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50 Jahre Jazzwoche Burghausen Grosser Bahnhof an der Endstation

"Nie wieder Burghausen!" dachte sich Saxophonist und Jazzpädagoge Joe Viera bei seinem ersten Besuch in der Stadt an der Salzach. Nun feiert die Internationale Jazzwoche Burghausen, die er gemeinsam mit Helmut Viertl gegründet hat, ihr halbes Jahrhundert. Das Portrait eines Festivals, das Jazzgeschichte geschrieben hat.

Trompeter Chet Baker 1979 bei der Jazzwoche Burghausen | Bildquelle: Gerhard Hübner

Bildquelle: Gerhard Hübner

Legendäres Festival

50 Jahre Jazzwoche in Burghausen

Burghausen an der Salzach liegt ganz am Südost-Rand von Bayern, dahinter beginnt Österreich. Mit dem Auto fährt man durch lange Waldstücke und an riesigen Industrieanlagen vorbei. Dieser Ort scheint ziemlich weit ab vom Schuss zu liegen.
Die Bahnstrecke nach Burghausen ist teilweise eingleisig und sie endet dort.
"Die Endstation von Bayern", so hat Helmut Viertl, jazzbegeisterter Gerichtsvollzieher, diesen Ort einmal genannt. An diesem Bahnhof am Ende von Bayern kam es im Oktober 1969 zu einem richtungsweisenden Gespräch zwischen Viertl und dem Münchner Saxophonisten und Jazzpädagogen Joe Viera. Als Viera dann nach ungefähr zwei Stunden in den Zug nach München stieg und aus der offenen Tür hinausrief "ich mach mit", war der Grundstein gelegt für die Internationale Jazzwoche Burghausen.

Da geht gar nichts, das ist ein furchtbares Nest.
Helmut Viertl

Wenige Jahre vorher sah es noch nicht danach aus, dass Burghausen eine Bayerische Jazzhauptstadt werden sollte.
Kulturelles Ödland fand Helmut Viertl vor, als er Anfang der sechziger Jahre von Neuburg an der Donau nach Burghausen versetzt wurde. Ein sogenanntes "Jazzkonzert" von der Showband des Saxophonisten Ambros Seelos brachte Viertl so auf die Palme, dass er am Tag danach in seiner Bank laut drauflosschimpfte. Zwei Schalter weiter stand der verantwortliche Kulturreferent. Man kam ins Gespräch und Viertl bot seine Hilfe in Sachen Jazz an. Ein "birdland jazzclub burghausen" wurde gegründet, das hatte Viertl übrigens vorher auch schon in Neuburg gemacht. Der dortige "Birdland Jazzclub" existiert immer noch und zählt zu den Spitzenspielstätten Deutschlands.

Startschwierigkeiten

Saxophonist und Festivalgründer Joe Viera auf der Bühne in Burghausen | Bildquelle: Joe Viera Saxophonist und Festivalgründer Joe Viera auf der Bühne in Burghausen | Bildquelle: Joe Viera Zurück an die Salzach: Gleichgesinnte fanden zusammen und man organisierte Konzerte und Vorträge. So einen Vortrag zum Thema "Jazz im Film" hielt Joe Viera im Oktober 1969. Aber einiges ging schief: Der Filmprojektor funktionierte nicht, es waren nur sieben Leute da und Viera wurde am nächsten Tag auch noch vom Wirt seines Hotels in eine Telefonzelle gesperrt. Der Wirt vermutete, Viera wolle die Zeche prellen – der Saxophonist hatte nicht genug Bargeld dabei. Helmut Viertl kam, bezahlte das Hotel und brachte Viera zum Bahnhof. Jenes verhängnisvolle Gespräch fand statt und schon fünf Monate später gab es die erste Ausgabe der Jazzwoche Burghausen.

Stars aus dem Jazzhimmel

In den ersten Jahren trat Joe Viera selbst auch immer wieder mit seinen Ensembles auf, er hielt Vorträge und es gab Diskussionsrunden. Die "Interessensgemeinschaft Jazz Burghausen" wurde gegründet und ist seither Veranstalter der Jazzwoche. Das schlanke Budget von 5000 D-Mark zur ersten Jazzwoche vervielfachte sich schon bis zur sechsten Ausgabe, auch Dank der Unterstützung der Stadt Burghausen. 1975 griff Burghausen dann nach dem Jazzhimmel: mit der Sängerin Ella Fitzgerald, dem Pianisten Oscar Peterson, dem Gitarristen Joe Pass sowie dem Count Basie Orchestra traten in Burghausen die Stars auf und die Stadt an der Salzach machte sich als Jazz-Mekka einen Namen. Aber auch durch die BR-Sendungen der Reihe "Jazz auf Reisen" erlangte Burghauser Jazz große Verbreitung. Der BR-Hörfunk begleitet die Burghauser Jazzwoche kontinuierlich seit dem ersten Festival.

