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Prozess gegen ehemaligen Musikhochschul-Präsidenten Mauser Sexuelle Nötigung - möglicherweise auch Studentinnen Opfer

Am Mittwoch hat vor einem Schöffengericht am Münchner Amtsgericht der Prozess gegen Siegfried Mauser begonnen - den früheren Präsidenten der Musikhochschule München und aktuell beurlaubten Rektor des Mozarteums in Salzburg. Laut Anklageschrift wird dem 61-jährigen Pianisten und Musikwissenschaftler vorgeworfen, Kolleginnen sexuell genötigt zu haben. Mausers Verteidiger plädieren auf Freispruch. Dem Bayerischen Rundfunk liegt exklusiv die Aussage eines weiteren möglichen Opfers vor.

Messingplatte an der Hochschule für Musik und Theater, München | Bildquelle: picture-alliance / dpa

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BR exklusiv - weitere Studentin äußert sich

Am ersten Prozesstag gegen Siegfried Mauser hat das Schöffengericht am Amtsgericht München kein Urteil gefällt. Die Verhandlung wurde aus Zeitmangel auf drei weitere Termine bis Ende Mai vertagt. Laut Anklageschrift soll der 61-Jährige zwei Kolleginnen während seiner Tätigkeit in München mit Gewalt dazu genötigt haben, "sexuelle Handlungen...an sich zu dulden". Zusätzlich zu den beiden Nebenklägerinnen und ursprünglich 16 geladenen Zeugen meldeten sich noch zwei Personen, die eine Aussage machen wollten - darunter eine ehemalige Studentin, die ebenfalls angab, von Mauser bedrängt worden zu sein.
Auch dem BR liegt die Aussage einer weiteren Studentin vor, die schildert, wie sie vom Hochschul-Präsidenten bedrängt wurde.

Stundenlange Befragung

Gute zehn Stunden dauerte der erste Prozesstag. Siegfried Mauser saß nicht - wie üblich - auf der Anklagebank, sondern zwischen seinen drei Verteidigern. Der vorsitzende Richter hatte diesem Wunsch stattgegeben. Die Verteidiger wollten auch die Verlesung der Anklageschrift verhindern. Der Grund: Sie lese sich wie eine Wiederauflage des Schulmädchenreports, mit ihrem Mandaten als bösem Rektor, so Verteidiger Alexander Betz. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen. In der Anklageschrift heißt es unter anderem: "Nun packte der Angeschuldigte gewaltsam eine Hand der Zeugin am Handgelenk und führte die Hand ruckartig und gegen den Willen der Zeugin zu seinem Intimbereich, sodass er sie zwang, seinen erigierten Penis oberhalb der Kleidung zu berühren und zu spüren." Die beiden Nebenklägerinnen wurden jeweils über mehrere Stunden hinweg befragt. Mauser war anwesend, schwieg jedoch. Seine Verteidiger plädieren auf Freispruch. Einer der drei ist Stephan Lucas: "Herr Mauser steht auf dem Standpunkt, dass die Vorwürfe in Gänze - oder nahezu in Gänze - nicht zutreffen. Ich war nicht dabei, deswegen interessiert mich viel mehr, reicht es hier am Ende für eine Verurteilung. Herr Mauser will einen Freispruch und die Überzeugung der Verteidigung ist die, dass der Sachverhalt, selbst wenn er zuträfe aus der Anklage, einfach nicht reicht, um am Ende Herrn Mauser verurteilen zu können."

Schweigen aus Abhängigkeit

Im April 2009 soll Mauser in seinem Büro eine Professorin bei einem Gespräch über Hochschulbelange bedrängt haben. Drei Jahre später soll er bei einer Probe eine damals befreundete Gitarristin und Musikhochschuldozentin gegen ihren Willen geküsst und angefasst haben. Zu diesem Zeitpunkt war Siegfried Mauser Rektor der Hochschule für Musik und Kunst in München und somit Chef der beiden Hauptzeuginnen, die als Nebenklägerinnen auftreten. Beide wurden über mehrere Stunden hinweg befragt. Wo waren ihre Hände, als er sie geküsst hat? Wo saß er, als er versuchte, Ihnen unter den Rock zu greifen? Trugen Sie eine Strumpfhose? Wie haben Sie sich gewehrt? Warum haben Sie ihn nicht direkt angezeigt? Bei dieser Frage verwiesen beide Hauptzeuginnen darauf, dass sie völlig perplex waren und dass es sich immerhin um ihren Chef gehandelt habe. Von diesem Machtgefälle berichtet auch eine ehemalige Studentin Mausers, deren Aussage dem Bayerischen Rundfunk exklusiv vorliegt. Der zufolge sei sie vor rund zehn Jahren wegen einer Arbeit in einem seiner Büros in der Münchner Arcisstraße gewesen. Dort habe er ihr gesagt, wie schön sie sei und sie gefragt, ob sie einen Freund habe. Dann habe er nach ihrer Hand gegriffen, sich neben sie gesetzt, den Arm um sie gelegt sie an sich gezogen, ihren Kopf gewaltsam zur Seite gedreht und sie auf den Mund geküsst. Sie wollte ihn nicht melden, weil sie das Gefühl hatte, ihre weitere Karriere hänge von ihm ab. Sie hatte Angst, dass sie nicht weiterstudieren kann, wenn sie etwas unternimmt. Und beweisen können hätte sie ihm ja auch nichts. Sie fühlte sich ihm ausgeliefert und entschied, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

