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Zum Tod der Sopranistin Mirella Freni Von der Poesie der kleinen Dinge

Ihr Name war Mirella, aber man nannte sie oft Mimì. Seit sie 1963 unter Karajan an der Mailänder Scala in dieser Rolle debütiert hatte, galt sie als ideale Verkörperung der "soave fanciulla", des "sanften Mädchens": an der Seite Nicolai Geddas, Gianni Raimondis oder des lebenslangen Freundes und Kollegen Luciano Pavarotti. Am 9. Februar 2020 ist die Sängerin im Alter von 84 Jahren in ihrer Geburtsstadt Modena verstorben.

Mirella Freni | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Würdigung Mirella Freni

Die Freni rührte durch ihre natürliche Schlichtheit, die den englischen Kritiker Andrew Porter schwärmen ließ: "Mirella Freni ist weiß Gott nicht kunstlos, aber sie ist nie künstlich". Ihr inniger, zarter und doch warmer Stimmcharakter prädestinierte sie für jene Frauengestalten Puccinis, die nicht von großen Gesten leben, sondern von der Poesie der kleinen Dinge und der stillen Kraft ihrer Gefühle – Gestalten wie Liù, Butterfly oder eben Mimì.

Ich liebe alle Partien, die ich singe, weil sie in mir Emotionen wecken. Ich muss gestehen, mir macht es Spaß, Musik zu machen.
Mirella Freni

Debüt als Micaëla in Bologna

Mirella Freni | Bildquelle: picture-alliance/dpa Luciano Pavarotti und Mirella Freni in Gaetano Donizettis Oper "La Fille du régiment" (Scala, undatiert) | Bildquelle: picture-alliance/dpa Mirella Freni kam 1935 in Modena zur Welt, genau wie Luciano Pavarotti. Ihre Mütter waren befreundet und die Kinder sollen sogar dieselbe Amme gehabt haben, was die Freni später oft witzeln ließ, "Mr. Big P" habe ja wohl die größere Portion Milch abbekommen. Dennoch war ihre internationale Karriere ebenso wenig zu stoppen wie die des Milchbruders: Nach ihrem Debüt als Micaëla 1955 am Teatro Comunale ihrer Heimatstadt ging es schon bald nach London, Mailand, New York, Wien, Salzburg.

Unter den vielen Maestri, die Mirella Freni schätzten, wie Abbado, Muti, Sinopoli und Carlos Kleiber, war zunächst Herbert von Karajan die bestimmende Persönlichkeit: Denn er führte seine Lieblingssängerin vom leichteren, lyrischen zum dramatischen Reperotire hinüber: Auf Marguerite und Nannetta folgten somit Verdi-Heroinen wie Aida oder Desdemona.

Schmach an der Mailänder Scala

Dass sie Karajans Rat jedoch nicht immer blind vertrauen durfte, lernte Mirella Freni am 17. Dezember 1964, dem schwärzesten Tag ihrer Bühnenlaufbahn: Karajan hatte sie gegen alle Widerstände als Violetta in seiner "Traviata"-Premiere an der Mailänder Scala durchgesetzt, der ersten an diesem Haus nach der legendären Visconti-Produktion mit Maria Callas. Die Freni wurde gnadenlos ausgebuht – und das wohl nicht nur, weil Callas-Fans und Anhänger der übergangenen Renata Scotto ihrer Enttäuschung Luft machten. Fortan prüfte sie genau, welche Partie wann für sie in Frage kam und ließ es auf den Bruch mit Karajan ankommen, als dieser sie als Turandot besetzen wollte. Diese Vorsicht zahlte sich aus, bescherte sie Mirella Freni doch eine 50-jährige Karriere bei intakter, runder und leuchtender Stimme. Dabei ruhte sich die "Prudentissima" keineswegs auf den Lorbeeren einiger weniger Glanzrollen aus.

Große Rollen auch im Alter

Galakonzert mit Mariella Freni im Gasteig, München 1987 | Bildquelle: BR/Foto Sessner Mariella Freni bei einem Galakonzert im Gasteig, München 1987 | Bildquelle: BR/Foto Sessner In einem Alter, da andere Sopranistinnen sich von der Bühne zurückziehen, erarbeitete sich Mirella Freni noch neue Partien wie Adriana Lecouvreur, Fedora und Madame Sans-Gêne, Tatjana im "Eugen Onegin" und Lisa in "Pique Dame". An das russische Repertoire war sie durch ihren zweiten Ehemann, den bulgarischen Bassisten Nicolai Ghiaurov, herangeführt worden. Gemeinsam gründeten sie das Centro Universale del Belcanto bei Modena, wo sie Meisterklassen leiteten. Drei Jahre nach Ghiaurovs Tod im Jahre 2004 gründete die Sopranistin eine nach ihm benannte Stiftung zur Förderung junger Opernsänger – solcher, wie sie es einmal war, da sie die Bühnen der Welt eroberte als "soave fanciulla", die sie in den Herzen vieler Opernfreunde wohl immer bleiben wird!

Mirella Freni auf BR-KLASSIK

Zum Tod von Mirella Freni ändert BR-KLASSIK sein Programm und widmet der Sopranistin am Montag, 10. Februar 2020 um 19:05 Uhr, eine Sonderausgabe der Sendung "con passione". Einen Nachruf hören Sie ebenfalls am Montag, 10. Februar, ab 6:05 Uhr im Musikmagazin "Allegro".
Am 27. Februar ist Mirella Freni in den "Klassik Stars" zu hören, und am 2. Mai überträgt BR-KLASSIK im Rahmen des "Opernabends" die legendäre "La Bohème"-Einspielung mit Mirella Freni und Luciano Pavarotti unter Leitung von Herbert von Karajan aus dem Jahr 1973.

Kommentare (1)

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Donnerstag, 13.Februar, 13:52 Uhr

Susanne Zobl

Extrasendung Mirella Freni

Schade kommt der Newsletter erst heute am 13.2.2020. Ich hätte die Sonderausgabe con passione am 10.2. gerne gehört. Nun ist es zu spät!
Werde mir den 2.Mai merken.
Freundlich Grüsse, S Zobl

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