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Kinofilm "West Side Story" von Steven Spielberg Die Liebe in Zeiten der Abrissbirne

Am 9. Dezember läuft "West Side Story" in den deutschen Kinos an. Steven Spielberg hat das Kult-Musical von Leonard Bernstein neu verfilmt. Seine Version bietet tolle Bilder, neue Stimmen - und räumt mit einem Problem der alten Verfilmung auf.

Szene aus Steven Spielbergs Neuverfilmung der Westside Story mit Adriana DeBose im Vordergrund | Bildquelle: 20th Century Studios / Courtesy Everett Collection

Bildquelle: 20th Century Studios / Courtesy Everett Collection

Was als erstes auffällt: die tolle Kameraarbeit von Janusz Kamiński. Der Oscar-Preisträger, der mit Steven Spielberg unter anderem für "Schindlers Liste" und "Der Soldat James Ryan" zusammengearbeitet hat, fängt in tollen Bildern genauso beeindruckend ein Vintage-New York unter Abrissbirnen ein wie eine spektakulär neu choreografierte Tanzszene zum Ohrwurm "America". 

Was als zweites auffällt: Dass diese "West Side Story" sehr liebevoll mit der Musicalvorlage umgeht, aber auch nicht viel Neues zu erzählen hat. Zwar versucht sich der Film an Themen wie urbaner Gentrifizierung und scheiternder Integration - ein "das geht mich etwas an" stellt sich bei bunt-fröhlichen Tanzeinlagen vor 50er-Jahre Kulissen trotzdem nicht ein. 

Szene aus dem Kinofilm "West Side Story" von Steven Spielberg | Bildquelle: Disney Bildquelle: Disney Warum das nicht schlimm ist: Weil die Liebe im Kino eine verlässlichere Größe ist als Sozialkritik, und die Romeo und Julia-Geschichte im Mittelpunkt der "West Side Story" zeitlos tragisch und bewegend ist. Und weil die Hits, die Bernstein für dieses Musical geschaffen hat, zum Besten gehören, was die Musical-Welt zu bieten hat: fetzige Latin-Nummern, cool-lässiger Jazz, zauberhafte Balladen. Für ein Wiederhören in modernem Klang lohnt sich ein Kinobesuch auf jeden Fall! Gustavo Dudamel und Arrangeur David Newman stellen im Gegensatz zum Bigband-Sound des alten Films mit den Philharmonikern aus New York und Los Angeles etwas mehr die orchestrale Seite von Bernsteins Musik heraus. (Gibt's via Streaming auch in Dolby Atmos!)

Warum die Besetzung fast, aber nicht ganz glücklich macht: Was für eine Energie bringt Ariana De Bose als Anita in diesen Film! Ein Feuerwerk von einer Musical-Performance. Auch die 20-jährige Rachel Zegler liefert in ihrer ersten Filmrolle ein beeindruckendes Debüt - bislang sang sie Coverversionen in ihrem YouTube-Kanal. In Spielbergs West Side Story schafft sie den Spagat zwischen naivem Teenager, der sich blind von der Liebe mitreißen lässt, und junger Frau mit eigenem Kopf, die sich von den Spielregeln ihrer Einwandererfamilie emanzipiert. Wenig glaubwürdig ist Ansel Elgorts Darstellung des Tony: Mehr East-Coast Schnösel als geläutertes Gangmitglied, nimmt man ihm die unterschwellige Gewaltbereitschaft, die diese Figur auch zeigen muss, nicht ab. 

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West Side Story | Offizieller Trailer | Bildquelle: 20th Century Studios DE (via YouTube)

West Side Story | Offizieller Trailer

Warum diese Neuverfilmung auf jeden Fall nötig war: "Endlich sind Latinos als Latinos zu sehen" - mit dieser Aussage im Rahmen der Premiere der West Side Story legt Rita Moreno den Finger in eine historische Wunde. In der alten Verfilmung sind Darsteller - auch unter der Zuhilfenahme von dunkler Schminke - als Latinos zurechtgemacht. Inakzeptables "Blackfacing". Die Puerto-Ricanerin Rita Moreno, die in der alten Verfilmung als Anita zu sehen war, tritt übrigens auch in der Neuverfilmung auf. In einer Rolle, die Steven Spielberg und Drehbuchautor Tony Kushner eigens für sie erschaffen haben. Eine schöne Geste - kommt der Film doch bei uns fast passend zu Moreno 90. Geburtstag in die Kinos!

Tanzszene aus dem Film "West Side Story" von Steven Spielberg | Bildquelle: Walt Disney Productions Steven Spielberg inszeniert Bernsteins Kult-Musical "West Side Story" als Kinofilm. | Bildquelle: Walt Disney Productions Eine Frage noch: Die Gesangsauftritte kommen zeitgemäß schlicht ohne opernhafte Übertreibungen aus, haben Persönlichkeit und sind von durchweg hoher Qualität. Aber: Ist es für eine glaubwürdige Darstellung der Einwanderer-Community wirklich nötig, dass mit diesem künstlichen, hispanisierenden Akzent gesungen wird? 

Sendung: "Cinema - Kino für die Ohren" am 12. Dezember 2021 ab 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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