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10 Jahre BMW Welt Jazz Award in München "Jazz moves" – Im grandiosen Finale

Ein Klaviertrio spielt Techno und ein Streicherduo rockt das Haus. Alles ohne Elektronik: Die Sounds und Effekte sind akustisch bei LBT aus München und BartolomeyBittmann aus Wien. Ihre unorthodoxen Auslegungen des Mottos "Jazz moves" begeisterten im Finale des Wettbewerbs am 9. Juni. Gewonnen hat die junge bayerische Band.

LBT beim Finale des BMW Welt Jazz Award 2018 | Bildquelle: Ralf Dombrowski

Bildquelle: Ralf Dombrowski

LBT mit Pianist Leo Betzl, Bassist Maximilian Hirning und Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber hatte am 18. Februar die Auftaktmatinee in der Jubiläumsausgabe des Wettbewerbs gespielt. Dieser funktioniert zunächst wie eine Konzertreihe. An sechs Sonntagvormittagen stellen sich die teilnehmenden Bands im Doppelkegel der BMW Welt mit ihren aktuellen Programmen vor. In diesem Jahr waren es sehr groove-betonte Formationen, denn das Motto "Jazz moves" spielt darauf an, dass der Jazz in seinen Anfängen absolut tanzbar war. Ragtime, Jitterbug, Jive und Swing waren ein lebensfrohes Vergnügen, geboren in der afro-amerikanischen Community. Immer weiter bewegt hat sich der Jazz seitdem in der Ausformung seiner verschiedenen Stile, und so war es kein Wunder, dass die teilnehmenden Bands das Thema auf ganz unterschiedliche Weise durchdeklinierten.

Klangzarte Tangos

Sehr jazzig waren dabei die Ansätze des finnischen Trompeters Jukka Eskola und des deutschen Hammond B3-Organisten Andi Kissenbeck. Der Sound der 60er Jahre, speziell der des Soul-Duos von Trompeter Clark Terry und Organistin Shirley Scott, dient Jukka Eskola als Blaupause für sein Trio. Der im selben Jahrzehnt in Spanish Harlem kreierte Tanzstil Boogaloo beflügelt Andi Kissenbeck zu seinen groovenden Kompositionen. Weiter entfernt vom Jazzidiom bewegte sich das Schweizer Trio Puerta Sur mit seiner argentinischen Sängerin Marcela Arrojo mit ebenso klangzarten wie eindringlich interpretierten Tangos und ein lupenreines Soulkonzert gab die norwegische Sängerin Beate S. Lech mit ihrer Band Beady Belle.

Poesie und archaische Wucht

BartolomeyBittmann beim Finale des BMW Welt Jazz Award 2018 | Bildquelle: Ralf Dombrowski BartolomeyBittmann beim Finale des BMW Welt Jazz Award 2018 | Bildquelle: Ralf Dombrowski Bei der letzten Matinee am 22. April zeigte dann das Duo BartolemeyBittmann aus Wien, wie viel Jazz im Programm eines Streicherduos stecken kann.  Mit Cello, Geige und Mandola hoben Matthias Bartolomey und Klemens Bittmann auf das Thema "Jazz moves" ab, indem sie schlicht grenzenlose Musik machten, befeuert von einer befreiten Virtuosität. Die Grooves ein wahres Rhythmuskaleidoskop vom Jig bis zum rockigen Beat, die vielfarbigen Sounds konsequent akustisch - durch reine Spieltechnik geschaffen, die Klangsprache, die auch Gesang beinhaltet, von zartester Poesie bis zu archaischer Wucht reichend. Dazu wunderbar swingende und harmonisch überraschende Geigensoli in der Tradition eines Didier Lockwood. Ein spannender Abschluss der Auswahlphase des Wettbewerbs war das, hingerissen und begeistert das Publikum, überzeugt auch die Jury, die das Duo zusammen mit LBT ins Finale wählte.

