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Musik in der Alzheimertherapie Für den besseren Kontakt mit sich selbst

Angehörige und Mitarbeiter von Pflegestationen wissen es: Musik hilft vielen Menschen, die unter Alzheimer leiden. Musik beruhigt, ruft oftmals Erinnerungen wach, scheint Sicherheit zu geben. Warum das so ist und wie man Musik gezielt in der Therapie einsetzen kann – dieses Forschungsfeld wurde auf dem AAAS Wissenschaftskongress in Seattle vorgestellt.

Symbolbild: Musiktherapie | Bildquelle: picture alliance / Godong

Bildquelle: picture alliance / Godong

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Psyche Loui von der Northeastern University in Boston ist sich sicher: "Musik hat eine enge Verbindung zum Belohnungssystem des Gehirns. Und sie scheint eine Belohnung auszulösen, die mit sozialen Beziehungen verknüpft ist." Und das sei besonders wichtig, weil der Verlust von Beziehungen einen so großen Faktor bei Alzheimer darstellt. Ein Ergebnis der Forschung zur Wirkung von Musik sei, dass das Gehirn ganz anders auf Musik reagiert als auf Sprache oder andere Reize, sagt Daniel Levitin von der Minerva School in San Francisco: "Das Interessante bei Musik ist, dass sie genetisch ältere Wege nutzt als Sprache, Gesichtserkennung oder andere Dinge."

Das Interessante bei Musik ist, dass sie genetisch ältere Wege nutzt als Sprache.
Daniel Levitin von der Minerva School in San Francisco

Musik bekämpft Unruhe

Und diese in der Entwicklung älteren Bereiche seien widerstandsfähiger gegen Blockaden. Hinzu komme, dass unser Gehirn Musik aufteilt. Melodie, Rhythmus, Ton oder Stimmung würden in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns gespeichert. Und es scheint so zu sein, dass, wenn man ein oder zwei dieser Systeme anspricht, die anderen mit aktiviert werden. Aber die Wirkung reiche noch weiter, so Daniel Levitin: "Unruhe geht zurück. Neurochemische Prozesse, die das Immunsystem unterstützen, nehmen zu, die Gesundheit wird besser."

Was ist die AAAS?

Die American Association for the Advancement of Science, kurz "Triple A-S" (AAAS) wurde 1848 im US-Staat Pennsylvania gegründet. Sie ist die weltweit größte wissenschaftliche Gesellschaft und gibt mehrere Zeitschriften heraus, darunter "Science" und "Science Advances". Der Leitspruch der Gesellschaft lautet: "advance science and serve society" – die Wissenschaft fördern und der Gesellschaft dienen. Ziel der AAAS, die ihren Sitz in Washington, D.C. hat, ist der wissenschaftliche Fortschritt sowie weltweite Entwicklungen zugunsten der Menschheit.

Musik löst Gefühle aus

Zentrale der American Association for the Advancement of Science in Washington | Bildquelle: Wikimedia Commons Die Zentrale der American Association for the Advancement of Science in Washington | Bildquelle: Wikimedia Commons Wie wirkt hier das Belohnungszentrum im Gehirn? Warum hat Musik diese Wirkung? Um das herauszufinden, haben die Wissenschaftler Menschen untersucht, die bei Musik nichts empfinden. Und sie haben bei gesunden Menschen mit Medikamenten die Rezeptoren im Gehirn blockiert, die auf körpereigene Opioide reagieren. Musik hat dann auch bei diesen Menschen keinerlei Wirkung mehr. Das Ergebnis der Untersuchungen: Musik lässt das Gehirn Botenstoffe ausschütten. Wenn die Rezeptoren nicht blockiert sind, werden Gefühle ausgelöst, Stimmungen geschaffen, Erinnerungen geweckt. Und beides wird von Alzheimer nicht oder erst sehr spät beeinträchtigt.

Musik schafft Kontakt zur eigenen Persönlichkeit

Welche Stoffe genau diese Wirkung haben, ist aber noch nicht klar, sagt Daniel Levitin: "Es gibt etwa 100 Neurochemikalien. Und wir kennen vielleicht acht genau. Wir vereinfachen immer und machen Dopamin und Seratonin für alles verantwortlich." Aber genau wisse man das einfach noch nicht. Klar sei aber die Wirkung, und das sei entscheidend, sagt Daniel Levitin: Alzheimerpatienten hätten oft Angst, könnten ihrer Umgebung nicht mehr vertrauen. Aber Musik die sie kennen, öffne Wege im Gehirn. Und das bringe sie wieder in Kontakt mit sich selbst.

SendungAllegro am 18. Februar 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-Klassik

Kommentare (2)

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Samstag, 29.Februar, 03:30 Uhr

Keller

Musik in der Alzheimertherapie

Sehr gute Berichte!

Mittwoch, 26.Februar, 17:16 Uhr

STEPHAN MUELLER

Musik in der Alzheimertherapie

Danke für die Sendung! Musik und Licht können helfen, diese Situationen zu bewältigen. Ja, beides gehört in diesem Fall zusammen und erleichtert die Lebenslage.

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