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Mahan Esfahani über Skandal-Konzert in Köln „Die Cembalo-Mafia hasst meine Art zu spielen“

Am Sonntag sorgte ein Konzert des Cembalisten Mahan Esfahani in der Kölner Philharmonie für einen Eklat. Bei der Veranstaltung standen sowohl Werke von Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach auf dem Programm als auch zeitgenössische Musik von Fred Frith, Henryk Górecki und Steve Reich. Im Interview mit BR-KLASSIK schildert der iranische Musiker, wie er den Nachmittag erlebt hat - und warum er negative Reaktionen bereits gewohnt ist.

Cembalist Mahan Esfahani | Bildquelle: Bernhard Musil / DG

Bildquelle: Bernhard Musil / DG

BR-KLASSIK: Herr Esfahani, wie haben Sie die Stimmung in der Kölner Philharmonie am Sonntag wahrgenommen?

Mahan Esfahani: Eigentlich war die Atmosphäre während des Konzerts gut. Wir haben ein bisschen Bach gespielt, ein bisschen Modernes wie Górecki und Frith. Es war ein typisches Sonntag-Nachmittagskonzert mit einem vielleicht etwas konservativeren Publikum. Ich wollte den Zuhörern eine kleine Einführung in Steve Reichs "Piano Phase" geben - ich hatte den Leuten erklärt, dass ich das auf Englisch mache. Denn ich spreche zwar ein bisschen Deutsch, aber nicht gut genug. Da hat jemand im Saal gerufen: "Sprechen Sie gefälligst Deutsch!" Ich weiß, dass ich ein Fremder bin, da müssen mich die Zuhörer nicht daran erinnern. Der Zwischenruf hat mich mehr beleidigt als das, was danach geschehen ist.

Wovor haben Sie Angst?

BR-KLASSIK: Sie wollten Steve Reichs "Piano Phase" spielen, mussten aber abbrechen …

Mahan Esfahani: Es hat keine zwei Minuten gedauert, da brach das Chaos aus. Zuhörer fingen an zu buhen, zu zischen, zu schreien, sie sind immer lauter und lauter geworden. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie unerträglich das wurde. Das Publikum, das "Piano Phase" positiv gegenüberstand, konnte von dem Werk gar nichts mehr hören. In diesem Moment fühlte ich, dass ich etwas sagen musste. Ich fragte die Menschen: "Wovor haben Sie Angst?" - eine Antwort habe ich nicht bekommen. Deswegen habe ich meinen Vortrag endgültig abgebrochen.

BR-KLASSIK: Warum haben manche Zuhörer so negativ reagiert?

Cembalist Mahan Esfahani | Bildquelle: Marco Borggreve "Manche Cembalo-Liebhaber hassen meine Art zu spielen": Mahan Esfahani | Bildquelle: Marco Borggreve Mahan Esfahani: Ich glaube, sie haben sich vor der Musik gefürchtet. "Piano Phase" folgt der wunderschönen Idee, dass ein und dieselbe Note in anderen Anordnungen ganz neue Farben schaffen kann. Manche Menschen stehen solchen ungewöhnlichen, neuen Ideen leider nicht offen gegenüber. Das finde ich sehr schade. Wenn ihnen die Musik nicht gefällt, dürfen sie das gerne ausdrücken - aber bitte nicht so rüde wie in der Kölner Philharmonie. Aber ich sterbe wegen solcher negativen Reaktionen nicht. Es gibt Schlimmeres auf der Welt.

BR-KLASSIK: Sie klingen gelassen, obwohl es sehr respektlos von den Zuhörern war.

Mahan Esfahani: Ach wissen Sie, die Mehrheit im Saal war der Musik gegenüber positiv gestimmt. Und ich bin negative Reaktionen gewohnt. Besonders im Internet und in sozialen Netzwerken werde ich häufig attackiert, sowohl auf persönlicher als auch auf rassistischer Ebene. Ich nenne das die "Cembalo-Mafia". Manche Cembalo-Liebhaber sind sehr formalistisch, sie hassen meine Art, das Instrument zu spielen. Sie sagen, dass ich dem Cembalo Unrecht tue, dass ich es falsch spielen würde. Das ist Unsinn.

Wenn Du etwas nicht magst, dann solltest Du doppelt so viel Zeit damit verbringen. Nur so kannst Du verstehen, warum Du es nicht magst.

BR-KLASSIK: Was denken Sie über Ihre Kritiker? 

Mahan Esfahani: Mir tun Menschen wirklich leid, wenn sie sich selber nicht die Chance geben, etwas Neues auszuprobieren und zu hören. Ein Bekannter von mir sagt immer: "Wenn Du etwas nicht magst, dann solltest Du doppelt so viel Zeit damit verbringen. Nur so kannst Du verstehen, warum Du es nicht magst." Ich denke, wir alle sollten am Ende unseres Lebens sagen können: Gut, dass ich viel experimentiert und mich selber nicht eingeschränkt habe.

