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"Salome" - Premiere an der Deutschen Oper Herrenausstatter statt Palast

Wer möchte schon die Stieftochter des Herodes sein?! Regisseur Claus Guth und Bühnenbildnerin Muriel Gerstner begründen an der Deutschen Oper Berlin den Überdruss der Salome anders als andere: Die Prinzessin ringt nach Frischluft, weil ihr Elternhaus vom bürgerlichen Mief der prüden 50er Jahre erfüllt ist: ein trister Verkaufsraum für Herrenbekleidung - maßangefertigte, versteht sich.

Szenenbild aus "Salome" an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Nachts flieht Salome in eine Traumwelt der Modepuppen, die sie an ihren eigenen Fäden nach Gusto zappeln lässt. In ihrer Fantasie ebnet sich das Mädchen den Weg aus der Spießer-Enge in die Freiheit. Salome bleibt nicht nur am Leben – am Ende fängt es erst richtig an für sie.

Salome als Missbrauchsopfer

Einen Seelenstriptease darf man von vielen weiblichen Figuren der Opernwelt erwarten, zwischen Bellinis Norma und Puccinis Liu. Für einen „klassischen“ Striptease, der den Körper der Frau voyeuristischen Blicken aussetzt, ist in erster Linie Salome zuständig! Mit dem Schleiertanz erkauft sie sich das Objekt ihrer Begierde, den Kopf des Propheten Jochanaan, durch einen Akt eigensinnigen Machtmissbrauchs. Apropos, signalisiert Claus Guth während des Tanzes: Zum Missbrauchsopfer wurde Salome als Kind! Statt der originalen sieben Schleier gibt es hier ebenso viele Doppelgängerinnen in verschiedenen Altersstufen.

Szenenbild aus "Salome" an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: Monika Rittershaus Bildquelle: Monika Rittershaus Die amerikanische Sopranistin Catherine Naglestad bringt die Titelrolle als reife femme fragile über die Rampe, textverständlich und strahlkräftig. Durch Michael Volle, prächtig bei Stimme, wirkt die hohe Baritonlage des Jochanaan-Parts als pathetischer Ausdruck von Rebellion allgemein, weder konkret religiös noch politisch motiviert. Den Haustyrann Herodes gibt Burkhard Ulrich als Karikatur eines übergriffigen Mannes, vor dessen Abgründen die Herodias der Jeanne-Michèlle Charbonnet gezielt erblindet.

Wohlklang mit Gänsehaut

In grellen Klangkaskaden des Orchesters badet der Dirigent Alain Altinoglu, mal bizarr, mal parodistisch. Was der Komponist stolz seine „Kadenzen wie Changeant-Seide“ nannte, weiß der Franzose am Pult aufreizend zu präsentieren. Und er weiß genau: Tonaler Wohlklang muss in dieser Oper, sobald er sich einstellt, immer Gänsehaut auslösen. Auch wenn die Premiere an der Bismarckstraße diesmal schon um 19.45 Uhr endet (der frühen Anfangszeit wegen) - man braucht bis tief in die dunkle Winternacht, um die Eindrücke von dieser musikalisch und szenisch aufwühlenden „Salome“-Version zu verarbeiten.

Weitere Aufführungstermine

"Salome" von Richard Strauss ist an der Deutschen Oper Berlin noch am 29. Januar, 3. und 6. Februar, sowie am 2. und 6. April 2016 zu sehen.

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