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Eberhard Friedrich bei den Bayreuther Festspielen Ein Chordirektor liebt seinen Beruf

Ob der Chor der Gralsritter oder der Auftritt der Blumenmädchen, auch der Chor ist gefordert beim Bühnenweihfestspiel "Parsifal". Umso mehr in Bayreuth, als dass Chordirektor Eberhard Friedrich im Dunklen dirigiert. Wie das geht, verrät er im BR-KLASSIK-Interview.

"Parsifal"-Bühnenbild des Gralstempels aus der Uraufführung in Bayreuth 1882 | Bildquelle: picture-alliance / akg-images

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Seit dem Jahr 2000 leitet Eberhard Friedrich den Chor der Bayreuther Festspiele mit 134 Sängerinnen und Sänger. Und auch wenn er das Festspielhaus sogar noch länger kennt, weiß er auch noch was Lampenfieber ist.

BR-KLASSIK: Herr Friedrich, dieses Jahr steht die Premiere von "Parsifal" auf dem Programm, für Sie ein –wie Sie sagen "sängerisch gut komponiertes Werk", was genau meinen Sie damit?

Eberhard Friedrich: Es hat eine tolle Ökonomie, das Stück. Das ist nie „über“-komponiert, ohne jetzt Richard Wagner dazu nahe treten zu wollen. Aber so ein Stück wie "Holländer" zum Beispiel ein frühes Werk von Wagner ist an vielen Belangen auch im Chor technisch viel „über“-komponierter als der "Parsifal".

 BR-KLASSIK: Können Sie kurz erklären, was überkomponiert bedeutet?

Eberhard Friedrich:  Naja, „über“-komponiert, das soll man jetzt nicht missverstehen. Ich fange mal beim "Holländer" an: Da gibt es einfach Stellen, wo ganz viel Tonmaterial komponiert ist. Und wenn man das dann vor allen Dingen im Tempo singt, wird das kaum hörbar. Bei "Parsifal" sind - sagen wir mal ganz offen - nicht so viele Töne auf zu engem Raum verwendet, und die kriegen Sie dann mit relativ wenig Aufwand auch gut sofort hörbar. Das meine ich mit „ökonomisch geschrieben“. Also Wagner wusste ganz genau was es braucht, um die Wirkung zu erzielen. Und das hat er gemacht. Vielleicht, wie wenn man kocht, und dann nicht so genau weiß, wieviel Gewürze man nimmt. Manchmal kommt dann zu viel dabei heraus.

Mit der Taschenlampe im Beleuchtungsturm

BR-KLASSIK: Jetzt stellt man sich ja für gewöhnlich einen Chorleiter vor, der vor seinem Chor steht und dirigiert. Das geht hier aber in Bayreuth nicht so. Zumindest nicht während der Vorstellungen. Da sind Sie eigentlich ausgestattet wie ein Höhlenforscher. Mit Taschenlampe, Kopfhörer und Assistenten. Muss man das denn auch extra üben, dass alle genau wissen, wo der Chor Sie oder ihre Assistenten sehen kann?

Eberhard Friedrich: Naja, Koordination muss man natürlich grundsätzlich üben. Was den Höhlenforscher anbetrifft: Wir haben Taschenlampen in der Hand, weil wir in den Beleuchtungstürmen stehen, die für den Chor nicht sehr gut sichtbar sind. Und wir stehen nicht selten wirklich im Dunkeln. Und damit man uns sieht, haben wir rote Taschenlampen, mit denen wir den Chor dirigieren.

BR-KLASSIK: Das Orchester hat ja seine besondere Akustik. Wie ist das mit dem Chor? Hat der auch eine Akustik? Oder ist das identisch wie in anderen Opernhäusern, wenn der Chor sich eben über die Bühne verteilt und man natürlich nicht immer alle überall gleich gut hören kann?

Eberhard Friedrich: Ich glaube, sowohl für den Chor als auch für das Orchester und für alle, die musizieren, gilt, dass das Haus hier eine besondere Akustik hat. Das hängt einmal mit dem verdeckten Orchestergraben zusammen, und der Klang verschmilzt gut miteinander. Also es gibt immer ein sehr rundes Klangbild. Das trifft für das Orchester zu, aber vor allen Dingen auch auf die Restakustik des Hauses, die wirklich super gut ist für alles, was wir hier spielen.

Spüren was der Regisseur erzählen will

BR-KLASSIK: Wie ist das jetzt bei "Parsifal"? Sie sind ja einerseits für den Chor zuständig, aber sie müssen natürlich auch gucken, dass die Regie den Chor nicht behindert, also dass der Chor in unmöglichen Positionen singen muss oder gar nicht hörbar sein kann. Wie ist denn Ihre Auseinandersetzung mit der Regie? Mischen Sie da mit?

Eberhard Friedrich, Chordirektor der Bayreuther Festspiele | Bildquelle: Bayreuther Festspiele Chordirektor Eberhard Friedrich | Bildquelle: Bayreuther Festspiele Eberhard Friedrich: Selbstverständlich! Natürlich ist es in meinem Interesse, zu erfahren und zu spüren, also in der szenischen Arbeit, wo sind die Interessen des Regieteams. Was hat der Regisseur für Erwartungen, was der Chor spielt. Und dann versuche ich, das mit umzusetzen, was da gewünscht ist, und spreche unvorteilhafte Gegebenheiten an.

BR-KLASSIK: Finden Sie es manchmal schade, dass Sie so eine Vorstellung, die sie so hart erarbeitet haben, eigentlich selbst nie hören können? Weil Sie ja immer beschäftigt sind?

Eberhard Friedrich: Bedingt kann ich das schon hören. Also ich weiß schon in dem Moment, wo ich beschäftigt bin, wenn ich meine Chöre dirigiere, was passiert. Aber natürlich ist es etwas völlig anderes, wenn man ein rein visuell- akustisches Erleben hat. Wenn man in einer Opernaufführung als Gast sitzt, das ist natürlich etwas völlig anderes.

Die richtige Balance von Anspannung und Ruhe

BR-KLASSIK: Und es ist ja immer auch Stress...

Eberhard Friedrich: Wenn Sie mich fragen, ob man immer noch so etwas hat wie Lampenfieber? Klar! Aber Stress würde ich es nicht nennen. Das ist eine ganz positive Energie.

BR-KLASSIK:  Dennoch scheint es mir, dass so eine gewisse stoische Ruhe nicht schadet?!

Eberhard Friedrich: Ich weiß nicht (lacht) . Also Sie dürfen nicht denken, dass, selbst wenn das jetzt so wirkt, dass das alles nur die Ruhe selbst ist: Natürlich ist man aufgeregt und natürlich hat man Spannung.

BR-KLASSIK:  Was sind die schweren Stellen im "Parsifal"?

Eberhard Friedrich: Da gibt es genügend. Die Blumenmädchen sind nicht zu unterschätzen im zweiten Akt. Andere Stellen sind vielleicht rein sängerisch, weil nicht so Tempo intensiv, aber klanglich doch sehr, sehr spannend und stark. Das ist ein Geben und Nehmen, wo man auch sagt: Schön, wir müssen immer schauen, was war in der letzten Probe, in der letzten Vorstellung, was kann man noch besser machen. Das macht mir total Spaß! Nennen Sie mir einen Beruf, der so derartig positiv besetzt ist. Das ist schon klasse - ich mag das!

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