BR-KLASSIK

"Vollendet ist das große Werk" schmetterten mehr als 1.500 "cOHRwürmer" gegen die kreisrunde Wand des Circus-Krone-Baus in München. Mit Auszügen aus Joseph Haydns "Schöpfung" luden der Chor des Bayerischen Rundfunks und das Münchner Rundfunkorchester am 7. Juli Laienmusiker zum Mitsingen ein – und das schon zum fünften Mal. Der Selbstversuch von BR-KLASSIK-Reporterin Katharina Roeb bestätigt: Mitsingen lohnt sich!

Bildquelle: © Klaus Fleckenstein

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cOHRwürmer 2019 – eine Reportage

Für das cOHRwürmer-Konzert habe ich mir zwei Dinge angeschafft: die Übe-CD und die Partitur. Letztere lag unangetastet mal auf dem Küchentisch und mal auf einem Stapel – zusammen mit Unterlagen, die es noch zu bearbeiten gilt. Die CD hatte bessere Chancen, mir bei der Vorbereitung auf Haydns "Schöpfung" treue Dienste zu leisten. Denn einmal in den Player im Badezimmer eingelegt, startete ich bei der morgendlichen Routine mit "Und laut ertönt aus ihren Kehlen" in den Tag. Aber zugegeben – viel mehr habe ich mich nicht vorbereitet. So schwer kann das ja nicht sein. Immerhin habe ich viel Chor-Erfahrung, und bei über 1.500 Laiensängerinnen und -sängern fangen die gemeinsamen Proben sicher auf einem sehr niedrigen Niveau an. So dachte ich.

Acht Stunden und ein Meisterwerk

Howard Arman, Künstlerischer Leiter des BR-Chores | Bildquelle: © Klaus Fleckenstein Der Tag beginnt um 10:00 Uhr im Circus Krone Bau in München. Mit der unangetasteten Partitur, einem Bleistift und Minzbonbons ausgestattet, treffe ich schon vor den goldenen Eingangstüren auf Sängerinnen und Sänger, die (neben exzellenten Pausenbroten, die just verzehrt werden) vor allem eines mitgebracht haben: eine unbändige Leidenschaft und Motivation, gleich mit der ersten Probe zu beginnen. "Ich habe die Stücke bestimmt 30-40 Mal durchgesungen, damit ich die Melodie draufhabe, und dann kommt man ganz leicht 'rein" erzählt ein Mann aus der Bass-Stimmgruppe. Beeindruckt und auch ein bisschen eingeschüchtert ob meiner weniger fruchtbaren Vorbereitungsstrategie, betrete ich den zeltähnlichen Circus-Krone-Bau. Die kreisrunde Manege ist schon für das Orchester eingerichtet; direkt dahinter sind Plätze für den Chor des Bayerischen Rundfunks vorbereitet. Die Stimmgruppen sitzen, wie Kuchenstückchen angeordnet, im Zuschauerraum und füllen mit 1.500 Mitsingenden den Großteil der Plätze aus. "Wir sind mit unserem ganzen Chor da", erzählen die Frauen hinter mir im Alt, kurz bevor Dirigent Howard Arman die Probe beginnt. "Wer war schon mal dabei? Und wer ist mit seinem Chor hier?" fragt er gleich am Anfang mit Handzeichen ab. Die meisten melden sich – auch auf die Frage, wer mehr als 100 Kilometer auf sich genommen hat, um hier mitzusingen. Und sogar bei 600 Kilometern Anreiseweg melden sich noch einige.

Viele Menschen – großer Klang

Und dann: die ersten Takte. Mit eindrücklicher Klanggewalt und erstaunlicher Harmonie erklingt der wohl größte Projektchor Bayerns. Durch Armans Dirigat wird das Mitsingen zu einer ganz besonderen Erfahrung für alle Beteiligten. "Man hat nicht oft die Gelegenheit, mit so vielen Menschen zu singen. Und je mehr Menschen, desto mehr Klang und Farbe und Größe. Und gerade an den Forte-Stellen kann es dann richtig abgehen!", sagt eine Altistin, die mit dem Bayerischen Landesjugendchor die cOHRwürmer unterstützt – und gleichzeitig für mich während der Probe eine große Hilfe beim Töne finden darstellt.

Das Konzert in Bildern

Motivation bei Sängern und Publikum

Dass in diesem Jahr Auszüge aus Joseph Haydns "Schöpfung" auf dem Programm stehen, liegt an den engagierten Sängerinnen und Sängern, denn viele haben sich dieses Oratorium gewünscht. Alle Stücke, die größere Chorpartien enthalten, werden einstudiert – in einer Tutti-Probe auch zusammen mit den Solisten, dem BR-Chor und dem Münchner Rundfunkorchester. Nach insgesamt vier Stunden Probe (und inzwischen auch einer gewissen Sicherheit aus meiner "laut ertönenden Kehle"), kommt das Publikum – Bekannte und Verwandte der Mitwirkenden – in den Circus-Krone-Bau. Viel Platz gibt es nicht mehr, denn der Großteil ist zum Musizieren hier. "Mein Freund singt hier mit. Er hat jetzt schon den ganzen Tag geprobt, darum wollte ich heute Abend mal vorbeischauen und zuhören", erzählt eine Dame aus dem Publikum nach dem Konzert begeistert. Das nächste Mal werde sie auf jeden Fall in der Soprangruppe mitmachen, meint sie zum Schluss. Und ähnlich motiviert gehe auch ich nach Hause – mit einer vollgekritzelten Partitur und großer Lust, in zwei Jahren wieder dabei zu sein.

Sendung: "Allegro" am 08. Juli 2019 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK