BR-KLASSIK

Inhalt

Die Sängerin Dee Dee Bridgewater wird 70 Powerhouse des Jazz

Ihre Bühnenpräsenz ist mitreißend, ihr Gesang herausragend. Die pure Lust am Musikmachen verleiht Dee Dee Bridgewater Energie für zehn - und die steckt in jedem Ton, den dieses "Powerhouse" des Jazz abfeuert, ob in gefühlvollen Balladen, souligen Songs oder wilden Bebop-Scats. Am 27. Mai feiert sie heuer ihren 70. Geburtstag.

Dee Dee Bridgewater by Michel Viala-dpa | Bildquelle: Michel Viala-dpa

Bildquelle: Michel Viala-dpa

Geboren ist Dee Dee Bridgewater am 27. Mai vor 70 Jahren in Memphis, Tennessee, und aufgewachsen in Flint, Michigan, einer Arbeiterstadt. Dort habe sie gelernt, dass man hart arbeiten muss, wenn man etwas erreichen möchte im Leben, erzählt sie in einem ihrer regelmäßigen Facebook Posts.

Für die Nachbarschaft gibt es derzeit Verandakonzerte

Dem Jazz hat sich Bridgewater als Teenager verschrieben. Mit 19 Jahren durfte sie schon eine Tournee nach Russland mitmachen und seither umrundete sie konzertierend die Welt – bis der Lockdown kam und auch sie zwang, zuhause zu bleiben. Aber auch in der Pandemie-Krisenzeit lässt sich Dee Dee Bridgewater, dieses "Powerhouse" des Jazz, nicht unterkriegen. Ihrer ältesten Tochter Tulani berichtet sie auf Facebook, dass sie montags immer Verandakonzerte gibt für die Nachbarschaft in ihrer derzeitigen Wahlheimat New Orleans, Online-Gitarrenstunden nehmen will bei Pat Metheny oder John Scofield – beide haben sich schon als Lehrer angeboten –, und dass sie diesen Geburtstag in ungewohnter Zurückgezogenheit als Aufforderung dazu begreift, weiter hart und lustvoll der Musik zu dienen, kreativ zu sein und andere damit bestens zu unterhalten.

Ein Schallplattendebüt ohne Haare

Denise Eileen Garrett ist ihr Geburtsname. Und sie ist als Tochter eines Lehrers und Trompeters und einer sie immer bestärkenden Mutter, zu der sie ein Leben lang ein ganz enges Verhältnis hatte, aufgewachsen. Als Teenager singt sie Soul und Jazz, lernt mit zwanzig ihren ersten Ehemann, den Trompeter Cecil Bridgewater, kennen. Mit ihm geht sie nach New York, wo er von Pianist Horace Silver engagiert wird und sie als feste Sänger in der Big Band von Thad Jones und Mel Lewis landet. 1974 bringt Dee Dee Bridgewater ihr erstes Soloalbum heraus. Es heißt "Afro Blue" und auf dem Cover trägt sie ihr Haupt kahl – so wie auch in den vergangenen zehn Jahren. Damals wie heute will sie nicht über eine Frisur definiert werden. Und schön ist sie auch ohne Haare auf dem Kopf.

Auch am Broadway reüssiert Dee Dee Bridgewater Mitte der 70er Jahre und erhält für ihre Rolle als Glinda im Musical "The Wiz" einen Tony Award. Ihre Jazz Credibility baut sie in gemeinsamen Auftritten mit Sonny Rollins, Dexter Gordon und Dizzy Gillespie auf. Ihrer Soul-Seite frönt sie in der Zusammenarbeit mit Ray Charles, der sie dann auch sehr darin unterstützt, ihre Karriere in Europa auszubauen.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Dee Dee Bridgewater - Midnight Sun (Jazzwoche Burghausen 1998) | Bildquelle: Live Performance Favorites (via YouTube)

Dee Dee Bridgewater - Midnight Sun (Jazzwoche Burghausen 1998)

In Frankreich eine Ikone

Mitte der 80er Jahre geht Dee Dee Bridgewater nach Paris, wo sie 15 Jahre lang leben und große Erfolge feiern wird. Nach ihrer zweiten Ehe mit Regisseur Gilbert Moses, dem Vater ihrer Tochter China, die inzwischen auch eine bekannte Sängerin ist, hat sie dort ihren dritten Mann Jean-Marie Durand geheiratet und ihren Sohn Gabriel bekommen. Neben ihren Engagements als Sängerin betreibt sie auch eine eigene Radio- und Fernsehshow; prestigeträchtige Musikpreise wie der "Victoire de la Musique" und der "Django d´Or" wurden ihr verliehen, die Ehrenmedaille "Officier des Arts et des Lettres" und der nationale Verdienstorden. Einige ihrer besten Alben hat sie während dieser Zeit eingespielt. 1986 ein Live-Album aus dem Club "New Morning" und 1994 das Album "Love and Peace" zu Ehren von Jazzlegende Horace Silver. Zehn Jahre später verlieh sie ihrer Verbundenheit mit Frankreich auch noch mit dem Album "J'ai deux amours" Ausdruck, auf dem sie die meisten Stücke in französischer Sprache singt.

