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Philadelphia Orchestra Im Konzert - Handy an!

In Philadelphia sind die Zeiten vorbei, in denen Konzertbesucher ihr Smartphone in der Tasche lassen mussten: Das Philadelphia Orchestra hat eine App entwickelt zur Nutzung während des Konzerts. So wollen die Musiker insbesondere junge Leute ins Konzert locken.

Mit dem Tablet im Konzert | Bildquelle: colourbox.com

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Philadelphia Orchestra

Im Konzert - Handy an!

Es ist der Albtraum. Das Konzert hat gerade begonnen, ein Handy klingelt. Und dann stellt man fest: Es ist das eigene. Nicht wenige Konzertbesucher fürchten diesen Moment. Auch Geoff Edgers, Musikkritiker bei der Washington Post. Er war sehr skeptisch, als er von der Idee des Philadelphia Orchestra hörte, das Publikum zur Nutzung von Handys im Konzert aufzufordern. Wer die App auf sein Smartphone lädt, könne während des Konzerts von zusätzlichen Informationen profitieren, erläutert der stellvertretende Leiter der künstlerischen Planung, Jeremy Rothmann. So kann der Zuhörer beispielsweise Texte von Gesangseinlagen mitlesen, er bekommt Informationen zum Komponisten, zum Stück und zur Aufführung. Zum Beispiel zu Aaron Coplands "Appallachian spring" - Frühling in den Appalachen. Das Werk ist durchkomponiert, es gibt keine hörbaren Pausen oder Unterbrechungen. Per App erfährt der Konzertbesucher, was gerade passiert.

Wo fängt die Hochzeit an, wo tanzen die Schäfer und so weiter. Das können Sie hier verfolgen.
Jeremy Rothman vom Philadelphia Orchestra

App des Philadelphia Orchestras | Bildquelle: Jeff Fusco Bildquelle: Jeff Fusco Kein Geräusch und auch kein Licht von den Smartphones soll dabei den Hörgenuss stören. Das Konzerterlebnis stehe immer im Mittelpunkt , betont Rothman. Deshalb haben IT-Experten der Drexel-Universität in Philadelphia im Auftrag der Musiker eine App entwickelt, die nicht stört: graue Schrift auf schwarzem Grund. Absolut geräuschlos bedienbar und - sie hat noch einen sympathischen Nebeneffekt: In Konzerten mit App klingeln weniger Handys als in Konzerten ohne App. Das mag daran liegen, dass das Handy die Besucher zu Beginn des Konzerts daran erinnert, den Klingelton auszuschalten, meint Jeremy Rothman.

Aber natürlich gab und gibt es immer wieder Kritik an der App. Schon vor ihrer Einführung. Deshalb habe man in der Geschäftsleitung alle möglichen Fragen diskutiert. Etwa, ob es nur einen bestimmten Bereich geben sollte im Konzertsaal, wo die App benutzt werden kann. Ob sie nur bei bestimmten Werken eingesetzt werden sollte und nur für ein besonderes Publikum.

Aber das Philadelphia Orchester entschied sich dagegen, die Benutzung zu reglementieren. Für die Musiker war klar, dass jeder die App in jeder Aufführung im gesamten Konzertsaal nutzen können muss. Ansonsten sei eine solche App sinnlos. Inzwischen sind im Programmheft die Aufführungen gekennzeichnet, in denen die App genutzt werden kann - mit einer grauen Note auf schwarzem Grund.

Auch Kritiker jetzt überzeugt

Geoff Edgers von der Washington Post überwand seine anfängliche Skepsis. Am Anfang fand er es durchaus seltsam, die Leute um sich herum zu beobachten, wie wie auf ihre Telefone schauten. Doch die App sei durch durchaus nützlich. Er selbst gehöre zu den Menschen, die es trotz guter Vorsätze nie schafften, sich vor dem Konzert über das Stück und den Komponisten zu informieren, sagt Edgers. Und da biete der Blick auf den kleinen Bildschirm eine gute Alternative. Aber er könne natürlich sein Smartphone auch jederzeit ausschalten. Allerdings, bekennt er etwas schuldbewusst, wer sein Mobiltelefon in der Hand halte, der nutze es während es Konzerts auch mal anders.

Ich habe zwischendurch mal meinem Redakteur geschrieben und meine Frau fragte mich etwas, ich hab ihr schnell geantwortet.
Geoff Edgers, Washington Post

Aber dann, sagt Edgers, habe er nur noch der Musik gelauscht.

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