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Kritik - "Tosca" in Regensburg Polarnacht über Rom

Konsequent in schwarz-weiß zeigt Regisseur Dominique Mentha Puccinis Musikdrama und verlegt die Handlung in den italienischen Faschismus. Das ist historisch plausibel, optisch jedoch nicht überzeugend. Musikalisch dagegen blieben keine Wünsche offen.

Szenenbild aus "Tosca" am Theater Regensburg | Bildquelle: Jochen Quast

Bildquelle: Jochen Quast

Vielleicht liegt Rom ja doch am Polarkreis: Kalt ist es hier jedenfalls und stockdunkel, und alle tragen schwarz. Möbliert ist die Stadt auch nicht gerade gemütlich, ganz im Gegenteil, alles vergittert, ein einziges Gefängnis. Und drei dünne Kerzen brennen auch nicht lange. Optisch also ziemlich bedrückend, diese Regensburger "Tosca", und das hat natürlich seinen Grund.

Bilder der Inszenierung finden Sie hier.

Die Kostüme verweisen auf den italienischen Faschismus, also die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, die letzten Lebensjahre von Giacomo Puccini, immerhin Ehrenmitglied der italienischen Faschisten und Senator obendrein.

Strenges Schwarz-weiß

Als der Komponist im November 1924 an Kehlkopfkrebs starb, hielt kein Geringerer als der "Duce" Benito Mussolini persönlich die Trauerrede. Insofern ist es also durchaus plausibel, dass Regisseur Dominique Mentha und sein Ausstattungsteam Helmut Stürmer (Bühne) und Katharina Heistinger (Kostüme) die "Tosca" ins Milieu der Stummfilm-Zeit verlegten, in die Anfänge von Mussolinis Diktatur. Strenges schwarz-weiß auf der Bühne und expressionistische Gesten der Sänger: Hier werden die Finger gespreizt, dort die Arme ausgebreitet, immer wieder unheildrohend mit den Augen gerollt.

In der Kammer des Schreckens

Leider blieb es allerdings durchgehend schemenhaft düster, während der Stummfilm doch mit dramatischen Schlagschatten arbeitete, seine Stars pompös ausleuchtete. Da konnte die Regensburger Inszenierung leider lichttechnisch nicht mithalten, und wirklich expressionistisch, also ausdrucksstark, bewegten sich die Sänger auch nicht, sondern eher etwas unentschlossen, als ob sie nicht so richtig überzeugt waren von der Bewegungsregie. Wenn aber das Drumherum nicht stimmt, dann wirken die Personen nicht nur etwas verloren, sondern mitunter unfreiwillig komisch.

Schatten der Musik

So muss der böse Polizeichef Scarpia neben einem altmodischen Korsett eine bizarre Napoleonslocke tragen, Tosca läuft mit einem ausladenden Hut herum und ist wie alle anderen auch bleich geschminkt wie eine Spukgestalt. All das macht die Handlung streckenweise zu einem arg stilisierten Melodram, ja buchstäblich zu einem Schatten der Musik, was zum lebensprallen Verismo-Künstler Puccini so gar nicht passt. Die Farben kämen schließlich aus dem Orchestergraben, hieß es im Vorfeld der Premiere vom Regieteam, da könne die Bühne ruhig grau bleiben.

Zuflucht in der Kirche

So gesehen war diese "Tosca" optisch zwar ausreichend nachtschwarz, letztlich aber auch blutleer, und das bei einer Oper, in der es um ein Schreckensregiment geht, in der gefoltert, gemeuchelt und gemordet wird. Da nutzten die faschistischen Uniformen nichts, beklemmend war die Inszenierung nicht. Die Angst, die über diesem Rom lastet, wurde zu wenig erfahrbar, in diesem Stummfilm wurde ein "Nosferatu" schmerzlich vermisst.

Zwischen Liebe und Eifersucht

Musikalisch allerdings war der Abend in jeder Hinsicht überzeugend. Der junge taiwanesische Dirigent Chin-Chao Lin, in Regensburg Generalmusikdirektor, machte nicht den Fehler, den recht üppigen Puccini auch noch mit fetter Lautstärke zu servieren. Ganz im Gegenteil, er hielt die Regensburger Philharmoniker erfreulich diszipliniert zurück, brachte ergreifende Intensität in die Streicher und ließ die Blechbläser voller Schwermut auftrumpfen. Alles zusammen ergab ein so bedrückendes wie wehmütiges Klangbild und passte somit hervorragend zur Seelenpein von Tosca, die hin und her gerissen ist zwischen Liebe und Eifersucht, zwischen Kunst und Politik.

Brutale Annäherung

Die irische Sopranistin Sinéad Campbell-Wallace hatte die Titelrolle schon im Sommer bei einer Regensburger Freilichtaufführung sehr überzeugend gesungen und steigerte sich zu großartiger Form. Stimmlich blieben da keine Wünsche offen: Sie ist von berührender Intensität und könnte sicher auch schauspielerisch wesentlich emotionaler auftreten. Von der Engelsburg springt diese Floria Tosca in der Regensburger Inszenierung am Ende natürlich nicht, und sich den Dolch in den Bauch zu stoßen, dazu fehlt ihr ebenfalls die Kraft. Das war sicher tragisch gemeint, doch kam auch der Verdacht auf, diese umschwärmte römische Diva könne nicht von ihrer Karriere lassen.

Bariton Adam Kruzel gab einen leider arg grimassierenden Polizeichef Scarpia, sang jedoch ebenso energiegeladen und glaubwürdig wie der aus dem chinesischen Sichuan stammende Tenor Yinjia Gong als Mario Cavaradossi. Viel Beifall für die Solisten und den Chor, eher höfliche Reaktionen auf das Regieteam bei dieser "Tosca" am Theater Regensburg.

Sendung: "Allegro" am 16. September 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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