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Sexuelle Übergriffe an Musikhochschulen Münchner Musikhochschule will handeln

Studierende der Münchner Musikhochschule sollen künftig besser vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Die Hochschule hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet - im Zusammenhang mit dem Nötigungs-Prozess gegen einen ehemaligen Präsidenten. Jetzt liegen Ergebnisse vor, erläutert Hochschulpräsident Bernd Redmann.

Schild der Musikhochschule München | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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BR-KLASSIK: Nach den Vorkommnissen um Ihren Vorgänger Siegfried Mauser hat es im April vergangenen Jahres eine Studierendenversammlung gegeben. Sie haben damals noch einmal Feedback eingeholt, gemeinsam überlegt, was sich ändern muss. Welche Lehren haben Sie jetzt aus dem Fall Mauser gezogen?

Redmann: Wir haben wie viele Institutionen unser Konzept überdacht, wie wir die Hochschulangehörigen bestmöglich vor sexueller Diskriminierung und vor Übergriffen schützen können. Und haben sehr umfangreiche Maßnahmen entwickelt. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet im letzten Sommersemester, die Richtlinien erarbeitet hat. Richtlinien, die formelle und informelle Beschwerdewege festlegen. In der Arbeitsgruppe waren alle Bereiche der Hochschule in der Lehre vertreten, auch Studierende. Es waren zwölf Mitglieder des Hauses, die auch entsprechende Richtlinien aus anderen Universitäten zur Grundlage der Diskussion genommen haben. Auch von anderen Musikhochschulen, da ja die Musikausbildung durchaus Eigenheiten hat, die besonders bedacht werden sollten.

BR-KLASSIK: Es gab ja immer eine Gleichstellungsbeauftragte, es gab auch im Jahr 2013 schon einen Flyer mit Notruf-Nummern. Was darüber hinaus möchten Sie jetzt konkret ändern?

Redmann:  Wir haben im Oktober zusätzlich eine Umfrage aller Hochschulangehörigen aufgesetzt, um den Handlungsbedarf zu eruieren. Die Beteiligung war enorm, also über 50 Prozent aller Hochschulangehörigen haben teilgenommen. Wir haben die Umfrage ausgewertet und entsprechend Maßnahmen entworfen. Zum Beispiel durch besondere Schulung einer der drei Frauenbeauftragten, weil wir davon ausgehen, dass in Notfällen oft Beratung zu leisten ist und da muss jeder Handgriff sitzen - wie bei einem Notarzt, der genau weiß, was er in dem Moment zu tun hat. Das zweite ist: Wir werden die Stelle einer Ombudsfrau einrichten. Speziell mit psychologischer und Beratungs-Expertise. Ein großer Prozentsatz der Befragten in unserer Umfrage hat sich dafür ausgesprochen. Das wäre dann eine Stelle, die nicht eingewoben ist in die Hochschule, ins kommunikative Geflecht hier.

BR-KLASSIK: Das heißt, die Stelle dieser Ombudsfrau wäre außerhalb der Hierarchie angesiedelt, wäre nicht Ihnen unterstellt?

Redmann: Richtig. Wir sprechen hier von einer Vertrauensperson, die über fachliche Expertise verfügt, aber ansonsten überhaupt keine Anbindung an die Hochschule hat. Wir denken, das würde die Hemmschwelle senken, diese Beratungsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen.

BR-KLASSIK: Ganz konkret – spielen wir einen Fall durch: Eine Studierende beschwert sich, möglicherweise ist sie kurz vor der Prüfung. Was kann sie erreichen? Wird sie einem anderen Lehrer zugeteilt, kann sie diese Prüfung trotzdem unter fairen Bedingungen absolvieren?

