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Drama mit Happy End? Rinaldo Alessandrini dirigiert Mozarts "Zaide"

Mozarts "Zaide" ist Fragment geblieben und wurde erst 1866 – 75 Jahre nach dem Tod Mozarts – uraufgeführt. Doch gerade als Vorstudie zur "Entführung aus dem Serail" weckt das Singspiel Interesse: Grundlage ist ebenfalls ein orientalisch-türkisch angehauchtes Sujet, wie es damals Mode war.

Dirigent und Cembalist Rinaldo Alessandrini | Bildquelle: jpc Artists

Bildquelle: jpc Artists

BR-KLASSIK: 23 Jahre war Mozart alt, als er mit "Zaide" angefangen hat. Die Oper existiert ja nur als Fragment. Wo stand Mozart zu der Zeit künstlerisch?

Rinaldo Alessandrini: Ich finde es eigentlich den spannendsten Ansatz, "Zaide" mit der "Entführung aus dem Serail" zu vergleichen. Erstaunlicherweise gibt es in der "Zaide" überhaupt keine orientalischen Bezüge. "Zaide" scheint viel mehr ein psychologisches Drama zu sein als eine orientalische Geschichte. Die "Entführung" ist musikalisch und dramaturgisch absolut typisch von diesem orientalischen Kolorit geprägt. Ein zweiter bemerkenswerter Aspekt ist die Art, wie Mozart beim Komponieren einem deutschen und nicht einem italienischen Libretto begegnet. In Bezug auf seinen Kompositionsstil, seine Melodien oder auch auf das Verschmelzen von Text und Musik merkt man ganz deutlich, dass ihn ein deutsches Libretto ganz anders anspricht. Es gibt eine Menge sehr subtiler Details, die sehr viel beschreiben. Einzelne Worte, einzelne Situationen oder auch einzelne Phrasen können mitunter mit großer Kraft sehr viel transportieren – Inhaltliches aber auch Emotionales. Das ist für mich der wichtigste Aspekt in dieser Oper, wie eben der deutschsprachige Mozart - auch für ihn ganz neu - mit einem deutschen Text umgeht.  

Mozart hatte sicher viel Spaß daran, sich einer Kultur zu nähern, die nicht seine eigene war.
Rinaldo Alessandrini

BR-KLASSIK: Das Libretto stammt ja von einem Freund der Familie, dem Hoftrompeter Johann Andreas Schachtner. Als Dichter war dieser Autodidakt. Haben Sie das Gefühl, dass sich Mozart vielleicht deswegen mehr getraut hat und auch expressiver komponiert hat, weil er ein deutsches Libretto hatte?

Rinaldo Alessandrini: Ja, dadurch hatte er bestimmt andere Möglichkeiten. Er hat den Text anders wahrgenommen. Bei einem Text betrachten wir ja auch, was zwischen den Zeilen steht, man kann auch von einem Subtext reden. Als deutschsprachiger Komponist konnte er natürlich in diesem deutschen Libretto mehr entdecken. Das war ihm sehr vertraut. Und es löste wahrscheinlich ganz bestimmte Assoziationen und Gefühle aus. Vielleicht hat er darin spezielle deutsche Verhaltensweisen wiedererkannt. Die italienischen Libretti von "Idomeneo", "La clemenza di Tito" und natürlich die drei Libretti von da Ponte sind dagegen ganz klassische Libretti, und sie sind sehr stark von typisch italienischen Situationen und überhaupt von der italienischen Lebensart an sich geprägt. Mozart hatte sicher viel Spaß daran, sich einer Kultur zu nähern, die nicht seine eigene war. In diesem Zusammenhang war es also für ihn wirklich bedeutsam, Musik für ein deutsches Libretto eines Freundes zu schreiben. Zudem war diese Oper eben kein Auftragswerk. Das heißt, er war bestimmt besonders engagiert. Es hat ihn wahrscheinlich sehr intensiv beschäftigt. Die Musik erzählt uns das auch. Sie ist sehr einfühlsam. Man merkt, wie viel Sorgfalt und Liebe darin steckt, bis ins kleinste Detail. Und dass Mozart eine ganz besondere Zuneigung zu diesem Libretto und der Musik gehabt haben muss.

BR-KLASSIK: Bei der Aufführung der "Zaide" sieht man sich mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Gleich schon zu Anfang: Es gibt keine Ouvertüre. Sie setzen den ersten Satz aus der "Posthorn-Serenade" an den Beginn Ihres Konzerts. Warum genau dieses Werk?

Rinaldo Alessandrini: Das ist eigentlich ganz einfach. Sie steht in derselben Tonart, hat die gleiche Orchesterbesetzung und stammt aus der selben Zeit. Da keine Ouvertüre zu "Zaide" existiert, zogen wir diesen Satz in Betracht. Mir erschien der Charakter des ersten Satz der Posthorn Serenade für "Zaides" erste Nummer, den Chor genau passend. Als ich vor einigen Jahren Zaide zum ersten Mal dirigierte, habe ich eine andere Sinfonia in G-Dur gewählt. Da gibt es aber vier Hörner, das passte nicht so gut. Aber der erste Satz von KV 320 ist wunderbar.

Das Happy End war vielleicht nicht ursprünglich geplant. Aber es ist doch schön fürs Publikum.
Rinaldo Alessandrini

BR-KLASSIK: Und das nächste Problem erwartet einem zum Ende der Oper – denn "Zaide" hat keines … man weiß eigentlich nicht, wie die Geschichte ausgeht. Sie halten sich an das so genannte "Bozener Textbuch", da gibt ein Happy End. Denken Sie, ein gutes Ende ist plausibel für das ganze Psychodrama, das Mozart zuvor skizziert hat?

Rinaldo Alessandrini: Wir verwenden die neue Bärenreiter Edition mit eben dem hinzugefügten Ende. Mozart hat meiner Meinung nach mit seiner Komposition an einer äußerst heiklen Stelle des Librettos aufgehört, er hat sie förmlich zugespitzt. Das ist schon irritierend. Danach gäbe es eigentlich unendlich viele Möglichkeiten, die Oper zu beenden. Das Happy End ist eine dieser Möglichkeiten, wenn auch vielleicht nicht die ursprünglich geplante. Aber es ist doch schön fürs Publikum. Vielleicht finden wir ja das ganze Libretto irgendwann, dann sind wir schlauer. Aber im Moment können wir nur phantasieren.

Informationen zum Konzert

Sonntag, 20.1.2019, 19:00 Uhr
München, Prinzregententheater

Miah Persson, Sopran
Jeremy Ovenden, Tenor
Jörg Schneider, Tenor
Nikolay Borchev, Bariton
Levente Páll, Bass

Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Rinaldo Alessandrini

BR-KLASSIK überträgt die konzertante Aufführung des Singspiels live im Radio.

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