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Konzertkritik - Avishai Cohen in Augsburg Glanz im Glashaus

Das Quartett des israelischen Trompeters Avishai Cohen ist eine Band mit feinsten Sensoren für Stimmungen, Klänge und intensive Spannung. Ihr Gastspiel in Augsburg am 10. August war eine Sternstunde und beschließt die Konzerte des 24. Internationalen Jazzsommers im Botanischen Garten.

Trompeter Avishai Cohen | Bildquelle: Caterina di Perri/ECM Records

Bildquelle: Caterina di Perri/ECM Records

Die Vögel zwitschern im Botanischen Garten in Augsburg. Es ist Sommer, aber die Luft ist herbstlich kalt. So führt der Weg der rund 400 Zuhörer nicht zum Rosenpavillon, direkt neben dem Teich mitten im Botanischen Garten, sondern sie biegen gleich rechts ab - ins Glashaus. Konventionell bestuhlt, dicht an dicht, nicht unbedingt atmosphärisch, eher dampfig und zweckmäßig. Was dann aber an Musik von der Bühne kommt, lässt im Glashaus die schönsten, phantasievollsten, dichtesten, aber auch luftigsten Farben entstehen.

Am Anfang und am Ende: Avishai Cohen

Trompeter Avishai Cohen | Bildquelle: Caterina di Perri/ECM Records Bildquelle: Caterina di Perri/ECM Records Avishai Cohen, Trompeter, in Tel Aviv geboren, in New York zuhause, zurzeit vielleicht der wichtigste Vertreter dieses Instruments weltweit, beschloss mit seiner Band die Konzerte des 24. Internationalen Jazzsommers Augsburg im Botanischen Garten. Kleine Randnotiz: Das Festival wurde vor rund einem Monat, am 13. Juli von einem Musiker mit demselben Namen eröffnet. Avishai Cohen, diesen Namen trägt auch ein herausragender israelischer Kontrabassist. Er trat mit seinem Trio beim Jazzsommer auf. Nun aber zum Trompeter. Er ist ein Musikant, brustlanger Bart, tätowierte Arme: Einer, mit einem erzählenden Ton, der die Kunst der unendlichen Melodie beherrscht. Einer, der erhaben ist über jegliche Instrumentaltechnik. Einer, der glanzvoll spielt ohne glänzen zu wollen.

Mit seiner atemberaubenden Band zeigt er seine ganze Bandbreite: Er swingt unwiderstehlich bei Frank Fosters "Shiny Stockings" zu Beginn und bei Thelonious Monks "Hackensack" oder beim Standard "April in Paris". Seine aktuellen Eigenkompositionen, zu hören auf der CD "Into the silence", spannen einen großen Bogen. Was leise und luftig beginnt, kann dicht und wuchtig enden. Dynamisch äußerst vielfältig, hat fast jedes Stück zwei Teile. Aus frei-pulsierendem Suchen, hier erinnert die Band immer wieder an das legendäre Coltrane-Quartett, destilliert sich ein handfester Groove heraus. Flächig-dichte Klanggirlanden werden zart übergeführt in witzig getupfte Melodieschnipsel. Hier gibt es keine konventionellen Abläufe, nichts, was einen einlullt und bekannten Formen folgt. Bestes Beispiel: Das Eröffnungsstück des 2. Sets "Dream like a child". Nach einer vielleicht 30-sekündigen Trompetenmelodie folgt eine Triopassage von Klavier, Bass und Schlagzeug. Kein Solo eines einzelnen, im Rubato gleiten die drei von Harmonie zu Harmonie, fast 10 Minuten lang, dann erst steigt der Bandleader wieder ein - Musik von höchster Spannung und großer Ideenfreiheit.

Avishai Cohen’s Band der Extraklasse

Der israelische Bassist Barak Mori, äußerst intonationssicher, gibt der Grundschicht in Cohens Musik, den Vamps, mit seinen holzig-runden Tönen eine feste Basis. Der New Yorker Schlagzeuger Nasheet Waits lehnt sich an Elvin Jones' kraftvolles Beckenspiel an, legt engverwobene Klangteppiche, über denen Cohens Trompete schwerelos fliegen kann, oder gibt dem Solisten durch seine Wirbel den nötigen Rückenwind.

Leiser Star der Band aber ist der israelische, in Paris lebende Pianist Yonathan Avishai. Sein Spiel ist durchweg unkonventionell. Er beherrscht die Kunst der Überraschung perfekt. Manchmal scheinen seine Töne wie eine Collage aus Phrasen-Destillaten. Da gibt es typische Latin-Figuren, Ragtime-Anklänge, bluesige Akkorde und immer wieder Farben der nahöstlichen Musik. All das verwendet Avishai mit Fingerspitzengefühl, Gespür für das Subtile und viel Humor. Er ist ein Count Basie des 21. Jahrhunderts, was sein Feingefühl für Reduktion betrifft. Gut, Besser, Pause, könnte sein Motto lauten. Bevor er irgendwas spielt, spielt er lieber nichts. In solistischen Überleitungen erinnern seine Tonfolgen an einen genial-stotternden Poeten. Seine Zeit als Geheimtipp ist sicher bald vorbei. Er ist, wie sein Bandleader, einer der interessantesten Musiker des heutigen Jazz.

Begeisterung im Glashaus

Völlig hingerissen war das Publikum im Glashaus dann bei den beiden Zugaben: Einem wunderbar-federndem "April in Paris" und Avishai Cohen’s Ohrwurm "Nature’s Dance". Hier juckte sogar dem ein oder anderen das Tanzbein. Mit ihrem Auftritt in Augsburg sorgten Avishai Cohen und seine Mitmusiker für einen würdigen Abschluss des Jazzsommers 2016 im Botanischen Garten. Schöner als mit Standig Ovation für ein grandioses Konzert kann so ein Festival nicht enden.

Letzes Konzert des 24. Augsburger Jazzsommers:

Am Sonntag, den 14. August, beschließen ab 11.00 Uhr im Zeughaus "Peter Bühr and his Flat Foot Stompers" den Jazzsommer für dieses Jahr dann endgültig mit einem swingenden Frühschoppen.

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