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Kritik – "Luisa Miller" in München Lust am Untergang

Eine Welt voller egoistischer Gewaltmenschen, die echte Liebe für eine Zumutung halten – davon erzählt Verdis Oper "Luisa Miller". Regisseur Torsten Fischer bewältigt mit seiner Inszenierung am Gärtnerplatztheater höchst aktuelle Ängste vor der Macht autoritärer Regime. Schlagerqualität hat diese Musik allerdings nicht.

Luisa Miller | Bildquelle: Jean-Marc Turmes

Bildquelle: Jean-Marc Turmes

Da ist der Wurm drin, heißt es auf den Werbeplakaten des Münchner Gärtnerplatztheaters für die Oper "Luisa Miller". Gut so, denn ohne diesen Wurm wäre Verdis Tragödie nur halb so unterhaltsam. Ja, es sind die Bösewichte, die diesen Abend so faszinierend machen: Einerseits der intrigante Höfling Wurm, andererseits sein Chef, der Militärdiktator Graf von Walter und dann ist da noch die hinterhältige Herzogin, die sich unbedingt einen deutlich jüngeren Liebhaber anschaffen will. Regisseur Torsten Fischer inszeniert das mit einer geradezu höllischen Lust am Untergang eines verkommenen Machthabers, der sich seinen Weg an die Spitze mit Mord und Totschlag erkämpft hat.

Brückenschlag in die Gegenwart

Natürlich ist niemand bestimmter aus unserer Gegenwart damit gemeint, oder doch? Torsten Fischer zum BR: "Es ist wirklich interessant, wenn man versucht, als Spielleiter einen Abend zu gestalten, muss man ja seine Ängste und seine Lust an Freiheit und Demokratie und auf das Recht zu lieben, wen man will, mit reinbringen - so, wie die Welt gerade ist. Autoritäre Regime gibt es derzeit ja sogar in Europa. Wir leben ja auch mit der permanenten Angst, direkt in einen Krieg verwickelt zu werden. Es geht darum zu zeigen, dass es in einer Militärwelt stattfindet, finde ich."

Die Ausstatter Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos haben sich von einem überlebensgroßen Frauenporträt inspirieren lassen, das der belgische Künstler Fernand Khnopff malte. Es zeigt dessen Schwester in einer versonnen-kühlen Pose, die etwas abweisend wirkt. Zum Reden ist diese Frau offenbar nicht aufgelegt, wohl auch einsam in ihrem Weltschmerz. Und einsam sind wohl alle auf ihre Art, in dieser "Luisa Miller". Die Bösen wegen ihrer Verbrechen, die Guten wegen ihrer Ängste. Dagegen helfen weder die glitzernden, bodenlangen Pailletten-Kleider, in denen sich die Hofdamen vor den Zumutungen des Lebens schützen, noch die Revolver, die die Smokings tragenden Herren hinter ihren Seidenrevers verbergen.

Stehende Ovationen im Gärtnerplatztheater

Eine wölfische Welt, in der die Liebe der titelgebende Luisa zu Rodolfo, dem Sohn des Militärdiktators, keine Chance hat, denn hier denkt jeder nur an sich selbst, mit allen Konsequenzen. Um ehrlich zu sein hat sich Friedrich Schiller, der das Drama "Kabale und Liebe" schrieb, das Verdi vertont hat, nie sonderlich für Liebe interessiert, sondern immer nur für Ideale, und die kommen hier unter die Räder. Dabei müssen die Zuschauer ohne einen großen Verdi-Hit auskommen. Arien mit Schlagerqualität fehlen, was Torsten Fischer nicht weiter grämt: "Mit ist das eigentlich immer fremd: Ich finde Ohrwürmer im Prinzip unangenehm, wenn einen eine Melodie verfolgt. Es ist viel schöner, wenn man sich darauf einlässt. Was ich an dieser Oper besonders finde: Wenn man diese Musik sieht, kommt sie einem näher, als wenn man sie hört."

Und das überzeugte das Publikum im Gärtnerplatztheater: Stehende Ovationen sprechen für sich. Offenbar traf Torsten Fischer mit seiner düsteren Deutung den Nerv der Zeit. Eine uniformierte Gesellschaft ringt um ihre Zukunft und ihre Freiheit, das ist in der Tat aktuell. Unter den Solisten überzeugten vor allem Timos Sirlantzis als intriganter Wurm im schwarzen, erotisch aufgeladenen Fetisch-Outfit, Inho Jeong als äußerst robuster Graf von Walter und Anna Agathonos als pelzgekleidete Herzogin. Ein infernalisch gutes Trio. Auch Matija Meić als Vater von Luisa Miller begeisterte das Publikum. Tenor Jenish Ysmanov als Liebhaber Rodolfo und Jennifer O'Loughlin in der Titelpartie sangen beachtlich, hatten schauspielerisch aber keine Chance gegen ihre Peiniger. Dirigent Anthony Bramall, der sonst schon mal etwas Anlauf braucht, hatte einen ausnehmend guten Abend. Verdi liegt ihm hörbar, und in diesem Fall ging auch das eher bedächtige Tempo völlig in Ordnung. Der Mut des Gärtnerplatztheaters zu diesem unbekannteren Verdi wurde also in jeder Hinsicht belohnt.

Kommentare (1)

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Donnerstag, 11.Mai, 02:10 Uhr

IL

Luisa Miller

Man/Frau sollte sich selbst ein Bild machen!
Sänger durchweg hervorragend, das Orchester und sein Dirigent - ausnahmsweise für's Gärtnerplatz - sehr dezent im Hintergrund, spannende Inszenierung und
für mich der militärische Hintergrund das einzig Störende!

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