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Kritik – Wagners "Lohengrin" in Salzburg Thielemanns letzte Osterfestspiele

Es ist sein Abschied: Christian Thielemann hat am Samstag zum letzten Mal als Künstlerischer Leiter der Salzburger Osterfestspiele eine Premiere dirigiert. Wagner natürlich, passend zu Thielemanns Markenkern. Das Regieteam ist dagegen weniger typisch für die Osterfestspiele, wo man sich bislang sehr konservativ gab – schließlich sind die Tickets extrem teuer, es gibt auch kaum Förderung vom Staat. Ob die Regisseure Jossi Wieler und Sergio Morabito den Geschmack der traditionellen Kundschaft getroffen haben?

"Lohengrin" bei den Osterfestspielen Salzburg 2022 | Bildquelle: © Ruth Walz

Bildquelle: © Ruth Walz

Es gibt zwei Sorten von Krimis: Bei der einen weiß man nicht, wer's war. Auf Englisch heißen die: "Whodunnit". Bei der anderen Sorte weiß der Zuschauer von Anfang an, wer das Verbrechen begangen hat; die Frage ist, wie's rauskommt. Im Englischen heißen solche Krimis: "Howcatchem". Bei dieser Sorte ist es naturgemäß ein bisschen schwieriger, die Spannung zu halten. Genau daran versuchen sich die Regisseure Jossi Wieler und Sergio Morabito.

"Lohengrin" in Salzburg – Krimi-Kammerspiel oder Breitwandepos?

Zu den überirdischen Streicherklängen der Ouvertüre treibt sich Elsa einsam an einer riesigen, düsteren Hafenanlage herum. Ist es ein Wehr zur Regulierung der Flut, eine Mole oder eine Industrieanlage vom Beginn des 20. Jahrhunderts? Jedenfalls hat Bühnenbildnerin Anna Viebrock mal wieder einen poetisch-monströsen Raum geschaffen mit starker, beklemmender Atmosphäre. Hier fischt Elsa, sich schuldbewusst umsehend, eine Perücke aus dem Wasser. Damit ist von Anfang an klar: Sie war's, sie hat ihren Bruder Gottfried ermordet.

Bilder der Inszenierung

Elsa ist nicht unbeobachtet. Oben auf der Hafenmole steht ihre Gegenspielerin Ortrud. Sie hat alles gesehen. Da hätte was draus werden können – ein Duell zwischen zwei starken Frauen, die ihre Männer als Werkzeug instrumentalisieren. Aber da ist noch eine Kleinigkeit in dieser Mammutmärchenoper: der Chor. Wagners Lohengrin ist eben kein kriminalistisches Kammerspiel, sondern ein Breitwandepos über Macht und Massenpsychologie. Es geht um Führer und Verführte, dumpfes Volksempfinden und Manipulation durch Überwältigung.

Regieteam Wieler & Morabito verzettelt sich

Also stülpen die Regisseure über den Krimi noch ein zweites Genre: den Historienschinken. Soldaten aus dem ersten Weltkrieg mit Helm und Tornister bevölkern die riesige Hafenmole, der König trägt eine feldgraue Generalsuniform. Das ist teilweise in den Massenszenen sehr wirkungsvoll bebildert, mit vielen choreographischen Details. Aber die Inszenierung schlingert fortan zwischen Krimi und Historiendrama hin und her. Und verzettelt sich.

Da purzeln die Zeiten und Codes nur so durcheinander: Graffiti und Schnellfeuergewehr aus der Gegenwart, Zylinder und Knickerbocker aus dem frühen 20. Jahrhundert. Lohengrin ist ein leicht prolliger und ziemlich eitler Fantasy-Ritter mit archaischem Riesenschwert und eindrucksvoller Lockenpracht. Der könnte glatt aus "Game of Thrones" entlaufen sein, wenn er nicht so spacig glitzernde Silberschuhe anhätte. Der Hochzeitszug ist dann wieder eine Art präfaschistisches Volksfest und das Brautgemach ein fahrbares Bett in der Hafenmole: Soll das jetzt ironisch sein? Von allem etwas. Ein bisschen Thriller, ein bisschen Geschichtsstunde, viel Regie-Bastelei und viele lose Enden. Am Schluss dieses unentschlossenen Patchworks zieht Elsa den von ihr ermordeten Gottfried aus dem Untergrund hervor: Da steht sie, die gruselige Wasserleiche. Wer’s war, das wussten wir schon, und wie das rauskommt, ist leider nicht sehr spannend.