Techno - aber akustisch

LBT beim BMW Welt Jazz Award | Bildquelle: Ralf Dombrowski LBT beim BMW Welt Jazz Award | Bildquelle: Ralf Dombrowski Dort trafen die beiden Österreicher, die seit 2012 zusammenarbeiten und mit vielen brandneuen Stücken für ihr bald erscheinendes drittes Album antraten, auf LBT. Das steht für "Leo Betzl Trio". Der schon mit einer ganzen Reihe von Preisen ausgezeichnete Pianist aus Rosenheim hat die Kommilitonen-Band 2013 gegründet, am Jazzinstitut der Musikhochschule in München. 2016 erschien das erste Album mit dem Titel "Levitation" - da spielte das Trio noch akustischen Modern Jazz. Im letzten Jahr entschied sich die Band zum stilistischen Schwenk. Ab da hieß es: Techno, aber akustisch. Keine Elektronik, keine Loops. Wie bei BartolomeyBittmann werden alle Sounds rein akustisch erzeugt. Auf die Saiten gelegte Gegenstände oder Papier verfremden dabei den Klang des Flügels, ein Shaker und ein Küchenhandtuch, mit dem das Hi-Hat Becken gedämpft wird, den des Schlagzeugs.

Der Kontrabass wird stellenweise mit ordentlich Hall ausgestattet und die eisenhart geraden Beats werden natürlich nicht von der Drum Machine geliefert, sondern gespielt. Eine kleine Hilfestellung, um die teils minimalen Veränderungen im Tempo immer punktgenau variieren zu können, bieten Kopfhörer, in denen ein analoges Metronom die Beats per Minute vorgibt. Die Musik ist harmonisch sehr reduziert, wird aber angereichert mit jazzigen Improvisationseinsprengseln und klassischen Zitaten im neuen Programm der Musiker, das "Way up in the Blue" heißt. Das ist mitreißend, aber insgesamt deutlich weniger virtuos als das Spiel des Konkurrenzteams. Trotzdem entschieden die vierköpfige Jury und ihr Vorsitzender, der Münchner Kultur- und Musikjournalist Oliver Hochkeppel, dass LBT den BMW Welt Jazz Award verdient hat.

Begründung der Jury:

"Wir haben zwei Bands gehört, die ihren traditionellen Besetzungen völlig neue Klangwelten eröffnen. Beide verarbeiten Formen und Vorlagen aus dem Bereich der Popmusik und verkörpern so ideal das diesjährige Motto 'Jazz moves'. Beide haben uns begeistert und überzeugt. BartolomeyBittmann durch die enorme Musikalität und Ausdruckskraft, mit der sie ein klassisches Streicherduo in eine wuchtige Jazzrock-Band verwandeln. Und noch einen Hauch mehr LBT für ihre revolutionäre Erfindung von kammermusikalischem Techno. Es ist verblüffend, wie stimmig sich bei ihnen Jazzimprovisationen selbst in filigraner, akustischer Form mit den hochfrequenten 'Beats-per-Minute'-Attacken des Techno zusammenfügen. Deswegen geht der BMW Welt Jazz Award 2018 an Leo Betzl, Maximilian Hirning und Sebastian Wolfgruber."

Für LBT gab es das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro und den von BMW Design kreierten Pokal. BartolomeyBittmann - progressive strings vienna wurde mit einer Prämie in Höhe von 5.000 Euro geehrt und erhielt außerdem den Publikumspreis.

Der BMW Welt Jazz Award 2018 auf BR-KLASSIK

Leporello am Montag, 11. Juni, 16.15/ Kolleginnengespräch

Jazztime am Montag, 11. Juni , 23.05 Uhr
"And the winner is...."

Sendungen zum BMW Welt Jazz Award auf BR-KLASSIK bisher:

Jazztime am Montag, 26. Februar, ab 23.05 Uhr
Jazztime am Montag, 26. März, ab 23.05 Uhr
Jazztime am Montag, 23. April, ab 23.05 Uhr

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