Immer war und ist den Burghauser Veranstaltern die Vielfalt des Jazz wichtig. Der künstlerische Leiter Joe Viera betont immer wieder, der Jazz beginne nicht 1940, er beginne um 1900. Das schlägt sich auch im Programm nieder: New Orleans Jazz, Free Jazz, Rock Jazz, Blues, Latin Jazz, Big Bands aus aller Welt. In Burghausen dürfen die Blue Notes immer schon so bunt wie möglich sein.

Wanted: Chet Baker

Einige Gastspiele in den letzten 50 Jahren wurden richtig legendär, das von Chet Baker 1976 etwa. Es fand nämlich gar nicht statt.
Eigentlich war Tenorsaxophonist Dexter Gordon in Burghausen angekündigt, sein Konzert wurde aber krankheitsbedingt abgesagt und Trompeter Chet Baker, ein ebenso großer Star der Zeit, sollte am 21. März 1976 mit seiner Band einspringen. Das Management hatte aber verschwiegen, dass gegen Baker ein Haftbefehl in Deutschland wegen zurückliegender Drogendelikte vorlag. Als Baker nun in Burghausen ankam wurde er von Oberbayerischen Polizeibeamten verhaftet und musste die Nacht in einer Arrestzelle verbringen. Das brachte Burghausen ein riesiges außermusikalisches Medienecho ein. Eine Zeitung schrieb: "In der Stadthalle von Burghausen warten 600 Menschen. Sie haben Konzertkarten. Vor der Stadthalle warten zwei Kriminalbeamte. Sie haben einen Haftbefehl. Und beide warten auf Chet Baker.“

Der Trompeter Baker musste daraufhin die Bundesrepublik verlassen. Aber er kam wieder nach Burghausen, 1979 und 1981, und beide Gastspiele waren große Erfolge. Und auch Saxophonist Dexter Gordon schaffte es schließlich an die Salzach, am 16. März 1980 spielte er in Burghausen.
Er hinterließ bei vielen Konzertbesuchern einen bleibenden Eindruck, auch bei Burghausens späterem Bürgermeister Hans Steindl. Als 30-jähriger war er unter den Zuschauern und das Spiel Dexter Gordons veränderte auf gewisse Weise sein Leben: Steindl kaufte sich nach dem Konzert ein Tenorsaxophon und begann, das Instrument zu lernen.

Jazz-Geschichte und Jazz-Geschichten in Burghausen

Kontrabassist Ray Brown 1996 bei der Internationalen Jazzwoche Burghausen | Bildquelle: Rudolf Hetzmannseder Kontrabassist Ray Brown 1996 bei der Internationalen Jazzwoche Burghausen | Bildquelle: Rudolf Hetzmannseder Unzählige dieser Anekdoten gibt es über die Jazzwoche Burghausen: Die über Trompeter Dizzy Gillespie, der im Jazzkeller Gläser spülte und Bier verkaufte. Oder die über Schlagzeuger Duffy Jackson, der auf einmal oben ohne im Jazzkeller an den Trommeln saß – ihm war es zu heiß geworden. Oder die über Gesangsdiva Cassandra Wilson, die sich weigerte, den Konzertvertrag zu unterschreiben und auf Kosten der Veranstalter enge "Lederhosen" in Burghausen shoppte. Oder die über Nigel Kennedy, der dem Jazzkellerwirt eine Schnapsflasche vor die Füße warf, aus Wut, weil er nichts mehr zu trinken bekam.

Burghausen, you give me loving all of the time.
Jamie Cullum, 2014

Aber nicht nur abseits, auch auf der Bühne gab es viel zu erleben: Nina Simone verhexte ihr Publikum 1991 so sehr, dass einige Besucher am Ende des Konzerts sogar auf der Bühne um das Klavier herum tanzten. Das Quartett mit Vibraphonist Milt Jackson, Pianist Monty Alexander, Bassist Ray Brown und Schlagzeuger Mickey Roker riss das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hin. Zwischen den Stücken gab es immer rund zwei Minuten tosenden Applaus. Tenorsaxophonist George Adams und Pianist Don Pullen spielten 1983 eine so ekstatische Musik, dass sie für den künstlerischen Leiter Joe Viera immer noch zu den Sternstunden in der Jazzwochen-Geschichte gehört.

Aber auch in jüngerer Zeit gab es unvergessliche Erlebnisse: Jamie Cullum, der englische Entertainer, stimmte 2014 nach rund zwei Stunden Konzert eine Improvisation auf Burghausen an, in der er sang: "Burghausen, you give me loving all of the time. Burghausen, you know how to show a musician a really great time." Burghausen, du weißt wie Du einem Musiker eine gute Zeit bereiten kannst und das schon seit 50 Jahren.

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Dienstag, 26.März, 21:05 Uhr

Ingeborg Funke-Stahl

Jazz Burghausen

Endlich wieder!!!
Ein Termin, der schon seit Wochen in meinem Terminkalender notiert ist. Ich freue mich riesig auf die nächsten Tage und wünsche allen - Interpreden und Veranstaltern - einen riesigen Erfolg.

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