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Kritik - Hermanis' "Insgeheim Lohengrin" in München Dröge wie ein Sedativum

Der lettische Theater- und Opernregisseur Alvis Hermanis war in Bayreuth im Gespräch, um 2018 am Grünen Hügel den "Lohengrin" zu inszenieren. Doch überwarf er sich erst mit dem Hamburger Thalia Theater und im Zuge der Kontroverse auch mit den Wagner-Festspielen. Stattdessen bringt Hermanis seine Opern-Begeisterung nun in einen Theaterabend im Münchner Cuvilliéstheater ein, wo er sein Schauspiel "Insgeheim Lohengrin" uraufführte.

Szenenbilder "Insgeheim Lohengrin", Residenztheater München 2017 | Bildquelle: Andreas Pohlmann

Bildquelle: Andreas Pohlmann

Premierenkritik zum Anhören

Die Bühne ist reinster Naturalismus. Eine Wohnung. Altbau, modern eingerichtet. Ein Bildungsbürgerrefugium. Viele Bücher. Und vor allem: ein Plattenspieler. Ja, hier werden noch Opern-Schallplatten gehört! Zwei Frauen, drei Männer, mehr oder minder fortgeschrittenen Alters allesamt, versammeln sich hier, um sich abzuschotten von der Welt. Bei vorgezogenen Vorhängen und geschlossenen Jalousien suchen sie Trost von ihrem tristen Alltag; geben sich Wagner hin; schwärmen und fachsimpeln - etwa, wer der beste Lohengrin aller Zeiten war.

Bekennender Realitätsverweigerer

Die fünf sind aller Wahrscheinlichkeit die Sorte Wagnerianer, die es für ein großes Unglück halten, dass sich die Schlingensiefs und Castorfs dieser Welt auf dem Grünen Hügel haben austoben dürfen. Einer wie Alvis Hermanis wäre ihnen sicherlich lieber. Der Lette stilisiert sich gern als Theater-Konservativer. Kunst ist für ihn für das Gute, Schöne und Wahre zuständig, nicht für eine Beschäftigung mit den schmutzigen Seiten dieser Welt. Mit anderen Worten: Hermanis ist bekennender Eskapist - wie seine Figuren in "Insgeheim Lohengrin".

Diese Haltung ist nicht grundsätzlich verwerflich. Auch in Krisenzeiten ist Kunstgenuss erlaubt. Vor dem Hintergrund von Hermanis Generalmisstrauen gegen Geflüchtete aber, wie er es in der Thalia-Theater-Kontroverse formuliert hat, wirkt die betonte Realitätsverweigerung, in der sich dieser Theaterabend gefällt, mindestens befremdlich. Der Eindruck drängt sich auf, dass dieser Regisseur nicht nur die Rolläden runterfahren möchte, um Wagner zu hören, sondern am liebsten auch Zäune möglichst hoch ziehen, um weiterhin ungestört vom lästigen Lauf der Welt seinen Vorlieben frönen zu können.

Dröge statt Droge

Vermutlich müsste man sich an all dem nicht so sehr stören, vermochte die Aufführung wahre Lohengrin-Leidenschaft zu entfachen. Doch die Figuren, die Hermanis mit seinen Darstellern, darunter Manfred Zapatka, entwickelt hat, bringen ihre glühende Verehrung für Wagner zum Ausdruck, indem sie andächtig lauschend mitdirigieren oder Opernführer-Wissen austauschen. Was eher fad ist als faszinierend. Friedrich Nietzsche bescheinigte Wagners Musik einst eine "opiatische" Wirkung. Gemeint war das im Sinne einer Droge. "Insgeheim Lohengrin" indes wirkt eher dröge wie ein Sedativum. Selbst mittelmäßige Inszenierungen von Wagner-Opern entfalten dagegen einen berauschenderen Effekt.

"Insgeheim Lohengrin"

Mit Götz Leineweber, Wolfram Rupperti, Charlotte Schwab, Ulrike Willenbacher, Paul Wolff-Plottegg, Manfred Zapatka und Enrico Pollato
Regie und Bühne: Alvis Hermanis
Musikberatung: Rudolf Gregor Knabl
im Cuvilléstheater

Premiere:
Freitag, 5. Mai 2017

Weitere Termine:
Sonntag, 7. Mai, 19.00 Uhr
Mittwoch, 10. Mai, 19.30 Uhr
Dienstag, 23. Mai, 19.30 Uhr
Donnerstag 1. Juni, 19.00 Uhr

Sendung: "Piazza" am 6. Mai 2017, 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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