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Kritik – "Così fan tutte" an der Komischen Oper Berlin Sexy, wild und amüsant

Wer glaubt denn sowas? Zwei Männer, verliebt und verlobt, verkleiden sich, um zu prüfen, ob ihre Herzensdamen treu sind. Und die Frauen merken gar nichts, flirten und lassen sich schließlich rumkriegen – und wissen immer noch nicht, wer sie da verführt? Damit die Kerle zum Schluss klagen können: "Così fan tutte". So machen’s die Frauen. Die Verkleidungsstory in Mozarts Hit-Oper gehört zu den kompliziertesten Aufgaben für jede Regisseurin, jeden Regisseur. 

Szene aus "Così fan tutte" an der Komischen Oper Berlin, Inszenierung Kirill Serebrennikow (März 2023) | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Kirill Serebrennikow, der seelensezierende russische Theatermaniac, weiß um das Ewiggültige von Mozarts Figurenreigen und seiner Musik. Während seines zweijährigen Hausarrests mit Fußfessel auf 40 Quadratmetern, von Putinschergen streng bewacht, hat Mozarts "Cosi" den ehemaligen Direktor des Gogoltheaters überleben lassen. Dank Mozart ist Serebrennikow nicht verrückt geworden. Vielleicht haben die Einsamkeit und Konzentration geholfen, um 2018 ein Meisterwerk mit Videoschalten und vom Anwalt rausgeschmuggelten Szenenbeschreibungen in Zürich auf die Bühne zu bringen.

Von Zürich nach Berlin

Seit dem Überfall auf die Ukraine lebt Serebrennikow in Berlin und konnte hier an der Komischen Oper seine Inszenierung selbst betreuen, in der Zürcher Fassung, aber mit neuen Sängern, Schauspielern und Ideen. In Fitnessstudios und Edellofts leben die beiden Pärchen mit Selfies und Sexappeal die üblichen Rituale unserer Zeit. Die Bühne ist zweigeteilt, oben praktizieren die Mädels den Sonnengruss, unten pumpen die Jungs und boxen und stemmen Gewichte. Die Welten scheinen verschieden und doch gleichsam hedonistisch. Bis die Prüfung der Frauen beginnt. Sie ist kein Spiel. Die Jungs werden eingezogen in den Krieg und – Idee Serebrennikow – sterben dort sofort. 

Die Inszenierung in Bildern

Mozart hätte seine helle Freude gehabt

Dorabella und Fiordiligi trauern mit Urnen im Arm. Auftritt zweier strammer Muskelmänner, Marke Türsteher oder Bodyguard, bei Mozart sind sie Albaner. Sie markieren und spielen jetzt die verkleideten Verführer, während die Gefallenen als Avatare, als Geister, oben oder an den Seiten mit ansehen müssen, wie die Frauen dem Werben der knackigen Kerle erliegen. Das ist höchst unterhaltsam, spannend, amüsant, außerordentlich vielschichtig und sensationell geplant und gespielt. Mozart hätte seine helle Freude gehabt. So sexy, so ironisch und tiefsinnig ist seine Musik, ist da Pontes Story. Hier finden sie ihren Regiemeister und eine brillante Sängertruppe.

Zum Niederknien erotisch und bildschön nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen sind Nadja Mchantaf als sich zierende Fiordiligi und Susan Zarrabi als Partymaus Dorabella. Die zwei Intriganten, die alles inszenieren, Günter Papendell als Don Alfonso und Alma Sadé als Despina, stehen ihnen in nichts nach, an ihrer Seite die Verlobten und Enttäuschten Ferrando und Guglielmo. Caspar Singh und Hubert Zapiór werden ebenso frenetisch gefeiert. Am Pult steht Katharina Müllner. Fein die Sänger begleitend, manchmal etwas konturlos, was vielleicht auch an der veralteten Verstärkertechnik lag.

Von Menschen und ihren Seelenschichten

Diese "Così" ist mithin ein Must. Wild, tiefsinnig, sexy, nie vulgär, nie platt aktualisierend. Die eingespielten Kriegsvideos sind zeitlos. Einmal während der Kleiderprobe in einer Boutique ziehen sich die trauernden Frauen ein blaues und ein gelbes Kleid an. Ukrainefarben? Möglich. Serebrennikow hasst den Krieg. Er liebt Menschen und ihre Seelenschichten. Wenige Buhrufe für die Regie gingen unter im Jubel für einen grandiosen Opernabend. 

Sendung: "Allegro" am 13. März 2023 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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