Starker Lohengrin, schwächelnde Elsa

Immerhin gelingt die musikalische Seite recht ordentlich, wenn auch nicht überwältigend. Eric Cutler ist ein starker Lohengrin. Souverän bewältigt er diese ziemlich mörderische Partie, Kraft und Lyrik sind dabei gut ausbalanciert. Schwieriger ist es mit der Elsa von Jacquelyn Wagner. Darstellerisch ist sie toll, eine manipulative, charismatische Verbrecherin. Und bei den leisen Stellen überzeugt sie auch stimmlich. Aber immer, wenn sie den Raum füllen müsste, fehlt ihr schlicht das Volumen, dann wird ihr etwas zu leichter Sopran eng und dünn. Die Ortrud von Elena Pankratova hat Energie und Farbe. Mit der stärksten sängerischen Leistung des Abends überzeugt Martin Gantner als Telramund: Bei ihm kommt emotional am meisten rüber, ein verzweifelter Bösewicht, der die Faust in der Tasche ballt.

Jubel für Thielemann, Buhs für die Falschen

Salzburger Osterfestspiele 2021, Christian Thielemann | Bildquelle: OFS/Matthias Creutziger Dirigent Christian Thielemann, der scheidende Künstlerische Leiter der Salzburger Osterfestspiele, wurde vom Publikum bejubelt. | Bildquelle: OFS/Matthias Creutziger Dirigent Christian Thielemann geht lustvoll in Extreme: Kaum hörbares pianissimo wechselt mit suggestiver Klangwucht. Mal staucht und dehnt er die Zeit, dann wieder treibt er das musikalische Drama aufgekratzt nach vorne. Die Sächsische Staatskapelle hat einen dunklen, dabei schlanken Klang, der nie die Sänger zudeckt, man kann wirklich erstaunlich gut den Text verstehen. Das Festspielpublikum bejubelt Thielemann demonstrativ – seine Fans hätten ihn als Künstlerischen Leiter der Osterfestspiele offenbar gern behalten. Wütende Buhs bekommen dann tragischerweise die drei Chordirektoren ab, die eigentlich gute Arbeit geleistet haben, aber von vielen empörten Zuschauern mit dem Regieteam verwechselt werden. Irgendwie läuft dieser Abend halt einfach nicht rund.

Sendung: "Allegro" am 11. April 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Mittwoch, 13.April, 16:50 Uhr

Peter E. Teichreber

Richard Wagner forderte selbst dazu auf neues auszuprobieren und zu machen - sprich : zu inszenieren. Nicht ohne Grund sprach Wolfgang Wagner immer von der "Werkstatt Bayreuth". Das mag - auch für das Publikum - eine (intellektuelle) Herausforderung bedeuten, eine Wagner-Oper ist immer eine Herausforderung für alle Beteiligten - ganz im Sinne eines Gesamtkunstwerks. Dabei mag manches gut, manches weniger gut, manches überhaupt nicht gelingen. Das muss frau / man dabei eingehen. Ohne Risiko kein Erfolgserlebnis. Deshalb : Schwamm drüber.

Montag, 11.April, 12:47 Uhr

Kölzsch Jürgen

Lohengrin

Wer Opern zerstören und die wichtigen Zuschauer verlieren will, sollte sich bald von solchen Regieteams verabschieden. Wenn keiner mehr hingeht, weil es unerträglich wird, können auch keine Einnahmen mehr das Ganze retten. Nur konzertant reicht nicht.

Sonntag, 10.April, 15:21 Uhr

Tim Theo Tinn

Bühnenbild


die Bühnenbilder sindjnahezu identisch mit der WSTO Produktion "Das verratene Meer" vom gleichen Team. So ist die berückende Bühnenvielfalt der Frau Viebrock und der Herren Wieler und Morabito.

Sonntag, 10.April, 10:52 Uhr

Klaus Reinhart

König Heinrich

Eine sehr ausgewogene und stimmlich ansprechende Darbietung

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