Redmann: Beides für sich genommen sind Themen. Das erste Thema, das Sie ansprechen, ist das des Lehrerwechsels, wenn Vorkommnisse das Verhältnis zwischen Lehrer und Studentin zerrüttet haben.  Da hat die Hochschule sich zur Aufgabe gesetzt, im nächsten halben Jahr ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln. Denn wir haben ein Verfahren zum Lehrerwechsel, aber das ist ziemlich zeitaufwändig. Man muss bis zu einem bestimmten Stichtag einen Antrag stellen, um im nächsten Semester dann einen neuen Lehrer zu bekommen. Das muss schneller gehen. Und das andere ist klar: Wenn solche Zerwürfnisse auftreten, muss die Hochschule auch dafür sorgen, dass das in Prüfungen keine Rolle spielt. Sprich, dass entsprechende Kommissionen so besetzt werden, dass diejenigen, die sich als Konfliktpartner gegenüberstehen, die Studentin oder der Student mit Professorin oder Professor, dass diese Konstellation in Prüfungen nicht auftritt.

BR-KLASSIK: Da heißt, es gibt ein Einspruchsrecht des Studierenden?

Redmann: Es gibt ein Einspruchsrecht, das immer gilt, in allen Verfahren, in denen von Befangenheit Beteiligter auszugehen ist. Das zu prüfen obliegt dem Prüfungsausschuss der Hochschule. Aber ich denke, auch da werden wir ein Verfahren entwickeln, das ein bisschen mehr formalisiert ist für den speziellen Fall sexueller Belästigungen oder Übergriffe, denn ein offizieller Einspruch von Seiten der Studierenden zum Thema Befangenheit und Prüfungsausschuss schafft auch immer eine große Öffentlichkeit. Das ist vielleicht gar nicht im Sinne der Sache.

Hochschulpräsident der Hochschule für Musik und Theater Bernd Redmann | Bildquelle: Hochschule für Musik und Theater

Bildquelle: Hochschule für Musik und Theater

Präsident der Hochschule für Musik und Theater München

Bernd Redmann im Gespräch mit Bernhard Neuhoff

BR-KLASSIK: Sind denn eigentlich auch junge Männer betroffen nach Ihren Kenntnissen?

Redmann: Ich denke ganz generell: auch das ist ein Thema. Nicht jetzt aktuell oder konkret an unserem Haus. Aber es gibt natürlich alle möglichen denkbaren Konstellationen. Auch dann gelten aber ganz geschlechterunabhängig alle Richtlinien der Hochschule in gleicher Weise.

BR-KLASSIK: Jetzt sind wir zwei Männer – wir reden über ein Thema, das vor allen Dingen Frauen als Opfer betrifft. Wird die Stimme von jungen, weiblichen Studierenden mit einbezogen in die neuen Organisationsstrukturen?

Redmann: Die Studierenden waren ja einbezogen, auch im Rahmen unserer Arbeitsgruppe. Was wir jetzt noch zusätzlich als Maßnahme getroffen haben, ist, dass auch alle Hochschulangehörigen – also alle, die schon da sind und die, die neu kommen – unsere Richtlinien auch unterschreiben. Und wir wollen gerade bei den Studierenden Bewusstsein schaffen, wenn die frisch ans Haus kommen. Da gibt es Einführungsveranstaltungen; da wollen wir das Thema platzieren. Denn es ist ja an einer Hochschule wie der unseren mit der Internationalität der Studierenden auch ein Diversity-Thema. Wir haben junge Studentinnen, die aus asiatischen Ländern kommen oder aus ganz anderen Kulturbereichen. Und da wird mit dem Thema sehr unterschiedlich umgegangen. Im Zweifel ist es hochtabuisiert, darüber zu sprechen. Wir wollen auch dann die Thematik offen zur Sprache bringen, sodass wirklich alle wissen, was die Policy an unserem Haus ist. Und dass sie sich nichts gefallen lassen dürfen, dass die Hochschule immer an ihrer Seite ist, wenn ihnen etwas widerfährt, was sie nicht wollen.

Das Gespräch führte Bernhard Neuhoff für BR-KLASSIK.

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