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Johann Erasmus Kindermann bei der Musica Antiqua Vergessener Barockkomponist aus Nürnberg

Er bestimmte das blühende Musikleben des Barocks in Nürnberg: Johann Erasmus Kindermann. Dann jedoch geriet der Komponist weitgehend in Vergessenheit. Die Konzertreihe "Musica Antiqua" will das ändern: Sie feiert den 400. Geburtstag Kindermanns mit einem Konzert in Nürnberg.

Komponist Johann Erasmus Kindermann aus Nürnberg 1616–1655 | Bildquelle: wikicommons

Bildquelle: wikicommons

Es ist Musik, die den Hörer sofort in den Bann zieht. Eine Autostunde von Nürnberg entfernt proben die Musiker des United Continuo Ensembles mit Tenor Jan Kobow und Sopranistin Ina Siedlaczek im idyllischen Schloss Seehaus in Abgeschiedenheit und Ruhe das Programm für das Kindermann-Konzert. Die Musik, die hier erklingt, drückt Lebensfreude aus. Bemerkenswert, da Kindermann die Stücke im 17. Jahrhundert vor dem Hintergrund eines grausamen Alltags komponiert hat. Seine Musik ist für Tenor Jan Kobow eine Art in Klang verwandelter Überlebenswille. Denn schließlich war damals Krieg, und es gab schlimme Epidemien.

Also man wollte nicht nach hinten schauen, man wollte leben, leben, leben.
Jan Kobow

In der Biographie von Johann Erasmus Kindermann klaffen enorme Lücken. Doch die Musik zieht sich durch alle bekannten Lebensphasen. Er kam als Sohn eines Nürnberger Kamm-Machers auf die Welt. Bereits als Jugendlicher spielte er in seiner Heimatstadt als fest angestellter Geiger. Wenige Jahre später ging Kindermann auf seine erste musikalische Reise nach Italien, studierte dort wohl bei Monteverdi, komponierte seitdem gern im italienischen Stil.

Volksnahe Kompositionen

Zurück in Nürnberg entwickelte er sich schnell zum Hauskomponisten des "Pegnesischen Blumenordens", einem Forum für Sprach- und Literaturpfleger, und damit zu einem der einflussreichsten Musiker der Stadt - mit volksnahen Kompositionen. Einige Stücke handelten von der Liebe, sagt Sänger Jan Kobow, manche seien reine Ironie. Kindermanns "Mix" sei ausgesprochen bunt.

Es ist ab und an überzogen opernhaft, anderes eher nachdenklich.
Jan Kobow

Mit gerade einmal 26 Jahren veröffentlichte Kindermann den Liederzyklus "Opitianischer Orpheus". Er vertonte dafür zwei Dutzend Gedichte des Lyrikers Martin Opitz. Opitz galt damals als einer der wichtigsten Schriftsteller überhaupt. Er verfasste hohe Literatur in seiner deutschen Muttersprache und nicht mehr, wie im 17. Jahrhundert noch üblich, in Latein - führte eine ungewohnte Reimanordnung und Silbenabfolge ein. All das brachte Kindermann mit seiner Musik kurz nach dem Tod des Schriftstellers zum Klingen. Obwohl Opitz nicht so leicht zu vertonen sei, sagt Tenor Jan Kobow. Schließlich hätten die Strophen alle einen unterschiedlichen Charakter, den es einzufangen gelte.

Umfangreiche Gedichte

Viele Gedichte von Martin Optiz haben fast schon epische Länge, das melancholische "Nachtklag'" etwa gleich 13 Strophen. Tenor Jan Kobow verkürzte für das Konzertprogramm manche Stücke, suchte die Strophen aus, die den Inhalt des Liedes am besten erzählen. Die sogenannten "Strophenlieder" sind eine Herausforderung, das bestätigt auch Kobows Bühnenpartnerin, die Sopranistin Ina Siedlaczek.

Diese Strophenlieder stellen eine große Herausforderung an den Sänger, weil man die unterschiedlichen Texte der Strophen in die immer gleiche Musik packen muss.
Ina Siedlaczek

Auch in den reinen Instrumentalstücken steckt für Tenor Jan Kobow viel von Kindermanns ansteckender Musikbegeisterung und Spielfreude. Deswegen stehen zwei Solosonaten und zwei Geigenduette auf dem Programm. Eines der Stücke zeichne sich dadurch aus, dass man es sowohl vorwärts als auch rückwärts spielen könne. "Das ist kompositorisch schon eine Meisterleistung", so Kobow.

Johann Erasmus Kindermann starb nach schwerer Krankheit 1655, mit nur 39 Jahren. Er hinterließ ein spannendes musikalisches Erbe, das nun zu seinem 400. Geburtstag wieder in Nürnberg erklingen soll.

Konzerttipp

Die Konzertreihe Musica Antiqua widmet sich heute Abend dem 400. Geburtstag von Johann Erasmus Kindermann. Das Konzert "Der Orpheus von der Pegnitz" beginnt um 20 Uhr im Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums. Karten gibt es noch an der Abendkasse. Das Konzert wird vom Bayerischen Rundfunk – Studio Franken aufgezeichnet. BR-KLASSIK sendet den Mitschnitt am 3. November 2016 um 20 Uhr.

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