BR-KLASSIK

Inhalt

Mittagsmusik - Thema der Woche Andrés Segovia

Der 125 Jahren geborene Spanier Andrés Segovia war ein Pionier der Konzertgitarre - er hatte großen Anteil daran, das Instrument auf den Bühnen der Konzerthäuser zu etablieren. Sein Wissen und seine Leidenschaft gab er an viele Schüler weiter, doch der Gitarrist John Williams hat trotzdem nicht nur gute Erinnerungen an seinen Lehrer.

Andrés Segovia | Bildquelle: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Netherlands

Bildquelle: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Netherlands

1924 debütiert Segovia in Paris, 1928 in New York; Fritz Kreisler und Pablo Casals haben ihm dort Zutritt verschafft. Besonders der Auftritt in Paris begründet Segovias Ruhm; im Publikum sitzen unter anderen Paul Dukas, Manuel de Falla und Albert Roussel. Segovia begeistert durch Farben und Nuancen, die man der Gitarre nicht zugetraut hat. Er adelt das zuvor als Volks- und Salonmusik-Accessoire verschriene Instrument – und wird selbst zum überragenden Gitarristen des 20. Jahrhunderts.
Das liegt nicht nur an seiner regen Tourneetätigkeit: Über 5.400 Konzerte gibt er zeit seines Lebens: in den USA, Russland, Südamerika, Asien und natürlich Europa. Oder an seiner großen Diskografie, seinen Auftritten bei Radio- und Fernsehübertragungen. Segovia prägt die Gitarre des 20. Jahrhunderts in allen Bereichen.

Vom heimlichen Autodidakten zum Bach-Interpreten

Dabei hat seine Familie zunächst anderes mit ihm vor. 1893 wird er in Linares, einem andalusischen Bergbaustädtchen geboren und wächst bei seinem Onkel auf, der mit ihm nach Granada zieht. Der Junge soll Jurist werden, wie sein Vater, doch Segovia spielt lieber Gitarre, übt heimlich, ohne Lehrer, und sucht emsig nach Noten klassischer Komponisten.
Als Teenager gibt Segovia seine ersten Konzerte, und schon bald gibt er sich nicht mehr mit dem vorhandenen Repertoire für Gitarre zufrieden. Der Blick über den Tellerrand der klassischen Musik liegt ihm dabei fern. Alles, was nach populärer Musik riecht, ist ihm zuwider – auch, wenn er aus der Heimat des Flamenco kommt, und über den Flamenco als kleiner Junge die Gitarre kennengelernt hat.

Doch als Musiker will er sein Instrument aus der Volksmusikecke befreien. Bach liebt er dafür umso mehr. Segovia ist der erste, der das Lautenrepertoire für Gitarre umschreibt. Schon bei seinen ersten großen Auftritten präsentiert der Autodidakt seine eigenen Bach-Bearbeitungen. Dabei macht er auch vor den Kronjuwelen des Cello- und Violinrepertoires nicht halt, sodass klassische Geiger die Nase rümpfen, als er 1935 in Paris Bachs berühmte Chaconne mit der Gitarre aufführt. Die Kritik aber jubelt.
Segovia fängt an, Noten herauszugeben: Beim Verlagshaus Schott in Mainz veröffentlicht er ab 1926 die "Edition A. Segovia". Noch heute profitieren die Gitarrenstudenten von der Menge an Literatur, die er für Gitarre eingerichtet hat.

Konservativer Widmungsträger

Auch zeitgenössische Komponisten inspiriert Segovia zu neuen Werken: Heitor Villa-Lobos und Mario Castelnuovo-Tedesco schreiben für Gitarre, nachdem sie den etwas behäbig wirkenden Herrn mit der dicken Hornbrille auf der Bühne erlebt haben, und Joaquín Rodrigo widmet Segovia seine "Fantasía para un Gentilhombre".
Freilich: Mit der Avantgarde hat der erzkonservative Segovia nichts am Hut. Selbst ihm gewidmete Werke von gemäßigt modernen Komponisten wie Frank Martin oder Darius Milhaud lässt er links liegen.

Der Gitarren-Tüftler

Der spanische Gitarrist Andres Segovia (1893-1987) bei einem Auftritt am 18.02.1977 in der Avery Fisher Hall in New York wenige Tage vor seinem 84. Geburtstag. | Bildquelle: picture alliance / UPI Der Gitarrist Andres Segovia bei einem Auftritt am 18.02.1977 in der Avery Fisher Hall in New York wenige Tage vor seinem 84. Geburtstag. | Bildquelle: picture alliance / UPI Die klassische Gitarre hat es nicht umsonst schwer auf dem Konzertpodium: Sie ist schlichtweg zu leise. Segovia perfektioniert seine Spieltechnik - auch, um noch mehr Volumen zu erzeugen. Außerdem lässt er sich von einem Chemiefaser-Hersteller die heute gängigen Nylonseiten entwickeln.
Ebenso drängt er Gitarrenbauer zu Neuerungen: Zusammen mit dem Münchner Firma Hauser Gitarren tüftelt er über Jahre hinweg am Prototyp der heutigen Konzertgitarre, lässt sich bis zu zweimal jährlich ein neues Instrument schicken, bis 1937 endlich eines seinen Anforderungen genügt. Diese Hauser-Gitarre – die "großartigste Gitarre unserer Zeit", wie Segovia sie nannte – ist von da an seine ständige Begleiterin. Bis 1962 ein Aufnahmemikrofon auf sie stürzt. Danach ist ihr Klang nicht mehr der alte. Heute lagert das gute Stück im Metropolitan Museum of Art in New York.

Kritik von John Williams: Vorbild oder Snob?

Wie so viele übergroße Musikergestalten polarisiert auch Segovia. In unzähligen Meisterkursen weltweit gibt er seinen Stil weiter, doch das harte Urteil seines ehemaligen Schülers John Williams lautet: Segovia habe bei seinen Schülern jegliche eigene musikalische Persönlichkeit unterdrückt. Und er sei ein Snob gewesen.
Nichtsdestotrotz suchen viele Gitarristen seine Nähe, rühmen sich, bei ihm studiert zu haben. Der Beatle George Harrison nennt ihn den "Vater von uns allen". Und viele seiner tatsächlichen Schüler werden später selbst sehr erfolgreich: Sei es der genannte John Williams, der Lautenist Julian Bream oder der Jazz-Gitarrist Charlie Byrd.
Als Interpret ist Segovia bis heute unangefochten. Viele seiner rund 50 Aufnahmen sind digital remastered neu veröffentlicht worden. Als einer der ganz großen Stars der Klassik-Szene hat er auch seinen eigenen echten Stern bekommen: Der 1988 entdeckte Asteroid "3822 Segovia" trägt seinen Namen. Tsutomu Seki, der Entdecker des Himmelskörpers, hatte den Gitarristen rund drei Jahrzehnte zuvor bei einem Konzert in Japan gehört.

Zum 125. Geburtstag am 20. Februar - Andrés Segovia als Thema in der Sendung "Mittagsmusik"

Montag: Segovia der Erneuerer
Dienstag: Segovia als Bach-Interpret
Mittwoch: Segovia als Widmungsträger
Donnerstag: Segovia als Komponist
Freitag: Segovias Schüler

    AV-Player