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Kritik - "La Traviata" in Berlin Eine energiegeladene Gerontotruppe

Schon in der Ouvertüre lauert der Tod. "La Traviata" ist wunderschön, schrecklich traurig und Verdis populärste Oper. Am Samstagabend war Premiere an der Berliner Staatsoper. Dieter Dorn inszenierte, Daniel Barenboim stand am Pult.

Dieter Dorns Inszenierung - Eindrücke von der Produktion | Bildquelle: Bernd Uhlig

Bildquelle: Bernd Uhlig

Können diese über 70-jährigen das Drama so erzählen, dass der Atem stockt?

Ein junges Mädchen, voller Eros und Glut, mit schlechtem Ruf und guter Seele, liebt, verzichtet und stirbt. 
Die Story ist ein Reisser. Es ist schwer, Traviata schlecht zu inszenieren, noch schwerer aber, sie glaubhaft auf die Bühne zu bringen. Und am schwersten ist es, wenn im Voraus Fragen wie diese die Inszenierung begleiten: Kann ein 80-jähriger Regisseur mit einer 78-jährigen Kostümbildnerin und einem 73jährigen Dirigenten dieses Drama um Liebe und Tod so erzählen, dass der Atem stockt und die Tränen fließen, bei einem typischen Opernpublikum, das der Pubertät ebenfalls seit etlichen Jahrzehnten entwachsen ist?  
Machen wir es kurz und bündig und spitzen wir es polemisch zu:
Die Nähe zu den letzten Dingen ist eine ziemlich gute Voraussetzung, um eine besonders gute Traviata zu produzieren. Und das ist Dieter Dorn gelungen: mit erwähnter, künstlerisch unvergleichlicher und energiegeladener Gerontotruppe, hinreißenden jungen Sängern und einer coolen Bühnenbildnerin, die grundgut gebildet das Geschehen auf ein Stilleben des 17. Jahrhunderts konzentriert. Vanitas - Eitelkeit, Vergänglichkeit. 
Auf der nahezu leeren Bühne rieselt aus einem Sack Sand, unerbittlich. Dieser Sandsack hängt über einem Spiegel, hinter dem ein Totenschädel lauert, und dieser Spiegel beherrscht die Bühne, er steht im Zentrum. Den Totenschädel bilden weiß gewandete Balletttänzer, die den Schädel auflösen, wenn die Liebe allmächtig wird.

Erotisch und dramatisch: Sonya Yoncheva

Dieter Dorn hat begriffen, dass in Verdis beliebtester Oper eigentlich nur eine Figur richtig lebendig ist: die sterbenskranke Violetta. Sie ist bezogen auf die Menschen, sie liebt, sie schaut hin, während ihr Alfredo nur seine Gefühle begehrt und sein Vater lediglich den Ruf der Familie retten möchte. Die Männer wirken statutarisch, als habe Dorn vergessen, sie zu inszenieren, was natürlich nicht stimmt. Sie sollen einfach nur dumpf und farblos Männer sein.
Violetta hingegen liebt und diese Violetta... ja, wir kennen Callas und Netrebko und können uns schlecht vorstellen, dass die Kameliendame, die Verirrte, ähnlich erotisch und dramatisch möglich ist. Die Bulgarin dieser Berliner Produktion aber, Sonya Yoncheva, schafft es. Niemand entzieht sich ihrer prallen Körperlichkeit, ihrer Wahrhaftigkeit und ihrem Liebessturm.
Stimmlich der Violetta der Yoncheva nicht ganz, aber nahezu ebenbürtig ist Vater Germont, Simone Piazolla. Die aparte Logik der Oper: Der Sänger des Vaters ist im wahren Leben drei Jahre jünger als sein Sohn Alfredo. Alfredo alias Abdellah Lasri hat einen wunderschönen Tenor, der hin und wieder in den Höhen leicht wackelt, was die ungezogenen Berliner zu Buhrufen animiert. Gutes Benehmen ist in der Hauptstadt eben auch beim Opernpublikum ein Fremdwort. Egal. Simone Piazolla singt die Arie des egoistisch liebenden Vaters einfach zum Schmelzen schön.

Ein pausenloser Totentanz

Bei soviel Jubel: wo hakt's? Dorn hat Probleme mit dem Chor, bei Verdi immer die schwierigste Regie-Nummer. Der Chor steht nur nett drapiert rum. Das kann Neuenfels besser. Aber vielleicht hat dieser Chor nichts weiter zu tun als schön zu singen, was perfekt gelingt. Barenboim am Pult hat seine Staatskapelle für alle Dreivierteltakte in Liebe, Schmelz und Tod genial, dynamisch und sängerfreundlich positioniert. Die ganze Traviata ist ein einziger Walzer, ein pausenloser Totentanz. Violetta tritt beim letzten Tanz zum Sterben durch den Spiegel. Dorn zitiert hier Jean Cocteaus Film "Orphee" aus dem Jahre 49. "Les miroirs sont les portes par lesquelles la mort vient et va." Die Spiegel sind die Pforten, durch die der Tod kommt und geht. 

Kommentare (1)

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Dienstag, 22.Dezember, 03:04 Uhr

Femida

Taktlos und geschmacklos, Frau Ossowski!

Also als erstes kommt mir die Frage: "Wie alt sind Sie denn bitte, Frau Ossowski?" Zeigen Sie uns Ihre Geburtsurkunde und am besten zeigen Sie uns Ihre höchsterotische Seite, wenn Sie so viel davon verstehen!
Zweitens: es ist SEHR EINFACH, "La Traviata" schlecht zu inszenieren, und auch schlecht zu interpretieren. Ungefähr 80% von allen "Traviata"-Vorstellungen sind schlecht, geschmacklos und wenig professionell, und diese "Traviata" ist keine Ausnahme. Da ist NICHTS Erotisches drin, aber das ziemlich impotentes Dirigieren wäre für Sie vielleicht in ihrem Alter anziehend.
Wovon Sie eigentlich hier geschrieben haben? Vom Alter der Künstler? Wer wieviele Jahre jünger als der andere ist? Wer "erotisch" ist und wer nicht? Oder daß Ihre Lieblingsfigur Barenboim "genial" ist? Um die erfahrene Künstler als "Gerontogruppe" zu bezeichnen und damit zu beleidigen? Dafür werden Sie bezahlt?! Begreifen Sie eigentlich, daß Sie nur mit Ihrer "unteren Etage" denken?! Schande, Frau Ossowski!!!

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