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Kritik - "Orpheus in der Unterwelt" Vollkommenes Operettenglück im Regensburger Velodrom
Jacques Offenbach verstand seine Operette "Orpheus in der Unterwelt" als Persiflage auf das Lotterleben der französischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Eine unkonventionelle Inszenierung gab es im Regensburger Velodrom - mit Zoten, Kalauern, Anspielungen und, nicht zuletzt, durchweg spielfreudigen Mitwirkenden.
Bildquelle: © Martin Sigmund
Premierenkritik von Peter Jungblut zum Anhören
Bei Jacques Offenbach wurden schon immer die wirklich wichtigen Fragen gestellt, zum Beispiel: Muss man denn gleich tot sein für ein Gläschen Rotwein? Nein, natürlich nicht, aber es hilft ungemein, denn in der Hölle gibt es keine Promillegrenze und keine Moralschranken. Pluto spart nicht am Champagner, Jupiter nicht an Anzüglichkeiten und Cupido nicht an haltlosen Kostümen. Kurz und gut: Dieser "Orpheus in der Unterwelt" gestern Abend im Regensburger Velodrom war ein herrlich gut gelaunter Operettenabend mit Schwung, Tempo und viel Wortwitz. Operette sollte nicht altbacken und bieder sein, sie geht mit der Zeit, ist im besten Sinne gegenwärtig, und deshalb ging die moderne Textfassung von Peter Lund auch völlig in Ordnung.
Zoten, Kalauer und Anspielungen
Oft kommt's ja nicht vor, dass eine Überarbeitung besser ist als das Original, häufig wirken Aktualisierungen nur peinlich oder unfreiwillig komisch. Peter Lund dagegen jongliert unbekümmert mit Zoten, Kalauern und Anspielungen, und wenn dann auch noch alle Mitwirkenden so spielfreudig sind wie in Regensburg, ist das Operettenglück vollkommen. Die Ausstatter Karl Fehringer und Judith Leikauf steuerten jede Menge satirische Bildideen bei: In der griechischen Antike reiht sich ein tempelartiges Reihenhaus an das andere, und selbstverständlich leisten sich Orpheus und Eurydike wie alle anderen eine Satellitenschüssel. Sie geht mit dem Nachbarn fremd, er belästigt seine Violinschülerinnen. Wäre da nicht die resolute, Handtaschen schwingende "Öffentliche Meinung", die beiden gingen längst getrennte Wege. So aber landen sie im Olymp bei den Göttern, wo das Aufregendste die goldenen Schlafmasken sind. Ansonsten herrscht unter den Unsterblichen gähnende Langeweile, bis der behörnte Pluto den Saal aufmischt und für Stimmung sorgt.
Höllen-Elvis im Dinnerjacket
Szenenbild "Orpheus in der Unterwelt" in Regensburg | Bildquelle: © Martin Sigmund
Regisseurin Nicole Claudia Weber zeigte das Ganze als rasante Revue, die vor allem von den aberwitzigen Kostümen und der Bühnenpräsenz der Darsteller lebt. Theodora Varga rockt als Eurydike Ober- und Unterwelt gleichermaßen, räkelt sich mal auf der Gartenliege, mal in der Badewanne, und bringt Jupiter an die Grenzen seiner Libido. Jedenfalls bittet er um eine Verschnaufpause. Seymur Karimov spielte ihn so gravitätisch wie gutmütig. Matthias Laferi als leicht verklemmter Violinlehrer Orpheus mit Hang zu sehr jungen Frauen war nun wirklich kein Sympathieträger, also genauso, wie ihn Offenbach im Sinn hatte, ging es dem doch um eine bitterböse Satire auf Ehen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Brent Damkier als Pluto war eine Art Höllen-Elvis im Dinnerjacket. Er hätte ruhig etwas impulsiver sein können, schließlich waren seine Furien und der Höllenhund wahrlich heißblütig. Schade, dass die Choreographie von Tamás Mester etwas einfallslos wirkte: Der Höllenritt fiel wenig mitreißend aus. Allerdings ist es auch nicht gerade leicht, den Cancan neu zu erfinden.
Mit Lokalkolorit
Nur wenige Regensburger dürften erkannt haben, dass die Unterwelt an die Inneneinrichtung eines stadtbekannten Hotels erinnerte, das in diesen Tagen 40. Jubiläum feiert. Auch das Foyer war eigens holzgetäfelt worden, um die Atmosphäre des gern von Künstlern frequentierten Hotels einzufangen. Orpheus mit Lokalkolorit sozusagen. Dirigent Tom Woods sah am Ende ganz elektrisiert aus, so engagiert hatte er das Orchester in verspätete Faschingslaune versetzt. Wenn das größte Lob für eine Operette der begeisterte Klatschmarsch ist, hat das Regensburger Theater Grund zur Freude. Und für alle anderen hält Pluto sicher eine abwechslungsreiche Sonderführung durchs Fegefeuer bereit.
Infos und Termine
Jacques Offenbach "Orpheus in der Unterwelt"
Operette im Regensburger Velodrom
Letzter Termin in dieser Saison:
25. Mai 2017
