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Francesco Tristanos neues Album "On Early Music" Clubbige Toccaten

Er gilt als Grenzgänger: Francesco Tristano. Und das zeigt er auch auf seinem neuen Album. Auf "On Early Music" groovt sich der Pianist durch die Musik der Renaissance. Grandios sind seine technoiden Bearbeitungen – die Interpretation der Originale gelingt ihm weniger gut.

CD-Cover: Francesco Tristano – "On Early Music" | Bildquelle: Sony Classical

Bildquelle: Sony Classical

Aufnahmeprüfung

Francesco Tristano – "On Early Music"

Alt oder neu? Renaissance oder 21. Jahrhundert? Tanzsaal oder Dancefloor? Der Pianist Francesco Tristano wirbelt Epochen und Stile auf faszinierende Weise durcheinander – zumindest in den stärksten Momenten seines neuen Albums "On Early Music".

Francesco Tristano: Ein Grenzgänger zwischen E und U

Der Luxemburger, bekannt dafür, die Grenzen zwischen E und U mit leichter Hand zu überspielen, kehrt mit dieser Aufnahme zu einer alten Liebe zurück. 2006, damals noch mit langen Locken und unter seinem bürgerlichen Namen Francesco Tristano Schlimé, war er in einen Pariser Nachtclub gegangen und hatte dort Toccaten von Girolamo Frescobaldi aufgenommen. Auf dem modernen Flügel.

Sendungstipp

Am Montag, den 14. Februar, ist Francesco Tristano in der Sendung "Sweet Spot" zu Gast. Ab 21:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Frescobaldi ist auch auf dem neuen Album vertreten, genauso wie die englischen Virginalisten John Bull und Orlando Gibbons. Aber Tristano stellt ihnen nun eigene Kompositionen zur Seite, die die alten Meister ins Heute holen: inspiriert durch Couranten und Galliarden, aber auch durch Trance und Techno. Das Ergebnis ist zwiespältig.

Berarbeitungen top! Interpretationen (eher) flop!

Francesco Tristano | Bildquelle: © Uwe Arens Mixt Mittelalter (fast) und Moderne: Der Pianist Francesco Tristano | Bildquelle: © Uwe Arens Richtig Spaß machen Tristanos eigene Stücke: Überraschend, wie er einen barocken Tanz von John Bull zum Grooven bringt; wie er alte Melodiefloskeln und modale Harmonien mit modernen Rhythmen und Jazz-Anklängen zu einer funkigen Toccata mixt; wie er eine Motette von Cristobal de Morales mit coolen Elektro-Sounds unterlegt.

Raffiniert und spannend sind auch Tristanos Hommage-Kompositionen – was man von seinen Interpretationen der Originale leider nicht sagen kann. Er verfügt nicht über den geschmeidigen, nuancenreichen Anschlag eines Kit Armstrong, der letztes Jahr mustergültig vorgemacht hat, wie man dieses Repertoire auf den Steinway überträgt. Bei Tristano dagegen klingen Bull, Gibbons oder Peter Philips blass, spröde, metronomisch starr. Sie bleiben leblose Holzschnitte aus einer fernen Epoche.

Ein Wegweiser zu besseren Aufnahmen?

Da hilft auch das trendige Hallgerät nichts, das Tristano manchmal völlig unmotiviert zum Einsatz bringt. Und so ist nur zu hoffen, dass Tristanos wirklich geistreiche und zündende Neuarrangements bei dem einen oder der anderen dann doch Interesse wecken für die Vorbilder aus dem frühen 17. Jahrhundert. Und dass dann manche am Ende bei einer wirklich guten Aufnahme landen – womöglich sogar im Originalklang.

Das Album "On Early Music" von Francesco Tristano ist am 11. Februar bei Sony Classical erschienen.

Sendung: "Allegro" am 16. Februar 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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