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Currentzis dirigiert in Dortmund Mitglieder von MusicAeterna suspendiert

Einige Musiker werden fehlen, wenn Teodor Currentzis am Freitag mit seinem russischen Ensemble MusicAeterna im Konzerthaus Dortmund auftritt. Sie wurden suspendiert wegen Äußerungen in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.

Teodor Currentzis | Bildquelle: Nadja Romanova

Bildquelle: Nadja Romanova

"Wir haben immer gesagt: Wer sich eindeutig pro Krieg oder pro Kreml äußert, kann bei uns keine Bühne bekommen", sagte Raphael von Hoensbroech, der Intendant des Konzerthauses Dortmund. Über die Suspendierung der Musiker seien er und das Management des Ensembles MusicAeterna sich "völlig einig" gewesen.

Kriegs-Befürworter und Putin-Versteher unter den Musikern

Zuvor hatte das Klassik-Magazin "Crescendo" berichtet. Der Journalist Axel Brüggemann und der Komponist und Blogger Alexander Strauch haben die Aktivitäten mancher Mitglieder von MusicAeterna in den sozialen Netzwerken genauer unter die Lupe genommen - und ziemlich üble Dinge gefunden.

Da postete etwa ein russischer Tenor ein nationalistisch-patriotisches Durchhaltelied. Der Sänger erwies sich auch noch als Fan der brutalen Söldnertruppe Wagner. Andere statteten ihre Accounts mit russischen Flaggen aus, teilten deutlich ihre Unterstützung des Angriffskriegs mit. Ein weiteres Mitglied postete Medienberichten zufolge ein Video, in dem er die Heizung voll aufdrehte. Dazu schrieb er, er zerstöre die deutsche Wirtschaft. Später entschuldigte sich der Musiker dafür.

Von Hoensbroech vom Konzerthaus in Dortmund sagt, ein unangemessenes polemisches Video sei anders zu bewerten als prorussische Äußerungen, die den Krieg befürworteten. Es brauche aber eine klar nachvollziehbare Linie gegenüber Musikern. "Wir waren uns einig, dass wir eher hart durchgreifen", sagte er. "Das Tragische ist eigentlich, dass die russische Propaganda offenbar funktioniert."

Currentzis selbst schweigt

Dass geplante Auftritte des griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis auch durchgezogen werden, ist seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht mehr selbstverständlich. Currentzis selbst hat bislang kein einziges Mal öffentlich zum Krieg Stellung bezogen. Dafür wurde er immer wieder kritisiert. Teilweise hatte es auch Konsequenzen für ihn. Die Kölner Philharmonie hat ein Konzert mit Teodor Currentzis abgesagt, in dem er das SWR-Symphonieorchesters dirigiert hätte.

Problematische Finanzierung von MusicAeterna

Teodor Currentzis und musicAeterna auf den Salzburger Festspielen 2021 | Bildquelle: SF / Marco Borrelli Teodor Currentzis dirigiert sein Ensemble MusicAeterna | Bildquelle: SF / Marco Borrelli Ein weiterer Kritikpunkt ist die Finanzierung von Currentzis Ensemble MusicAeterna. Es wird mit Geld aus Russland finanziert, etwa von der von Sanktionen betroffenen VTB Bank. Schon vor dem Ukraine-Krieg wurde diese Finanzierung immer wieder diskutiert und kritisiert. Für Raphael von Hoensbroech ist das allerdings kein Grund, das Ensemble jetzt nicht im Konzerthaus auftreten zu lassen - zumal das Konzert mit Teodor Currentzis bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine geplant worden war. "Wir können nicht von jedem Künstler verlangen, dass er sich zum Märtyrer macht", so Hoensbroech über Currentzis' Situation. Kritische Äußerungen würden in Russland als hartes Signal verstanden. "Er würde im Rest Europas als Held gefeiert, hätte aber den Schaden in Russland zu bezahlen."

Mit Blick auf die Finanzierung des Ensembles sagte Heonsbroech: "Ich persönlich halte das für kritisch, weiß aber auch aus vielen Gesprächen, dass das nicht so schnell änderbar ist." Weitere Konzerte mit MusicAeterna werde es im Konzerthaus Dortmund aber aufgrund dieser Finanzierung vorerst nicht geben. Bei dem Konzert jetzt am Freitag wird Teodor Currentzis das Requiem von Giuseppe Verdi aufführen - ohne die umstrittenen Musiker. Im besten Fall könnte aus der jetzigen Situation ein (Auf-)Klärungsprozess folgen. Insider berichten schon seit längerem von heftigen Diskussionen innerhalb des Ensembles.