"Ein notwendiges Abhängigkeitsverhältnis, das mitunter missbraucht wird"

Für Agnes Krumwiede, ehemalige kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, ist es keine Überraschung, das es Fälle sexuellen Missbrauchs und sexueller Belästigung an den Musikhochschulen gebe - sie selbst studierte Klavier an der Musikhochschule Würzburg und beschreibt das Klima dort als tendenziell sexistisch: "Ich glaube, jeder, die studiert hat, sind Fälle bekannt. Dadurch, dass sie selber belästigt wurde oder dadurch, dass sie Zeugin wurde eines solchen Vorfalls. In kaum einem anderen Studienfach hat man die Situation, dass man sich jede Woche trifft mit seinem Hauptfachprofessor. Und da entsteht natürlich eine sehr innige Beziehung und das ist auch notwendig, weil als junger Musiker, der sich noch finden muss, ist man schon angewiesen auf die Meinung und Ermutigung seines Hauptfachprofessors." Agnes Krumwiede nennt diese Beziehung „ein notwendiges Abhängigkeitsverhältnis, das mitunter missbraucht wird". Sie fordert die Hochschulen auf, für ein Klima zu sorgen, in dem sexuelle Belästigung nicht mehr ignoriert, sondern verpönt wird. S

Mauser beteuert seine Unschuld

Siegfried Mauser streitet "die Vorwürfe kategorisch ab" und verfasste vergangene Woche ein Schreiben an seine Mitarbeiter:

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute melde ich mich in einer für mich sehr schwierigen Situation. Ich sehe mich mit sehr schweren Vorwürfen aus meiner Münchener Amtszeit konfrontiert, die mich stark belasten. Es ist mir ein Anliegen, Sie darüber persönlich zu informieren.
Am Mittwoch, den 20.4.2016, startet in München ein Gerichtsverfahren, bei dem ich mich gegen den Vorwurf der sexuellen Nötigung verteidigen muss.
Aus meiner Perspektive wurden völlig unverfängliche Begegnungen mit zwei Kolleginnen vor sieben und drei Jahren völlig unerwartet im Mai 2015 in München angezeigt. Ich habe mir in diesem Zusammenhang nichts vorzuwerfen. Den Tatbestand einer sexuellen Nötigung bestreite ich kategorisch ab.
Ich bin sehr froh, dass diese Vorwürfe nun vor einem ordentlichen Gericht behandelt werden. Ich bin zuversichtlich, dass das Gericht im Sinne der Gerechtigkeit zu einer entsprechenden Entscheidung findet.
Mit kollegialen Grüßen,
Siegfried Mauser

Bis zur Klärung der Vorfälle beurlaubt

Siegfried Mauser hat den Universitätsrat in Salzburg bis zur Klärung der Vorwürfe um Beurlaubung gebeten. Die Geschäfte führt "bis auf Weiteres" Vizerektorin Brigitte Hütter, so die Universität. Ein Sprecher des Universitätsrates teilte außerdem mit: "Der Universitätsrat nimmt diese Angelegenheit sehr ernst, beobachtet das Verfahren in München sehr genau und verweist darauf, dass bis zu einer Entscheidung eines ordentlichen Gerichts das Prinzip der Unbescholtenheit zu gelten hat." Siegfried Mausers alte Musikhochschule in München wollte sich auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks nicht zum laufenden Verfahren äußern. Ob ihr ehemaliger Rektor wegen sexueller Nötigung für schuldig befunden wird, entscheidet das Schöffengericht voraussichtlich am 31. Mai.

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