung." Was ist die Quelle dieser Behauptung? Axel Brüggemann, der Currentzis' Musizieren mit Pornografie gleichsetzt? Glaubt er wirklich, dass Putin sich genau erklären lässt, was musicAeterna und Currentzis denn so machen? Falls er es wüsste, würde er sie verjagen statt zu sponsern, denn sie führen - etwa mit "The Riot of Sping" von Dimitri Kourliandsky - z.B. Werke auf, die sich auf Widerstandskämpferinnen beziehen. Dann weiter: "Star mit merkwürdigen Ansichten" - geht es da vielleicht etwas konkreter? Und "Opernfreundin" meint, er sei wegen seines Umgangs mit Musikerinnen und Musikern zweifelhaft. Wieso? Nur, weil er etwas anspruchsvoller in den Proben ist?

Samstag, 23.April, 12:35 Uhr

Uwe Ditz

Kommentar von Herrn Jungblut am 21.04.2022

Danke für diese klaren und ehrlichen Worte.

Freitag, 22.April, 22:48 Uhr

classic

kommentar jungblut vom 21. 4. 22

Ein peinlicher Kommentar. Putin missachtet alle Regeln der Menschlichkeit mit einer barbarischen Kriegsführung. Da wird man von einem Künstler schon mal erwarten können, dass er sich politisch, kulturell und menschlich positioniert. Die russische Führung hat lange genug versucht, die westliche Kultur zu manipulieren. Das muss ja nicht so weitergehen.

Freitag, 22.April, 17:47 Uhr

Gufo

Currentzis

Currentzis wird als Dirigent überbewertet. Er verbreitet Unruhe, etwa wenn er den Konzertmeister während der Aufführung herumgehen lässt, und schmälert damit den Kunstgenuss des Zuhörers. Klassische Musik lebt von der Ruhe und Gelassenheit, nicht von Hektik.

Freitag, 22.April, 12:09 Uhr

Opernfreundin

Sponsoring: immer hinterfragen!

Nein, da stimme ich Herrn Jungblut NICHT zu. Sicher ist eine Firma kein Wohlfahrtsverein und kann ein Festival wie die Salzburger Festspiele sponsern. Dennoch: Kunst ist immer politisch, war es schon immer. Es ist zu hinterfragen, woher das Geld kommt, bzw. wie nah Künstler* z. B. dem Kreml stehen. Außerdem ist Th. Currentzis auch wegen seines Umgangs mit Musikern* zweifelhaft. Nur um der Brillianz und der top Qualifikation Künstler* zu verpflichten halte ich für falsch.

    AV-Player