Salzburger Festspiele arbeiten weiter mit Currentzis

Salzburgs Festspielintendant Markus Hinterhäuser, lange schon ein vehementer Unterstützer von Currentzis und MusicAeterna, hält am Dirigenten fest. Auf Nachfrage erklärt er, es gebe für ihn keinerlei Grund, an der ethischen Grundhaltung von Currentzis zu zweifeln. Allerdings habe er für den kommenden Sommer ohnehin - deutlich vor den aktuellen Recherchen - nicht mit MusicAeterna geplant. Bei mehreren Konzerten im Sommer wird Currentzis mit seinem unlängst gegründeten Orchester Utopia spielen, das als Projektensemble ohne festen Sitz auftritt und ausschließlich westliche Geldgeber hat.

Rückblick: Die Anfänge von MusicAeterna

Dirigent Teodor Currentzis | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Kurz zur Erinnerung: 2004 gründete der damals gut 30 Jahre alte Dirigent Teodor Currentzis ein ganz besonderes Ensemble. Die besten Köpfe aus aller Welt sollten verschmelzen zu einem einzigartigen Klangkörper (Orchester und Chor), mit Currentzis als Primus inter pares. Rasch wurde die erst in Nowosibirsk, dann in Perm, jetzt in St. Petersburg ansässige Truppe Kult, was auch an den sehr eigensinnigen Interpretationen und dem recht spirituellen Sendungsbewusstsein des Gründers lag. MusicAeterna polarisiert von Beginn an, ergebene Fans stehen Skeptikern gegenüber. 2014 erhielt der Grieche Currentzis auch die russische Staatsbürgerschaft.

Kann Currentzis auch weiterhin schweigen?

Und noch ein Aspekt am Rande: Noch bis zur übernächsten Saison ist Currentzis auch Chef des SWR Symphonieorchesters, danach übernimmt François-Xavier Roth die Leitung. Dort möchte man sich zu ihm überhaupt nicht mehr äußern. Es scheint im Moment völlig unklar, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Es erscheint vor allem fraglich, ob der Dirigent über die Grenzüberschreitungen und Haltungen einiger seiner Musiker schweigen kann.

Sendung: "Leporello" am 24. November 2022, ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (8)

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Montag, 28.November, 18:49 Uhr

Danielle

Currentzis

Schließe mich Georgina an und empfehle Lotte Thalers Artikel in FAZ.nett: Es geht nicht um Putin, es geht um Kunst.

Freitag, 25.November, 16:57 Uhr

Helmuth Fiedler

MusicaEterna

Wer, wie nicht wenige männliche Musiker aus dem von Gazprom geförderten russischen Ensemble MusicAeterna, von deutschem Boden (Baden-Baden) aus Kriegspropaganda betreibt, gar kriegstreiberische, die russischen Invasionstruppen huldigende Lieder komponiert und singt und dann obendrein die den Sachverhalt aufdeckenden Journalisten als Faschisten verunglimpft, hat auf deutschen Podien nichts zu suchen. Zu alldem schweigt Herr Currentzis. Erinnert sei daran, dass die deutsche Staatsanwaltschaft in ähnlichen Fällen schon aktiv geworden ist.

Freitag, 25.November, 16:10 Uhr

Georgina

Currentzis

Ich empfehle Lotte Thaler zu lesen in der FAZ: " Geht es um Putin oder um Kunst?" zu den Konzerten am 19.und 20.11. in Baden-Baden.
Beide Abende habe ich life erlebt, es waren besondere Sternstunden...... vielleicht wuerzt
Herr Brueggemann und Co. mit den Herren Goerne und Schager sowie mit Frau Hubeaux, die alle mit Currentzis auch weiterhin gerne musizieren demnaechst noch seinen Schnueffeleintopf.....und nun auch noch der BR! Es gaebe lohnenderes Material aus der Musikszene Russland zu berichten, doch, es lebe die Freiheit der Meinungsaeusserung !

Freitag, 25.November, 06:37 Uhr

Wolfgang

Currentzis in den Mainstream-Medien

Etwas verwirrend finde ich, wie Currentzis in den Medien behandelt wird.

