BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – Argerich und Capuçon bei den Salzburger Festspielen Zwei Generationen machen Kammermusik

Martha Argerich gehört schon seit Jugendjahren zu den Vorbildern des französischen Geigers Renaud Capuçon, musiziert immer wieder mit ihm und könnte mit ihren nun 79 Jahren auch seine Mutter sein. Bei den Salzburger Festspielen spielten die beiden am 20. August im Haus für Mozart drei Sonaten von Ludwig van Beethoven, César Franck und Sergej Prokofjew.

Pianistin Martha Argerich | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Kritik – Argerich und Capucon bei den Salzburger Festspielen

Zwei Generationen machen Kammermusik

Selten scheint eine menschliche Physiognomie so vorbestimmt für ein Instrument zu sein wie die von Martha Argerich. Aber vielleicht ist diese Ausnahmemusikerin über die Jahre hinweg einfach ganz natürlich durch die Anforderungen des Klavierspiels ihrem Instrument zugewandt gewachsen. Wie auch immer. Die manuellen Fähigkeiten, der virtuose und differenzierte Pedaleinsatz und die lockere Armhaltung und Klanggestaltung der 79-Jährigen sind schlichtweg einzigartig. Körpereinsatz, musikalisches Können und Begabung sind bei ihr ganz selbstverständlich eins.

Argerich ist schnell, temperamentvoll, jugendlich

Und so ist auch gleich beim Allegro-Beginn von Beethovens G-Dur-Violinsonate Nr. 8 klar, wer das Duospiel an diesem Abend dominiert: Martha Argerich. Allerdings tut sie das nicht vordergründig mit extrovertierter Geste oder gar prätentiös, sondern allein im Musizieren. Schnell, temperamentvoll und jugendlich frisch setzt sie im Duo die Sechzehntelläufe des Hauptthemas an. Ihr rechter Pedalfuß vibriert energiegeladen, dennoch vermittelt sich ihr Spiel weit entspannter als das ihres Partners. Renaud Capuçon wirkt zunächst etwas nervös, sein Spiel fahrig. Im 2. Satz forciert er stellenweise allzu arg den Ton und nimmt den munteren Menuett-Gestus des Klaviers nicht gleichermaßen auf. Auch Argerichs brillantes und witzig charmantes Spiel im Schlusssatz kann Capuçon trotz ganzkörperlich energischem Einsatz nicht auf Augenhöhe übernehmen.

Auch bei Prokofjew hat Argerich die Nase vorn

Künstlerischer Leiter des "Sommets de Gstaad" | Bildquelle: © François Darmigny Geiger und Kammermusikpartner von Martha Argerich: Renaud Capuçon | Bildquelle: © François Darmigny

Abweichend von der chronologischen Entstehungszeit der Stücke wählten die Musiker Prokofjew als zweiten Programmpunkt. Prokofjews zweite Violinsonate, ursprünglich 1943 für Flöte und Klavier komponiert und 1944 erst auf Anregung von David Oistrach für Violine transkribiert, lässt in ihrem fröhlichen und effektvollen Charakter nichts von den Schrecken und Entbehrungen der Kriegsjahre erahnen. Während Argerich auch hier auf Farbnuancen setzt, erscheint Capuçons Klangerzeugung vor allem im Kopfsatz aus romantischem Geist heraus gestaltet. Weniger Druck auf dem Bogen hätte möglicherweise feinere Schattierungen und fahlere Klänge mit sich gebracht.

Eine Sternstunde der Kammermusik

Zum Konzerthöhepunkt wurde Francks Violinsonate: Hier zauberte Martha Argerich klanglich schon in den ersten Solotakten und zog damit Renaud Capuçon in ein unglaublich stimmungsreiches Spiel hinein. Über die vier Sätze ergab sich eine Geschichte des Sturm und Drang in allen dynamischen Abstufungen. Gesangvolle Linien und durchsichtige Stimmführung kamen im Geben und Nehmen zum Ausdruck. Eine Sternstunde der Kammermusik, die Argerich und Capuçon noch in zwei Zugaben – einem Satz aus Beethovens Kreutzersonate und Kreislers Liebesleid – schwungvoll weitergetragen haben. Standing Ovations! Recht so.

Sendung: "Allegro" am 21. August 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player