BR-KLASSIK

Inhalt

Jazz-Fotograf Sepp Werkmeister wird 85 Scharfe Augen, wache Ohren

Seine Bilder haben einen Sound: Josef Werkmeister, genannt Sepp, hat zwei große Leidenschaften - Fotografieren und Jazz. Bilder, die der Münchner von Jazzlegenden machte, sind weltberühmt geworden. Denn nur wenige Fotografen sind in der Lage, so viel musikalische Stimmung einzufangen wie er. Seine Methode: Erst zuhören, dann Auslöser drücken. Jetzt feiert Sepp Werkmeister seinen 85. Geburtstag.

Sepp Werkmeister | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Wir sind Eindringlinge", sagte Josef Werkmeister einmal: Fotografen hätten eine besondere Verantwortung. Werkmeister, der sich selbst lieber Sepp als Josef nennt, geboren 1931 in München, hat berühmte Fotos von Jazz-Weltstars wie Duke Ellington, John Coltrane, Louis Armstrong, Chet Baker, Sweet Emma Barrett und anderen gemacht. Fotos, die außergewöhnlich ausdrucksstark sind - und das nicht zuletzt, weil Werkmeister mit seiner Rolle als Eindringling besonders behutsam umgeht: Er ist einer, der sehr lange beobachtet, bevor er den Auslöser drückt.

Der Betrieb war die Pflicht und das Fotografieren die Kür

Seine Fotos sind von einer großen Sensibilität des Blicks gekennzeichnet. Eines Blicks, der durch das Ohr besonders geschult ist. Erst dann klicken, wenn er gut zugehört hat: Das ist seine Maxime. Seit seiner Jugend ist Werkmeister Jazzfan. Er hat sich intensiv mit dieser Musik auseinandergesetzt und über Jahrzehnte viele berühmte Musiker persönlich kennengelernt. Sepp Werkmeister, der Fotografie, Grafik und den Beruf des Schriftsetzers gelernt hat, musste aber nie vom Fotografieren leben. Von 1954 an leitete er lange Zeit eine Firma: einen grafischen Betrieb, spezialisiert auf Satz und Montage, der Druckvorstufen für Zeitschriften herstellte. Dazu gehörten etwa die Illustrierte "Quick" und später auch die Musikzeitschrift "Rolling Stone". Damit verdiente er Geld - der Betrieb war die Pflicht und das Fotografieren die Kür.

Sendungen im Hörfunkprogramm des Bayerischen Rundfunks:

  • BR-Klassik würdigt Sepp Werkmeister in der Sendung „All that Jazz“ am 31. März: Mit scharfem Auge und wachem Ohr: Der Fotograf Sepp Werkmeister über spannende Augenblicke in einem Leben mit dem Jazz. Unter anderem mit Musik von Duke Ellington, John Coltrane und Coleman Hawkins. Moderation: Roland Spiegel
  • Bereits zuvor unterhält sich Marcus A. Woelfle in der Bayern 2-RadioJazznacht mit Sepp Werkmeister: Samstag auf Sonntag, 26./27. März, 0:05 Uhr bis 2 Uhr.

In diese Kür investierte er viel Lebenszeit und etliche Reisen. Werkmeister freundete sich in den 1950er Jahren mit Joachim-Ernst Berendt an, der damals Redakteur des Südwestfunks war und vor allem als Autor des in viele Sprachen übersetzten „Jazzbuchs“ berühmt wurde. Beide arbeiteten immer wieder zusammen und reisten regelmäßig nach New York, um die Musikszene zu erkunden. Aus den Bildern, die Sepp Werkmeister in New York auf der Straße machte, entstand eine vielbeachtete Ausstellung, die 2015 im Stadtmuseum München zu sehen war: „New York 60s“. New-York-Fotografien zeigt Werkmeister zur Zeit auch im Stadtarchiv Rosenheim (bis 20. Mai), wo unlängst auch ein Sepp-Werkmeister-Abend mit dem Schauspieler August Zirner als Überraschungsgast stattfand. Für 2017 ist laut Sepp Werkmeister eine Ausstellung von ihm in Paris und später eine weitere in Mailand geplant: Über einen Mangel an Aktivität kann er nicht klagen.

