BR-KLASSIK

Er ist einer der ganz großen Musiker des europäischen Jazz: der französische Kontrabassist Henri Texier. Dieser 1945 in Paris geborene Bandleader, der zudem ein angesehener Komponist von Jazzstücken ganz eigener Prägung ist, hat vor kurzem eine neue CD mit spannenden Stücken und hochkarätigem Personal veröffentlicht. Sie heißt "Chance".

Bildquelle: Bleu Records

CD-Tipp: 9. April 2020

Henri Texier: Chance

Sofort entsteht hier eine ganz eigene Anziehungskraft. Ein Kontrabass schafft Räume, eine Melodie fliegt lustvoll hoch. Schöner kann ein Musikstück kaum beginnen als das Eröffnungstück dieser CD, es heißt "Cinecitta" und ist eine Komposition von Sébastien Texier, dem Sohn des Bandleaders.
Und was heißt "schön"? Es ist eine besondere Innigkeit des Spiels, die diese Schönheit ausmacht. Und es ist zugleich eine besondere Tiefgründigkeit. Diese Musik ist nichts zum schnellen Dahinschwelgen und Vergessen. Denn sie hat starke Substanz und weiß mit ihr zu arbeiten.

HOCHFLAMMENDE TÖNE

Die Stücke scheinen organisch zu wachsen - so natürlich entwickeln sie sich in diesen Aufnahmen im Quintett des Bassisten Henri Texier. Auch mit von der Partie ist der preisgekrönte Gitarrist Manu Codjia. Wenn er ins Spiel kommt, flammen die Töne schon mal expressiv hoch.
Der Bassist und Bandleader Henri Texier ist ein alter Recke des europäischen Jazz. Schon in den 1960er Jahren spielte er als ganz junger Musiker in Paris mit Weltstars zusammen. In seinen eigenen Bands verbindet er modernen Jazz auch mit Weltmusik-Einflüssen. Und stets hat er den Sinn für fesselnde und nicht zuletzt tragende musikalische Themen.

DAS GLÜCK, "IMMER NOCH DA ZU SEIN"

Eine lyrische Kantilene in der Oberstimme - und darunter ein Rhythmus von machtvollem, archaischem Drive. Ein Stück, das die Energie ausdrücken könnte, die diesen Musiker antreibt, ist das Titelstück dieser CD. "Chance", das heißt Glück. Texier spricht vom "Glück - für mich, immer noch hier zu sein!" Und vom Glück, mit so vielen wunderbaren Musikern spielen zu können, Glück, die Kraft zu haben, die, wie er sagt, Freiheit und Schwerelosigkeit, den Überschwang und die Fülle des Jazz ausleben zu können: Dafür dankt Texier in seinem Booklet-Text. Und was er beschreibt, dieses Gemisch aus Lebenslust und entdeckungsfreudiger Gestaltungskraft, das sich einstellen kann, wenn man Jazz spielt, das hört und spürt man in jedem Takt dieser Aufnahmen.

SUBSTANZ-MUSIK IST SEELEN-MUSIK

Eine Musik voller Schattierungen und funkelndem Leben. Es ist vielleicht genau solch eine Musik, die man in Zeiten wie jetzt besonders brauchen kann: eine, die nicht an der Oberfläche kratzt, sondern tief einsteigt und sich dabei auch Zeit nimmt. Substanz-Musik. Körper-Musik. Seelen-Musik. Wer tiefe Töne so sprechen lassen kann, ist dafür prädestiniert: Henri Texier.