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Kritik - Moritz Eggerts "Terra Nova oder Das Weisse Leben" Spektakel im Weltall

Technischer Fortschritt, Wohlstandsglauben und Machbarkeitswahn: Darum geht es in Moritz Eggerts neuer Oper "Terra Nova oder Das Weiße Leben", die am Landestheater Linz uraufgeführt wurde. Es ist eine Science Fiction-Satire, ein wahres Spektakel.

Impressionen aus der Oper "Terra Nova oder das Weiße Leben" am Landestheater Linz  | Bildquelle: © Ursula Kaufmann

Bildquelle: © Ursula Kaufmann

Astronauten, die Teddybären unter ihren Raumanzug schmuggeln und im Weltraum Osterhasen antreffen, arbeiten jedenfalls nicht für die NASA. Dafür entdecken sie auch weit mehr als einen neuen Planeten, nämlich sich selbst. Und was sie da finden, ist total irrsinnig, abgedreht, durchgeknallt, kurz und gut: menschlich. Drei Jahre hat der Münchener Komponist Moritz Eggert an seiner neuen Oper "Terra Nova" gearbeitet, den Text steuerten der österreichische Autor Franzobel und der Linzer Intendant Rainer Mennicken bei, und was dabei herauskam, war eine aberwitzige, unterhaltsame und sehr schräge dreistündige Science-Fiction-Satire, in der so ziemlich alle herumgeisterten, die irgendwann mal mit dem Weltraum im Allgemeinen und der Zukunft im Besonderen zu tun hatten, speziell Berühmtheiten wie Armstrong und Hawking, aber auch eine Marilyn, die im Bordell arbeitet und Raketen irgendwie langweilig findet.

Eggert bleibt sich treu

Ein unglaubliches Spektakel, und somit typisch für den Komponisten Moritz Eggert, Jahrgang 1965. Im vergangenen Jahr dirigierte er in Passau ein Konzert für Trabbi-Hupen, für den Wiener Opernball erdachte er ein Fußball-Ballett, in seiner "Teufelsküche" von 2014 ließ er Kartoffel, Möhre und Rotkohl auftreten. Gut, dass es einen zeitgenössischen, deutschen Komponisten gibt, der sich auf die ganz große Show versteht.

Wenn man nicht mehr auf die Kraft der Bilder vertraut, dann geht etwas verloren, was die Magie des Theaters ausmacht.
 Moritz Eggert

Die Magie des Theaters, darum geht es letztlich auch in der ungemein aufwändig produzierten Oper "Terra Nova". Regisseur Carlus Padrissa von der katalanischen Truppe "La Fura dels Baus" gilt von jeher als Spezialist für überwältigende Bilder, für gigantischen technischen Aufwand, für überbordende Lichteffekte, raffiniert eingesetzte Dreh- und Hebebühnen. Im supermodernen Linzer Musiktheater konnte er sich nach Herzenslust austoben. Der ganze Saal wurde bespielt bis hinauf in den zweiten Rang, und darüber schwebte das Modell der "Terra Nova", ein total absurdes Raumschiff auf dem Weg in den Wahnsinn.

Bei dem Stück verschwimmen mehrfach Realität und Fantasie und es ist nicht so ganz klar, ob das Science-Fiction oder einfach etwas Symbolisches ist.
Moritz Eggert

Eine Wissenschaftlerin kommt auf die Idee, in einer fernen Galaxis eine bessere Welt  zu suchen, und beim Welt-Diktator Ruler stößt sie damit auf offene Ohren. Weil ein merkwürdiger Meteorit eine neue, geheimnisvolle Substanz auf die Erde gebracht hat, gibt es auch den Treibstoff für die Reise durch das All. Leider macht diese neue Chemikalie aber auch alle Menschen zu blendend weißen Zombies, die weder altern noch sterben, ja überhaupt keine Emotionen mehr haben. Die neue Welt, der Garten Eden, erweist sich natürlich als Wunschvorstellung, die Astronauten kommen niemals an und verlieren sich im Drogenrausch. Die auf der Erde Zurückgebliebenen verlieren allesamt ihre Seelen und  feiern das Ende der Arbeit, des Fortschritts, jeglicher Veränderung und Entwicklung.

Furiose Oper

Impressionen aus der Oper "Terra Nova oder das Weiße Leben" am Landestheater Linz  | Bildquelle: © Ursula Kaufmann Bildquelle: © Ursula Kaufmann Der Text ist durchweg ironisch-derb, die Musik voll satirischer Anspielungen. Klamaukig oder peinlich wurde es allerdings nie. Eggert lässt die Windmaschine jammern, das Schlagwerk hämmern, zitiert pathetische Hymnen und Choräle, laszive Songs, schwungvolle Tanzrhythmen, wabernde Elektronik - das All bebt, die Menschheit strebt, und zwar zu Höherem. Eine furiose Oper über technischen Fortschritt, über Wohlstandsglauben und Machbarkeitswahn. Dirigent Dennis Russell Davies hielt den riesigen Klangapparat zupackend beieinander, zeigte Leidenschaft für diese augenzwinkernde Monstrosität, die sicherlich nicht jeder im Publikum als solche verstanden hat.

Bedeutungsschwere Gesten

Besonders die Choreographie von Mei Hong Lin war gewöhnungsbedürftig, da wurde viel bedeutungsschwer gestikuliert, fast wie im sozialistischen Revolutionstheater. Ob auch das ironisch gemeint war, wurde nicht so recht deutlich. Chor, Kinderchor und Statisten waren durchweg konzentriert bei der Sache. Unter den zahlreichen Solisten überzeugten vor allem Jacques le Roux als Diktator Ruler und Anais Lueken als seine Geliebte Marilyn. Das Publikum reagierte nicht enthusiastisch, aber durchaus wohlwollend auf dieses großartige Unterhaltungstheater.

Weitere Aufführungen

Die Oper "Terra Nova oder das Weiße Leben" von Moritz Eggert ist am Landestheater Linz noch am 30. Mai, 3., 10., 12. und 18. Juni sowie am 5. Juli 2016 zu sehen.

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