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"Rachmaninoff Competition" – Kommentar zum neuen russischen Musikwettbewerb War was?

Während Russland in der Ukraine Krieg führt, startet in Moskau ein neuer Musikwettbewerb: die "Rachmaninoff Competition". Ein Prestigeprojekt russischer Kulturpolitik. Mit dabei sind die Putin-Unterstützer Denis Matsuev und Valery Gergiev. Sogar ein deutscher Pianist sitzt in der Jury. Man gibt sich international. Das weltweite Interesse ist jedoch gering. Russlands Isolationismus wirkt.

Pianist Denis Matsuev | Bildquelle: © Peter Meisel

Bildquelle: © Peter Meisel

Putins Russland isoliert sich gerade von der Welt. Trotzdem möchte die erste "Rachmaninoff Competition" in Moskau "international" sein. So steht's zumindest auf der Website. Zur Teilnahme eingeladen waren Pianist*innen, Dirigent*innen und Komponist*innen aus aller Welt. Die Realität sieht jedoch – wenig überraschend – anders aus. Die meisten der Bewerberinnen und Bewerber stammen aus Russland. Auch Weißrussland und China sind vertreten. Dann wird es ziemlich dünn.

Die üblichen Verdächtigen: Gergiev, Bashmet, Matsuev

Valery Gergiev und Denis Matsuev bei der Eröffnung der Rachmaninoff Competition 2022. | Bildquelle: YouTube Valery Gergeiv und Denis Matsuev bei der Eröffnung der "Rachmaninoff Competition" | Bildquelle: YouTube Internationale Medienberichterstattung gibt es auch nicht. Und selbst wenn Irina Tushintseva und Ivan Gostev, die Moderatoren der Eröffnungsgala am vergangenen Mittwoch, zwischen Russisch und Englisch switchen, also ausdrücklich ein internationales Publikum adressieren – das Interesse ist quasi inexistent. Bisher nur knapp 500 Aufrufe auf Youtube. Da sitzt mehr Publikum im Großen Saal des staatlichen Tschaikowsky-Konservatoriums.

Normalerweise findet hier alle vier Jahre der prestigeträchtige Tschaikowsky-Wettbewerb statt – Vorbild für den neugegründeten Rachmaninow-Wettbewerb. Bereits 1983 fand in der damaligen Sowjetunion ein Musikwettbewerb unter diesem Namen statt. 1997 eine zweite Ausgabe. Ob er sich im dritten Anlauf durchsetzt, ist offen. Der russische Staat scheint jedenfalls alles daranzusetzen. Im Organisationskomitee sitzt das Who's who der Putintreuen: der Dirigent Valery Gergiev, der Bratscher Yuri Bashmet und der Pianist Denis Matsuev. Letzterer ist auch künstlerischer Leiter.

Alles, was Rachmaninow geschrieben hat, ist genial.
Denis Matsuev

Die Politik wird ausgeklammert bei der Gala. Trotzdem lässt sich die Realität nicht wegwischen, ist als Kontext immer präsent. Sowohl Matsuev als auch Gergiev bejubeln "unseren" Rachmaninow als "Genie". Soweit so harmlos. Im Kontext der jüngsten Äußerungen von Yuri Bashmet ("Wir russischen Musiker waren schon immer die Besten. (...) Der Westen ist verrottet."), lässt sich der unterschwellige Chauvinismus solcher Reden allerdings kaum überhören. Rachmaninows Musik sei Russland, sagt Matsuev auch noch in einem Einspielfilmchen. Dass der Komponist in die USA emigriert ist, bleibt unerwähnt. Überraschung.

Auch der deutsch-britische Pianist Freddy Kempf sitzt in der Jury

Tatsächlich überraschend ist die Besetzung der 10-köpfigen Jury im Fach Klavier. Neben Matsuev und seinem ähnlich berühmten russischen Kollegen Boris Berezovsky ist nämlich auch der deutsch-britische Pianist Freddy Kempf mit dabei, der in der Nähe von München lebt. Sicher, Russland spielt in Kempfs Karriere eine große Rolle. 1998 protestierte das Publikum lautstark, als er beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau "nur" den dritten Preis erhielt (den ersten bekam damals Matsuev). Darüber hinaus gilt er als Spezialist für russisches Repertoire. Trotzdem bleibt seine Teilnahme an diesem Event in dieser Zeit erklärungsbedürftig.

Dazu erscheint sie ziemlich unklug. Immerhin ist Kempf selbst international unterwegs als Pianist. Bei vielen Veranstaltern macht sich so ein Moskauer Auftritt wahrscheinlich nicht so gut. Aber wer weiß – vielleicht setzt er darauf, dass es eh (fast) keiner merkt. Klappt womöglich. Denn auch wenn Matsuev am Ende der Eröffnungsgala verkündet, "die ganze Welt" werde in den nächsten Tagen die Musik von Rachmaninow hören – die Chancen stehen gut, dass "die Welt" diesen Wettbewerb einfach übersieht.

Sendung: "Leporello" am 17. Juni 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 26.Juni, 15:23 Uhr

Eurphrosine

"die Welt" = ?

Zum letzten Satz: Immerhin ist ja dieser Artikel geschrieben worden; und ich bin - bei allem Verständnis für die Wut auf die russische Politik - doch etwas erstaunt, dass der Autor Russland und China unter irrelevante Teile der Welt subsumiert. In welcher Hinsicht wohl?

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