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Künstler-Reaktionen zur US-Wahl Kaum Veränderung für Kultur zu erwarten

Vier weitere Jahre mit Donald Trump oder Neubeginn mit Joe Biden? Noch ist der Ausgang der US-Wahl offen. Aber unabhängig davon, wer Präsident wird – viele Künstlerinnen und Künstler glauben nicht an ernsthafte Veränderungen für die Kulturszene in den USA. Egal ist ihnen der Ausgang der Wahl deswegen trotzdem nicht.

03.11.2020, USA, Washington D.C.: Ein Blick auf das Weiße Haus am Wahltag. Foto: Susan Walsh/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Susan Walsh

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Susan Walsh

"can't. sleep", twittert der Pianist Igor Levit am 3. November, dem US-Wahltag. Auch in den beiden darauffolgenden Nächten macht er kein Auge zu: "still can't sleep." Die US-Wahl bereitet nicht nur Igor Levit schlaflose Nächte. Vor allem die Künstlerinnen und Künstler, die in den USA leben und arbeiten, warten gespannt auf das Ergebnis. Allerdings sind nicht alle optimistisch, dass ein Sieg von Joe Biden eine Veränderung für die Kulturszene bringen könnte.

Das Ergebnis der Wahl wird sehr wenig Auswirkungen auf die Kulturbranche in den USA haben.
Franz Welser-Möst, Dirigent

Der Dirigent Franz Welser-Möst macht sich vor allem Sorgen um die Finanzierung von Kulturbetrieben. Der Österreicher leitet seit 2002 das Cleveland Orchestra und ist daher eng mit den USA verbunden. Im Interview mit BR-KLASSIK erklärt er seinen Pessimismus: "Man muss das amerikanische System verstehen."

Kaum staatliche Unterstützung für den Kulturbetrieb

Der österreichische Dirigent Franz Welser-Möst | Bildquelle: © picture-alliance/dpa Franz Welser-Möst ist seit 2002 Chefdirigent des Cleveland Orchestra. | Bildquelle: © picture-alliance/dpa Kultur wird in den USA – im Gegensatz etwa zu Deutschland – überwiegend von Privatpersonen und Sponsoren finanziert. Das Cleveland Orchestra beispielsweise bezieht weniger als 0,5 % der Gelder aus öffentlicher Hand. "Wir sind – was die Finanzen angeht – sehr wenig von der Politik abhängig", erklärt Franz Welser-Möst. Diese Unabhängigkeit bedeutet aber auch Unsicherheit. Das zeigt sich vor allem in der Corona-Pandemie. Keine Einnahmen bei bleibenden Ausgaben ohne staatliche Unterstützung – für viele Kulturbetriebe in den USA ist die Corona-Pandemie existenzbedrohend. Unabhängig vom US-Präsidenten wird sich an dem System nicht so schnell etwas ändern.

Die Hoffnung: Europäisches System in den USA

Dabei wäre das eine gute Lösung, findet der Dirigent Manfred Honeck. Auch er ist Österreicher und arbeitet in den USA. Honeck leitet das Pittsburgh Symphony Orchestra. Die finanzielle Unsicherheit in der Kulturszene der USA macht ihm Sorgen. Für ihn wäre es ein Traum-Szenario, wenn "Amerika das europäische System übernehmen würde." Doch er weiß auch, dass das sehr unrealistisch ist: "Dass Biden oder Trump dieses System ändern werden, kann ich mir momentan nicht vorstellen." Kultur sei in Amerika zwar wichtig, habe aber nicht den Einfluss, wie wir ihn in Europa kennen.

Klar gegen Trump: Pianistin Claire Huangci

Die Pianistin Claire Huangci | Bildquelle: © Mateusz Zahora Claire Huangci äußert sich öffentlich gegen Trump | Bildquelle: © Mateusz Zahora Für den vergleichsweise niedrigen Status der Kultur in den USA macht die Pianistin Claire Huangci auch den Präsidenten verantwortlich: "Trump hat kein Verständnis für die Kultur. Er teilt unsere Vision nicht und hat nicht das geringste Verständnis für das, was wir machen." Für sie schadet der amtierende Präsident vor allem dem Image von Amerika. Daher kann sie die Motive der Trump-Wählerinnen und -Wähler nicht nachvollziehen. Tatsächlich scheint sich Trump nicht besonders für die amerikanische Kulturlandschaft zu interessieren. Im 67-seitigen Wahlprogramm der Republikaner werden Kunst und Kultur nicht einmal erwähnt.   

"Ich bin eigentlich kein politischer Mensch", gesteht Claire Huangci. Aber seit Trump Präsident ist, sagt sie, habe sich das geändert. Sie äußert sich öffentlich gegen Trump. Und sie kann sich freuen: Michigan, der Staat, in dem Claire Huangci aktuell lebt, hat Joe Biden für sich entschieden. 

Hoffnung auf mehr Wertschätzung der Kultur bei einem Sieg von Joe Biden

Im Gegensatz zu den Republikaner schreiben die Demokraten in ihrem Wahlprogramm: "Die Künste sind für unsere freie und demokratische Gesellschaft, für unsere Kultur und für unsere lokale Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung." Sie seien stolz auf ihre finanzielle Unterstützung und möchten diese auch in Zukunft weiter fortführen. Aber auch bei den Demokraten sind Kunst und Kultur eher zweitrangig – zehn Zeilen sind der Kulturlandschaft im Wahlprogramm gewidmet.

Die Probleme der Kulturszene in den USA werden also wohl weder von Biden noch von Trump schnell gelöst werden. Trotzdem hoffen viele Künstlerinnen und Künstler auf einen Sieg von Joe Biden. Immerhin stehen Kunst und Kultur bei den Demokraten überhaupt auf der Agenda. Auch die Wertschätzung des US-Präsidenten gegenüber der Kulturlandschaft hat Einfluss darauf, wie Kunst und Kultur öffentlich wahrgenommen werden. Neben der Finanzierung ist auch das ein wichtiger Aspekt für viele Künstlerinnen und Künstler.

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