Live ein Erlebnis

Sängerin Dee Dee Bridgewater in den 80er Jahren | Bildquelle: picture-alliance/dpa Sängerin Dee Dee Bridgewater in den 80er Jahren | Bildquelle: picture-alliance/dpa Dee Dee Bridgewater möchte am liebsten als Musikerin, die singt, bezeichnet werden. Gleichzeitig ist sie eine hervorragende Darstellerin, die immer wieder an Musiktheaterproduktionen mitgewirkt hat. Sie ist eine mitreißende Bühnenpersönlichkeit mit ungeheurem Temperament, das sie ganz in Dienst wohl durchdachter Konzertdramaturgien stellt. Ihre wilden Silbensalven und Bläserimitationen beim Improvisieren, ihr Witz, aber auch ihr unwahrscheinliches Einfühlungsvermögen in ganz ruhigen Stücken machen ihre Auftritte zum Erlebnis. Einige davon sind auf CDs verewigt, wie etwa ein Clubdate im Jazzclub "Yoshi's" in Oakland, wo sie vor jauchzender Menge nicht nur zeitlose Jazzklassiker interpretierte, sondern auch eine umwerfende Version des testosterongesteuerten James-Brown-Hits "Sex Machine" lieferte. Ein Jahr zuvor war ihr Studioalbum "Dear Ella" erschienen, mit dem sie einen ihrer drei Grammys gewann. Nach Ella Fitzgerald widmete sie auch Billie Holiday ein Album: "Eleanora Fagan (1915-1959): To Billie With Love From Dee Dee" und wurde auch hierfür mit einem Grammy belohnt.

Dee Dee Bridgewater im "Motherland"

Da Dee Dee Bridgewater nicht selbst komponiert, hat sie lange Zeit in erster Linie Jazzklassiker interpretiert. Aber in den letzten zehn Jahren hat sich das ein bisschen geändert. Ihr aktuellstes Album etwa hat sie der Soul- und Rhythm&Blues-Tradition ihrer Geburtsstadt Memphis gewidmet. Doch der bedeutendste, stilistische Solitär in ihrer Laufbahn ist  ihr 2007 erschienenes Album "Red Earth – a Malian Journey". Auf der Suche nach ihren afrikanischen Wurzeln hatte sie sich nach Bamako begeben, der Hauptstadt von Mali. In dieser sich damals noch in friedlicheren Zeiten befindlichen Musikmetropole ging sie mit einer ganzen Reihe von westafrikanischen Stars ins Studio – darunter auch Sängerin Mamani Keita und Talking Drums Spieler Baba Sissoko. In dem Dokumentarfilm "Motherland" wird die Geschichte dieser besonderen Produktion erzählt. 2015 tat sich Dee Dee Bridgewater dann für ihr Album "Dee Dee's Feathers" mit Irvin Mayfield zusammen, einem jungen virtuosen Trompeter, der das New Orleans Jazz Orchestra leitet. Mit ihrer gemeinsamen Produktion wollte sie sich am ideellen Wiederbau der auch zehn Jahre nach Hurrikan "Katrina" in schlechtem Zustand befindlichen Stadt beteiligen. Besonders unter den afro-amerikanischen BürgerInnen hatten viele alles verloren und "The Big Easy" verlassen, weil ganze Sozialbauviertel nicht mehr aufgebaut wurden. Neben Klassikern aus dem Repertoire berühmter Kinder der Stadt – wie etwa von Louis Armstrong – interpretiert sie mit unwahrscheinlicher Energie und Expressivität auf dem Album auch Songs neueren Datums, etwa von Dr. John und John Boutté.

New Orleans ist inzwischen zu ihrer neuen Wahlheimat geworden. Dort feiert sie am 27. Mai ihren siebzigsten Geburtstag. Die große Familien- und Freundesfeier muss, der Covid19-Pandemie geschuldet, zwar verschoben werden, aber wird doch hoffentlich – wie auch ihre abgesagten Konzerte – in absehbarer Zeit nachgeholt werden können. Zuversicht und kreativen Tatendrang verströmt die Musikerin in ihren Facebook-Posts, in denen sie übrigens auch ganz offen über den Verlauf und die Behandlung ihrer langjährigen, klinischen Depression spricht. Ein nahbarer Jazzstar voller Tatendrang und Sendungsbewusstsein, mit Therapie-Hündchen auf dem Schoß und dem dringenden Rat an alle, dass man in Krisen zusammenhalten müsse. Das ist Dee Dee Bridgewater – eine große Sängerin und eine beeindruckende Persönlichkeit.

Dee Dee Bridgewater auf BR-KLASSIK

Classic Sounds in Jazz am 27. Mai 2020
Cool – Fein – Ekstatisch
Lässige Blue Notes, zarte Zwischentöne und swingende Power von den Geburtstagskindern Pianist Ramsey Lewis, Saxophonist Hayden Chisholm und Sängerin Dee Dee Bridgewater
Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer

Jazztime am 27.Mai 2020
Jazz aus Nürnberg
Dee Dee Bridgewater, das "Powerhouse" des Jazz wird 70
Eine Erfolgsgeschichte in Musik mit Aufnahmen aus vier Jahrzehnten
Moderation und Auswahl: Beate Sampson

    AV-Player