"Ubi sunt mulieres – wo sind die Frauen?" fragt das Ensemble Contre le temps in ihrem Programm beim Musica Antiqua-Konzert in Nürnberg. Wir haben mit Ensemble-Mitglied und Mezzo-Sopranistin Julia Marty gesprochen.
Bildquelle: Johannes Galatsanos
Tafel-Confect Update
Ensemble Contre le temps
BR-KLASSIK: Was erwartet das Publikum im Konzert?
Julia Marty: In unserem Programm "Ubi sunt mulieres" machen wir uns auf die Suche nach Frauen, die im Mittelalter Musik gemacht haben, aber auch nach den Frauen, um die es in der Musik dieser Zeit geht. Da sind zum einen sehr meditative, introvertierte Stücke dabei aus den Klöstern, zum Beispiel von Hildegard von Bingen. Aber auch Liebeslieder, die das Lob einer idealen Dame singen. Und mit Hilfe all dieser so unterschiedlichen Stücken fragen wir uns: was war damals wohl das Bild, die Idee und wie war das Leben einer Frau?
BR-KLASSIK: Wie gehen Sie in Ihrer Interpretation mit dieser mittelalterlichen Musik um?
Julia Marty: Wir wollen authentisch sein, wenn wir diese Musik singen. Nun wissen wir aber ja nicht genau, wie sie gesungen wurde. Und wir leben nun mal nicht im Kloster. Es geht uns stattdessen darum, diese enge Verbindung untereinander zu finden, die Stimmen der anderen wirklich zu kennen und ihre Musikalität. Und so wollen wir in die Tiefe dieser Musik einsteigen und unsere moderne Art und Weise finden, sie zu singen.
BR-KLASSIK: Sie fragen in Ihrem Programm: "Wo sind die Frauen". Da drängt sich die Gegenfrage auf: haben Sie sie gefunden?
Julia Marty: Ja, wir haben welche gefunden! Und tatsächlich haben wir uns auch sehr mit ihnen identifiziert. Wenn Frauen im Mittelalter gesungen haben, dann war das oft im Kloster, Sie waren oft versteckt und nicht Teil der Gesellschaft. Man hat sie nicht gesehen. Das hat uns ein bisschen amüsiert [lacht], weil wir sehr hart gearbeitet haben und viel Zeit zu viert verbracht haben und das war auch ein bisschen wie im Kloster. Deshalb haben wir uns sehr verbunden gefühlt. Und dann ist es andererseits auch wieder so, dass alle Welt zu der Zeit über sie geredet hat, über Frauen und die Liebe zu Frauen. Vor allem in der weltlichen Musik. Aber das sind natürlich Idealbilder, die da besungen werden. Das sagt über die Realität nicht viel aus. Also fragen wir uns letztlich doch wieder: wo sind sie? Wer sind sie?
BR-KLASSIK: Wofür steht der Name "Contre le temps", was wörtlich so viel heißt wie "Gegen die Zeit"?
Julia Marty: Wir haben diesen Namen ausgesucht, weil es mehrere Chansons aus dem Mittelalter gibt, die so heißen. Aber aus unterschiedlichen Jahrhunderten: zwei Trouvèrelieder aus dem 13. Jahrhundert, noch zwei aus dem 14. und eins vom Ende des 14. Jahrhundert. Und alle beginnen mit "Contre le temps", gegen die Zeit. Das hat uns gut gefallen als Motto. Aber man kann auch alles Mögliche hineinlesen. Die Leute sind da immer sehr einfallsreich, wenn es drum geht, was dahintersteckt. Eigentlich war es gar keine große Philosophie. Aber wenn die Leute sich Sachen dazu ausdenken, dann ist das immer sehr bereichernd.
Sendung Tafel-Confect am 25.05.2025 ab 12:05 auf BR-KLASSIK