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Diversität an Musikhochschulen Offener geht immer

Wie werden Musikhochschulen diverser? Dieser Frage geht die Musikwissenschaftlerin Shanti Suki Osman nach. Im Gespräch mit BR-KLASSIK zeigt sich: Den einen Weg gibt es nicht. Aber vieles, das man ausprobieren könnte.

Menschenmenge von oben | Bildquelle: stock.adobe.com

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BR KLASSIK: Frau Osman, Sie beschäftigen sich unter anderem mit diskriminierungskritischer Musikpädagogik. Was erforschen Sie da genau?

Shanti Suki Osman: In meiner Dissertation habe ich über die Erfahrungen Schwarzer Frauen und Frauen of Color an Musikhochschulen geforscht. Und ich bin der Meinung, dass wir offen sein sollten, nicht nur für andere Stimmen, sondern auch für andere Formen des Wissens. Das kann die Musik selbst betreffen, aber auch die Herangehensweise an sie oder ihre Bewertung. Ich glaube jedenfalls, dass das auch einen Platz haben sollte in unserer musikalischen Ausbildung.

Musikkulturen miteinander in Berührung bringen

BR KLASSIK: Man hört immer wieder den Vorwurf, dass diese Art der Forschung ideologisch sei. Wie würden Sie das erwidern?

Shanti Suki Osman: Ich glaube, diese Vorwürfe haben viel mit der Angst zu tun, dass das, was man kennt, ob das jetzt Musik ist oder ein bestimmtes Wissen darüber, unter den Tisch fällt. Aber wenn wir unseren Blick öffnen oder erweitern, dann bedeutet das ja nicht, dass die große Musik und die großen Musiker hier keinen Platz mehr haben. Für mich steht eher die Neugier im Vordergrund: Was passiert, wenn man sich wirklich öffnet?

In der Musikpädagogik ist oft von interkulturellen Projekten die Rede, davon, dass man jetzt die kulturelle Vielfalt feiern wolle. Und das ist super. Mich interessiert allerdings eher, was passiert, wenn das nicht nur Nebeneinander stattfindet, sondern miteinander in Berührung kommt. Wo findet man Gemeinsamkeiten? Wo kann man voneinander lernen?

Altes bewahren, Neues lernen

BR KLASSIK: Das bedeutet also: Wir hören weiter Mozart, Beethoven, die alten Klassiker... und dazu aber auch noch Neues?

Shanti Suki Osman: Ja, genau. Ich bin vor einer Weile zum Beispiel auf einen Blog gestoßen, der zwölf Schwarze Komponistinnen vorstellt, alles klassische Musikerinnen. Daran kann sich doch eigentlich niemand stören. Und die Studierenden lernen so vielleicht, dass auch andere Leute klassische Musik repräsentieren. Florence Price ist wahrscheinlich das bekannteste Beispiel, aber es gibt noch so viel mehr. Und wenn ich sowas entdecke, dann denke ich mir einfach: Ran an die Partituren!

BR KLASSIK: Da ist ja schon ein bisschen was in Bewegung gekommen: Musik von Florence Price haben wir zum Beispiel bei uns auch immer wieder im Programm. Frauen, People of Color und andere marginalisierte Gruppen werden auf den Spielplänen der großen Orchester immer sichtbarer. Sind wir da schon auf einem guten Weg mit Blick auf Diversität oder ist der Weg noch sehr weit?

Shanti Suki Osman: Ich glaube, wir sind auf jedem Fall auf einem guten Weg. Und das wird sich immer weiterentwickeln. Ich glaube, dass es immer wieder andere Gruppen geben wird, die mehr Aufmerksamkeit einfordern. Es geht einfach darum, dafür offen zu sein und auch mal die Studierenden zu fragen, welche neue oder andere Musik sie interessiert.

Shanti Suki Osman | Bildquelle: Helin Bereket Shanti Suki Osman | Bildquelle: Helin Bereket Für meine eigene Forschung habe ich ja Schwarze Frauen und Frauen of Color interviewt, die an Musikhochschulen studieren und darunter war eine Frau, die privat in einer Latin Pop Band gespielt hat. Und diese Studentin fand es sehr schade, dass ihre Gesangslehrerin an der Hochschule sie in dieser Musik nicht unterstützen konnte. Sie hatte dadurch das Gefühl, dass sie mit "ihrer" Musik nicht ernst genommen wird.

Das ist übrigens ein Thema, das ich generell sehr spannend finde, wenn es um die sogenannte Weltmusik geht. An Musikhochschulen gibt es ja wenig Möglichkeiten zum Beispiel Oud oder andere nicht-westliche Instrumente zu lernen. Was wiederum daran liegt, dass man als Hochschullehrer eine Hochschulausbildung braucht, die es in diesem Bereich natürlich nicht gibt. Aus diesem Zirkel kommt man nicht ohne Weiteres raus. Auch darüber muss man nachdenken, wenn man die Hochschulen für andere Musikarten öffnen will.

Zusammennehmen statt Separieren

BR KLASSIK: Wäre dann das Ziel, dass man neben einem Lehrstuhl, der sich vor allem mit klassischer Musik befasst auch noch einen Lehrstuhl für lateinamerikanische Musik einrichtet, oder dass man Oud als Studiengang anbietet?

Shanti Suki Osman: Ich weiß nicht. Wir könnten das ausprobieren. Es gibt ja viele Argumente dafür, dass man unterschiedliche Lehrstühle und unterschiedliche Studiengänge einrichtet. Allerdings - wenn es um Diversität geht, hört man auch oft den Einwand: Wir wollen kein Extra, wollen kein "Zusatz" sein, wir wollen einfach Teil des Curriculums sein!

Alle Kulturen sind Transkulturen
Shanti Suki Osman

Ich bin unter anderem externe Gutachterin am Konservatorium in Leeds, dort gibt es einfach einen Master in Musik ("MA Music"). Keine Spezifizierung. Man hat das dort bewusst offengelassen. Und tatsächlich gibt es im Kompositionsstudium jemanden, der ganz klassisch fürs Klavier komponiert, aber auch jemanden, der eher rockig unterwegs ist, oder wieder jemanden, der Musik mit der Oud macht. Es ist natürlich irre kompliziert, das alles zu bewerten. Aber ich finde, das könnte auch ein Weg sein: anstatt alles zu separieren, einfach alles zusammenzunehmen - nach dem Motto: Alle Kulturen sind Transkulturen.

Sendung: "Allegro" am 23. Mai ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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