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Kritik - "Csárdásfürstin" in Augsburg Rabenschwarze Überraschung

Am Samstagabend hat das Theater Augsburg seine neue Produktion von Emmerich Kálmáns Operette "Die Csárdásfürstin" präsentiert. Otto Pichlers Inszenierung überrascht mit einem ungewöhnlichen Schlussakzent.

Szenenbild "Csardasfürstin" am Theater Augsburg | Bildquelle: A.T. Schaefer

Bildquelle: A.T. Schaefer

Kritik - "Csárdásfürstin" in Augsburg

Rabenschwarze Überraschung

Mutiger Regieeinfall - vor den Augen der Komponistentochter

Das kommt auch nicht alle Tage vor, dass die Csárdásfürstin am Ende erschossen wird, noch dazu vor den Augen von Emmerich Kálmáns Tochter Yvonne. Die ist offensichtlich für solche Experimente zu haben, denn die Urheberrechte an der Csárdásfürstin laufen erst in einigen Jahren aus - bis dahin könnte Yvonne Kálmán unliebsame Inszenierungen verhindern, was zum Beispiel die Brecht-Erben ja immer wieder getan haben. Es war also ganz schön mutig von Regisseur Otto Pichler, die eigentlich bittersüße Operette gestern Abend in Augsburg tragisch - und somit ganz und gar untypisch - enden zu lassen. Glücklich wird die umjubelte Varieté-Sängerin Sylva Varescu, die titelgebende Csárdásfürstin, bei ihm erst im Himmel, dann allerdings umflattert von Engeln. Eine ganz böse Satire. Auf Erden ist der Tingeltangel-Diva und ihrem adeligen Edwin offensichtlich nicht zu helfen: Beide werden vom wütenden Vater des Bräutigams mit einer Gewehrsalve niedergestreckt.

Eine einsame Violine vor Hinterhaus-Kulisse

Überhaupt vermeidet Regisseur Otto Pichler jeden Kitsch, alles Sentimentale. Das fängt schon damit an, dass er die schwungvolle Ouvertüre streicht und Sylva Varescu ganz allein auftreten lässt. Dazu schluchzt eine einsame Violine, ein Dunstschleier wabert über der Bühne. Zu sehen ist das hässliche Hinterhaus eines Theaters, eine Brandmauer aus Beton, Feuerschutztüren. Hier sammeln sich die aufgetakelten Revue-Girls und Tänzer. Hier treffen sie sich in dunklen Nischen mit ihren Gönnern, hier wird geturtelt und gechillt.

Der herbe Kontrast zwischen der trostlosen, düsteren Hinterhaus-Kulisse und den vitalen, ausgelassenen Künstlern ist natürlich beabsichtigt. Denn im zweiten Akt ist das krasse Gegenteil zu sehen: Die Adligen protzen mit ihren holzgetäfelten Salons, sind aber gefühlskalt und gelangweilt. Zwischen diesen beiden unvereinbaren Lebenswelten ist die Csárdásfürstin hin und her gerissen. Kein Wunder, dass im dritten Akt nur noch die Leere bleibt und die nachtschwarze Düsternis. Ein Happy End ist in diesem Konzept nur für die verliebten Nebenfiguren vorgesehen, die sich tatsächlich finden und durch den Zuschauerraum abgehen.

Eine rabenschwarze Interpretation

Oben auf der Bühne steht der schwarz gewandete Chor - dort herrscht Trauer. Das zuvor gefeierte "Teufelsweib" ist tot, und ihr Edwin musste ebenfalls büßen, dass er sich nicht rechtzeitig von seiner altmodischen Familie getrennt hat. Otto Pichler und seine Ausstatter Jan Freese und Falk Bauer zeigen in Augsburg also eine höchst ungewöhnliche Csárdásfürstin und verweisen mit ihrer so ironischen wie rabenschwarzen Interpretation auf die Entstehungszeit der Operette, die im November 1915, also mitten im Ersten Weltkrieg in Wien uraufgeführt wurde. Damals wurde mindestens soviel gestorben wie geliebt.

Marode Bühnentechnik

Judith Kuhn in der Hauptrolle war eine ausgesprochen überzeugende Sylva Varescu: Souverän, kühl, charismatisch. Da konnte Mathias Schulz als ihr Liebhaber Edwin nicht immer mithalten. Großartig dagegen Hannes Fischer als sein rabiater Vater Fürst Lippert-Weylersheim und Kerstin Descher als dessen frustrierte Ehefrau Anhilte. Sie hat einen unnachahmlichen Gesangs-Auftritt, bevor sie sich eine Zigarette ansteckt und kurz entschlossen aus ihrer Ehehölle flieht. Der Augsburger Generalmusikdirektor Domonkos Héja hätte diese Csárdásfürstin ruhig noch etwas würziger präsentieren können - er ist selbst Ungar, aber das Orchester klang unter seiner Leitung sehr verschattet. Vielleicht wollte er sich dem ausgesprochen ernsthaften Regiekonzept akustisch anpassen. Was leider gar nicht funktionierte, war die Augsburger Bühnentechnik: Weder die Tonanlage, noch die Lichtregie und der Schnürboden überzeugten, als ob vorgeführt werden sollte, wie marode das Haus inzwischen ist. Im Januar 2017 wird es geschlossen - wann die Renovierung startet, ist ungewiss. Die Augsburger hadern noch mit den Kosten. Möge die Csárdásfürstin dazu von oben ihren Segen geben.

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