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Nike Wagner zum 75. Geburtstag Umtriebige Festivalleiterin mit Theaterblut

Festspielleiterin von Bayreuth ist sie nicht geworden – obwohl sie dies intensiv versucht hat. "Wagner-Theater" nannte Nike Wagner das, was im und um das Festspielhaus herum so alles passierte an Intrigen und Kleinkriegen – angefangen mit dem Gründer der Festspiele, ihrem Urgroßvater Richard Wagner. Intendantin wurde Nike Wagner schließlich woanders: in Weimar und in Bonn. Am 9. Juni wird sie 75 Jahre alt.

Nike Wagner | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Nike Wagner ist seit jeher die intellektuelle Stimme im Wagner-Clan. Mit Vorträgen, Aufsätzen und Buchveröffentlichungen rund um das Thema Richard Wagner, die auch und gerade die Rolle von Wagners Werk im Dritten Reich beleuchteten, erwarb sich die Tochter des ehemaligen Festspielchefs Wieland Wagner und promovierte Literatur- und Theaterwissenschaftlerin großes Ansehen. Nur nicht innerhalb des Wagnerclans auf dem Grünen Hügel um den langjährigen Festspielchef Wolfgang Wagner – ihrem Onkel, der nach Wielands Tod alleine die Festspiele leitete. Er sah in seiner Nichte eher eine Nestbeschmutzerin.

Viel Anerkennung in Weimar

Dass Nike Wolfgang Wagner als Festspielchefin in Bayreuth einmal beerben würde, kam für diesen nicht in Frage. Doch das Theaterblut steckte und steckt auch in Nike Wagner. Weshalb sie sich erfolgreich um die Leitung des Weimarer Kunstfestes bewarb. Denn auch hierher in die thüringische Musenstadt gibt es familiäre Beziehungen der Wagners, lebte doch ihr anderer Ururgroßvater lange Zeit in Weimar: Franz Liszt. "Franz Liszt habe ich ja sehr viel später kennen gelernt als Richard Wagner", äußert sich Nike Wagner zu ihm. "Heute, im fortgeschrittenen Lebensalter, ist mir Franz Liszt sehr viel näher. Menschlich ist er ein wunderbarer generöser, souveräner Charakter. Er hat nicht diese aggressiven Züge, die Richard Wagner vielleicht auch haben musste, um sein Werk durchzusetzen. Es ist ein Werk, das ich faszinierend finde, weil es so viele Stile aufweist." Als umtriebige Festivalleiterin mit klugen und kreativen programmatischen Ideen erwarb sich Nike Wagner in den Jahren 2004 bis 2013 in Weimar viel Anerkennung. Für ihre Dramaturgie, die im Zusammenspiel von Musik, Tanz, Bild und Wort künstlerische Maßstäbe setzte, erhielt sie 2013 sogar den Thüringer Verdienstorden.

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Journal Interview mit Nike Wagner,künstl. Leiterin Kunstfest Weimar | Bildquelle: DW Deutsch (via YouTube)

Journal Interview mit Nike Wagner,künstl. Leiterin Kunstfest Weimar

Ränkespiele wie beim Denver-Clan

Eva Wagner-Pasquier (li.) und Nike Wagner in Bayreuth | Bildquelle: picture-alliance/dpa Eva Wagner-Pasquier (li.) und Nike Wagner in Bayreuth | Bildquelle: picture-alliance/dpa Dies und die alte Leidenschaft für Wagners Werk ließen sie wieder sehnsuchtsvoll nach Bayreuth blicken, wo sich die Ära des greisen Wolfgang Wagner sichtlich dem Ende zuneigte. Zusammen mit ihrer Cousine Eva Wagner-Pasquier bewarb sie sich schließlich 2008 für die Festspielleitung. Und dann begann ein Ränkespiel, das es mit den Machenschaften beim berühmten Denver-Clan durchaus aufnehmen konnte: "Da läuft ein Bewerbungsverfahren, und sie greifen in dieses laufende Verfahren ein und stiften meine Cousine zum Seitenwechsel an", erinnert sich Nike Wagner. "Das ist eine Anstiftung zum Vertragsbruch. Sie müssen den Posten ausschreiben, nach dem besten und kompetentesten Menschen suchen."

Ich hielte es für sehr gesund, wenn ein Geist von außen in das Bayreuther Unternehmen hineinkäme.
Nike Wagner

Mortier war keine Lösung für Bayreuth

Aus der Bayreuth-Nachfolge wurde also nichts – auch nicht, als Nike Wagner auch noch den früheren Salzburger Festspielchef Gerard Mortier als Co-Chef aus dem Hut zauberte. Im Nachhinein plädierte Nike Wagner ohnehin eher für einen "außerfamiliären" Einfluss in der Bayreuther Festspielleitung: "Ich glaube, dass ein Geist von außen dem inner-wagnerischen Denken und Habitus sehr gut tun könnte. Die Familie sollte selbstverständlich eine Funktion behalten – die könnte ja auch nur repräsentativ sein. Ich hielte es jedenfalls für sehr gesund, wenn ein solcher Geist in das Bayreuther Unternehmen hineinkäme – wenn möglich der beste oder erfahrenste Theatermacher."

Freischaffende Kulturintellektuelle

2014 übernahm Nike Wagner schließlich die Leitung des Bonner Beethovenfestes. Doch hier gelang ihr nicht, was ihr in Weimar gelungen war: inhaltlichen Anspruch und Publikumswirksamkeit miteinander zu verbinden. Jedenfalls war ihr in Bonn weniger Erfolg beschieden, weshalb sie ihren Vertrag im vergangenen Jahr auch auslaufen ließ. Seither ist Nike Wagner wieder freischaffende Kulturintellektuelle. Aber auch ohne Festivalleitung wird man von ihr sicher noch so einiges hören – denn als Kulturhistorikerin von Renommee hat ihre Stimme nach wie vor Gewicht.

Sendung: "Leporello" am 09. Juni 2020 ab 16.05 Uhr in BR-KLASSIK

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