Einerseits wird er als moralisch zwielichtig hingestellt, andererseit wird ein für mich, der ich seine Aufnahmen kenne, nicht ganz nachvollziehbarer Hype um seine musikalischen Fähigkeiten veranstaltet. So schreibt der Verfassers des obigen Artikels:

"2004 gründete der damals gut 30 Jahre alte Dirigent Teodor Currentzis ein ganz besonderes Ensemble. Die besten Köpfe aus aller Welt sollten verschmelzen zu einem einzigartigen Klangkörper (Orchester und Chor), mit Currentzis als Primus inter pares."

Glaubt Herr Fuchs wirklich, Currentzis habe als nahezu unbekannter Dirigent im sibirischen Outback die besten Musiker der Welt für einen Hungerlohn engagieren können? Und das Ergebnis der weltweiten Prüfung war dann, dass musica aeterna dann hauptsächlich aus Russen rekrutiert wurden?

Currentzis ist ein guter Dirigent und sicherlich ein guter Orchestererzieher, aber Wunder kann auch er nicht leisten.

Freitag, 25.November, 05:56 Uhr

Wolfgang

Bahnbrechende Erkenntnis...

...des Dortmunder Indendanten:

"Das Tragische ist eigentlich, dass die russische Propaganda offenbar funktioniert."

Wer hätte das gedacht, dass Propaganda in anderen Ländern funktioniert? In Deutschland gibt es nämlich keine Propaganda, und wenn doch, dann funktioniert sie nicht, weil bei uns ja bekanntlich alle "Dichter und Denker" (der alter Scherz einer fast vergessenen Bankierstochter) sind, und sich als solche ihre Meinungen völlig eigenständig in perfekter Rationalität nach den bekannten Cartesischen Grundsätzen bilden.

Dass unlängst alle elf Kicker der Nationalmannschaft vor ihrem nicht ganz so erfolgreichen Auftritt in Katar die Hand über den Mund legten als Protest gegen die dortige eingeschränkte Meinungsfreiheit (in Deutschland kann natürlich jeder alles sagen, nur "Hassende" selbstverständlich nicht), ist natürlich nicht auf irgendwelche Propaganda zurückzuführen, sondern alle sind unbeeinflusst zu dieser höchst mutigen Geste gelangt.

Donnerstag, 24.November, 19:32 Uhr

euphrosine

wortwahl

Dass man "gegen den Krieg" Stellung beziehen müsse, ist ja wohl unklar ausgedrückt - gemeint soll sicher sein, dass man den russischen Angriff missbilligen muss. Aufrecht erhalten werden die Kampfhandlungen von beiden Seiten. Was ausdrücklich keine moralische Stellungnahme ist, sondern die Bitte, Worte etwas sorgfältiger zu wählen, damit sie ihren Sinn nicht verlieren.

Donnerstag, 24.November, 17:30 Uhr

Rasputin

Currentzis

Wer ist denn nun schon wieder auf den Posten von Currentzis scharf?
"Leisetreterisch" wird er hier zum "Abschuss" frei gegeben.
Das schwimmt auf der in Deutschland inzwischen woken schleimigen Welle einer hysterischen Russophobie. Herr Currentzis ist ja zu seinem Glück russischer Staatsbürger und hat in der Welt ein Millionen zählendes Publikum. Er sollte sich darum um die nun gegen ihn und sein Team beginnende Hetze im Namen der "Deutschen Kulturnation" nicht scheren. Wie beneide ich Ihn!

Donnerstag, 24.November, 14:32 Uhr

Livia Laios

Doppelmoral?!?

Herr Currentzis nimmt selbst nicht eindeutig Stellung, hat Millionen von Putins Regime zur Begründung seiner Position und Weltgeltung angenommen und moralisiert jetzt gegen Mitglieder seines Ensembles für Putinlastigkeit. Das passt wirklich nicht zusammen. Herr Currentzis sollte nirgends mehr spielen dürfen, ehe er nicht glasklar Stellung bezieht. Andere für ihre Meinung zu strafen, während man sich selbst vorteilswirksam bedeckt hält, im Tiefsten aber wohl immer Putins Seite hielt, weil man von dort das Geld bekam ("Wes Brot ..."), ist ethisch völlig unannehmbar. Dass der BR hier so leisetritt, erscheint auch sehr fragwürdig, statt eindeutig gegen solche Doppelmoral zu stehen.
Und die Redaktion sollte sich am Begriff Doppelmoral nicht stören, ich könnte auch englisch bigotry sagen, wenn das besser klingt.

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