BR-KLASSIK: Die Kölner Philharmonie hat Sie nach dem Vorfall sofort wieder zu sich eingeladen. Sie möchte, dass Sie im kommenden März wieder "Piano Phase" spielen. Nehmen Sie die Einladung an?

Mahan Esfahani: Darauf können Sie wetten! Ich liebe Köln und ich werde "Piano Phase" auf jeden Fall spielen. Sollte es wieder negative Reaktionen geben, dann ist das nicht mein Problem. Es ist, wie es ist. 

Das Interview führte für BR-KLASSIK Veronika Scheidl.

Kommentare (8)

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Freitag, 11.März, 00:34 Uhr

Armin Thalheim

Köln-Konzert mit Mahan Esfahani

Herr Esfahani ist ein super Cembalist, der nicht nur sein Handwerk beherrscht, sonder auch subtilen Vortrag gegen optimale Wirkung klug gegeneinander abwägt. Auch dass er in England studierte, hebt ihn mühelos in die Gilde europäischer Spitzenkünstler. Wer da noch rassistisch denkt, ist ein Esel und wird es bleiben. Die Sache mit der Piano Phase ist jedoch eine ganz andere. Bevor jemand über dieses Stück urteilt, sollte er sich mal eine der im Internet zur Verfügung stehenden Versionen in aller Gelassenheit anhören. Das Werk finde ich als ausgebildeter Musiker sehr spannend und bewundere die Idee mit den 8 Noten, die von zwei Musikern gespielt werden. Das Ganze dauert aber fast 23 Minuten! Hört euch das erst einmal ungekürzt an, bevor ihr über dieses Konzert und das Werk urteilt! Auch wenn diese Komposition aus dem Jahre 1967 stammt, so ist uns diese Art der Minimal-Musik heute fremd geworden. Die Reaktionen in Köln wirkten allerdings bestellt, ohne Anspruch auf Ernsthaftigkeit.

Samstag, 05.März, 18:57 Uhr

Bernd Regener

was kann ein Musiker wie Mahan, für ein solch
armseliges Publikum

Samstag, 05.März, 14:20 Uhr

MW

Neue Musik

Was heute als neue "Musik" verkauft wird, erinnert nur zu oft an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Dazu fällt mir nur ein: "HURZ..." Aber man braucht ja nicht zu einem solchen Konzert gehen. Und völlig untragbar ist Rassismus. Die Damen und Herren die so etwas von sich geben, haben sich damit als verkalkte Kleingeister mit einem geistigen Horizont von 0,00 disqualifiziert.

Samstag, 05.März, 09:16 Uhr

cembalo_girlie

cembalo-mafia

die viel interessantere frage, die sich für mich stellt, ist die, was bewegt menschen über das "normale" maß hinaus auf ein musikstück und einen künstler derart zu reagieren...? was mag dem zu grunde liegen und wovon sprechen wir hier im eigentlichen sinn..?
stimmt mich sehr sehr nachdenklich....

Freitag, 04.März, 14:43 Uhr

Wolfgang Schönfelder

Cembalo-Mafia

Hallo,
an alle Buhrufer, Kritiker und ggf. diese Musik ablehnenden. War es unbekannt wie und auf welche Weise Mahan Esfahani spielen würde?

Freitag, 04.März, 10:56 Uhr

birgit pardun

teile des kölner publikums

ich schäme für die, die in köln so reagiert haben. steve reich scheint große angst auszulösen, oder was ist das?????

Mittwoch, 02.März, 22:04 Uhr

Alfonso

Kölner Weltoffenheit

Was ist mit den Kölnern passiert? Ich habe Köln immer als weltläufige Stadt erlebt, wo eine geistige Haltung, wie sie hier gezeigt wurde, keinen Platz hat. Wenn schon in Köln wieder so ein braunes Süppchen köchelt, kann man sich vorstellen, wie das in anderen deutschen Städten aussehen mag. Zum Glück hat Herr Esfahani das Differenzierungsvermögen, zu dem es bei diesen Kölner Zuhörern offenbar nicht reicht. Wohin driftet diese Welt? So utopisch scheint Rosenmüllers Nockherberg-Inszenierung 2016 gar nicht gewesen zu sein...

Mittwoch, 02.März, 16:25 Uhr

Ich

Du

Ich freu mich schon auf das nächste Jahr wen Herr Esfahani in Köln die Piano Phase spielen wird und das werde ich mir aufjedenfall anschauen.Ich liebe Minimalistische stücke und dies ist ein wirklich Schwieriges wen es von einem Piano kommt.Aber es gibt ein kleinen Eindruck auf ein Cembalo Phase vom Herr Esfahani auf Youtube und das ist sehr viel einfacher zu hören!!!!!
Ich mag beide ! :)

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