Ein gutes Porträt ist eines der schwierigsten Dinge überhaupt in diesem Metier.
Jazz-Fotograf Sepp Werkmeister

Der Katalog zur Münchner Ausstellung zitierte Sepp Werkmeister mit den Sätzen: "Ich habe bemerkt, dass ich gut sehe. Und mir wurde klar, dass mich vor allem der Mensch interessierte. Landschaften schon auch. Wenn es aber gelingt, eine ‚menschliche Landschaft‘ zu erwischen, dann ist das wirkliches Glück. Denn ein gutes Porträt ist eines der schwierigsten Dinge überhaupt in diesem Metier."

Gelebter Jazz in der Fotografie

Die Jazz-Fotos Sepp Werkmeisters zeigen menschliche Landschaften in besonderer Intensität. Sie sind nicht nur dekorative Abbilder von Gesichtern, sondern sie dringen in den Charakter dieser Gesichter vor. Sie sind miterlebter, ja mitgelebter Jazz. Sie sind selber Musik und haben einen ganz starken eigenen Sound. Besonders bekannt wurden Fotos wie sein Porträt des Saxophonisten John Coltrane, der völlig in sich versunken in die Ferne blickt und dabei eine fast magische Energie ausstrahlt - oder auch Werkmeisters Aufnahme des qualmenden Pianisten und Big-Band-Leaders Duke Ellington mit nach oben gerichtetem Blick, riesigen Tränensäcken und einem Ausdruck von ungemein intensiver Nachtstimmung; ein Bild, bei dem man Ellingtons Töne zu hören glaubt. Ellington selbst kaufte Werkmeister damals eine größere Menge an Abzügen eines seiner Porträts ab.

Schon als Jugendlicher war Sepp Werkmeister vom Fotografieren fasziniert. 1945 traf er mit einem ehemaligen Kriegsberichterstatter zusammen, der ihn mit einer Leica vertraut machte. Ebenfalls in der Jugend war er durch Schellackplatten seines älteren Bruders mit dem Jazz in Berührung gekommen. Er lernte später auch, Kornett zu spielen, fand aber schließlich, dass er dafür zu wenig talentiert sei ("Da wurde die Familie zu sehr belästigt"), und tauschte das Instrument gegen eine Kamera: eine Ikoflex, einen jener hochkant stehenden, quaderförmigen schwarzen Kästen, in die man von oben hineinschaut. Da fing er an, Gesichter zu studieren. Das prägt seine Bilder bis heute. Nach eingehender Beschäftigung mit der Fotografie ging ihm auf, dass er "gute Augen" habe. Als er dann den großen Saxophonisten Coleman Hawkins vor die Kamera bekam, sei das wie eine Initialzündung für ihn gewesen. Seine Erkenntnis: "Eigentlich möchte ich nicht Musiker werden, sondern Musiker fotografieren."

Hey Joe, give me your camera.
Dizzy Gillespie zu Sepp Werkmeister

Weshalb sind diese Bilder oft so fesselnd, so voller Atmosphäre? Im ersten Set eines Jazzkonzerts fotografiert Sepp Werkmeister meist überhaupt nicht. Da hört er zu, sammelt Eindrücke. Und wartet so lange, bis die Musiker völlig in ihre Töne vertieft sind. Er habe oft bei den Berliner Jazztagen erlebt, dass Fotografen anrücken, als zögen sie in den Krieg. Auf diese Art wolle er nicht in Situationen einbrechen - vor allem, seit ihm in frühen Jahren der Trompeter Dizzy Gillespie einmal im Münchner „Domicile“ eine Lehre erteilte: Da war Sepp Werkmeister ganz nah an den Musiker herangegangen, mit der Kamera fast auf Berührungskurs mit der Trompete. Da habe Dizzy zu ihm gesagt: "Hey Joe, give me your camera." Sepp tat, wie ihm geheißen, und Gillespie machte eine Show daraus, seinerseits den Fotografen zu fotografieren. Aus nächster Nähe und in aller Ruhe - und eben vor aller Augen. Später in der Garderobe habe der Musiker zu Werkmeister gesagt: "Jetzt weißt du mal, wie es mir jeden Tag geht".

    AV-Player