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Album-Klassiker des Jazz vorgestellt im Gespräch - Vol. 25 Hören wir Classics und reden darüber

Unser Sende-Format "Hören wir Gutes und reden darüber" wurde 2022 in der Kategorie "Beste Sendung" mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet. Zu ausgewählten Terminen überraschen wir uns mit Album-Klassikern des Jazz.

Cover: Cannonball Adderley Quintet Plus | Bildquelle: Riverside

Bildquelle: Riverside

"Hören wir Classics und reden darüber" hier zum Nachhören.
In dieser Sendung haben sich Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer zum fünfundzwanzigsten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Album-Klassiker des Jazz wurde in der Sendung gesprochen.

Cannonball Adderley Quintet: "Cannonball Adderley Quintet Plus", Riverside

Dieser Sound: einzigartig! Dieses Timing: umwerfend! Dieses Bluesfeeling: hinreißend! Ganz alleine beginnt das Altsaxophon, nur ein paar Takte und schon ist viel gesagt - Töne als Statement! Das konnte Saxophonist Cannonball Adderley wie kaum ein anderer. Nicht unbedingt sparsam spielte dieser herausragende Saxophonist des Jazz, aber doch immer mit untrüglichem Gespür für Proportion. Lieber einen Chorus weniger, lieber nicht nur schnelle Noten, besser eine ganz logische und scheinbar lässig hingeworfene Figur, als lange Tonketten.
Mit solch wenigen, aber eindrucksvollen Tönen beginnt "Cannonball Adderley Quintet Plus". Ein Album des Saxophonisten vom Mai 1961 mit seinem Quintett, in dem neben Adderleys Bruder Nat am Kornett, Sam Jones am Bass, Louis Hayes am Schlagzeug, sowie Wynton Kelly am Klavier und Victor Feldman am Klavier und auch am Vibraphon zu hören sind.
Bei drei Stücken erklingt Feldmans Vibraphon und ansonsten ist er der Pianist und Wynton Kelly, den Adderley aus seiner Zeit bei Trompeter Miles Davis kannte, pausiert. Feldmans Vibraphon ist das "Plus" bei diesem Album, in dem coole Bluesthemen neben Jazzklassikern zu hören sind, besonders einprägsam: eine herausragende Version des Stadards "Star Eyes". Nach dieser Aufnahme im Mai 1961 kam es im Adderley-Quintett zu einer prägenden Umbesetzung, denn nur rund sechs Wochen später saß der Wiener Pianist Joe Zawinul am Flügel und war für fast ein Jahrzehnt der prägende Pianist in Adderleys Band. Das Album "Cannonball Adderley Quintet Plus" zeigt die Band in einer Umbruchphase, aber das soulgetränkte Saxophonspiel des Bandleaders ist hier schon bestens zu hören: Ein Album zum Genießen!

Art Blakey and The Jazz Messengers: "The Big Beat", Blue Note Records

Cover - Art Blakey & the Jazz Messengers: The Big Beat | Bildquelle: Blue Note Records Bildquelle: Blue Note Records Am 6.März 1960 brachte der Schlagzeuger Art Blakey seine Jazz Messengers ins Studio des damals schon legendären Toningenieurs Rudy Van Gelder nach Englewood Cliffs, um für das ebenso legendäre Label Blue Note eine Platte einzuspielen. Es war schon die dritte Besetzung des variablen Kollektivs, das er bis kurz vor seinem Tod am 16.Oktober 1990 leiten sollte. Seine Jazz Messengers waren seit den späten 50er Jahren zum Inbegriff des Hard Bop geworden, einer der wichtigen Stilrichtungen des Jazz, die mit ihren griffigen Themen und kraftvoll swingenden Rhythmen das Beste aus Bebop und Soul Jazz auf einem hohen Energielevel zusammenbrachte. Der 1919 geborene Bandleader liebte es, sein Quintett mit jungen Musikern zu besetzen, weil er fand, dass sie seinen Geist aktiv hielten. Trompeter Lee Morgan war 20, Pianist Bobby Timmons 22 und Tenorsaxophonist Wayne Shorter 25, als sie 1958 von Blakey rekrutiert wurden. Bassist Jymie Merritt stand als Jahrgang 1926 zwischen den beiden Generationen. Alle waren sie herausragende Spieler und hielten mit Wayne Shorter und Bobby Timmons auch noch zwei außerordentlich begabte Komponisten vor. Vier der sechs Stücke auf dem Album haben sie geschrieben. Mit seinem dominanten Spiel, mit knallenden Rimshots und donnernden Rolls auf der Snaredrum, seiner akzentuierten Hi-Hat und seinen charakteristischen Triolen auf der Basstrommel lieferte Art Blakey, der den Spitznamen "Thunder" trug, das ungeheuer swingende Fundament für eine stellare Ensemble-Leistung und mitreißende Soli, die auch über sechzig Jahre nach ihrer Einspielung kein Gran ihrer virtuosen, musikalischen Überzeugungskraft eingebüßt haben. Das Musik, die dazu einlädt, noch sehr viel mehr zu hören aus dem Schatz, den uns diese Akteure mit ihren Aufnahmen hinterlassen haben.

Dave Brubeck Quartet: "Live from the Northwest", Brubeck Editions

Cover - Dave Brubeck Quartet: Live from the Northwest | Bildquelle: Brubeck Editions Bildquelle: Brubeck Editions Schöne Aufnahmen hat die Familie des Pianisten Dave Brubeck jetzt (nach zwei weiteren musikalischen Ausgrabungen aus den letzten Jahren) auf den Markt gebracht, wieder auf dem Label "Brubeck Editions". Es sind vom Zeitpunkt ihres Entstehens her sehr besondere Aufnahmen. Sie entstanden am 4. und 5. April 1959. Das war wenige Monate vor den Einspielungen der großen Brubeck-Klassiker, die auf der Langspielplatte "Time Out" veröffentlicht wurden und auf dem sich spätere Kennmelodien des Quartetts befanden, also etwa "Blue rondo alla turk" oder auch "Take five". Hier aber, in diesen neu herausgegebenen Aufnahmen, war das noch Zukunftsmusik. Das Quartett des Pianisten - mit Paul Desmond am Altsaxophon, Eugene Wright am Kontrabass und Joe Morello am Schlagzeug - gab Gastspiele im Nordwesten der USA. Und zwar an den Orten Portland, Oregon, und Vancouver, Washington (nicht zu verwechseln mit dem kanadischen Vancouver). Auf dem Album mit Stücken aus diesen beiden 64 Jahre alten Konzerten befinden sich Jazz-Standards wie „Gone with the wind“, „These foolish things“ und "Lonesome road", uralte Klassiker wie "Basin Street Blues" und "When the saints go marchin‘ in" - und nur eine komplexe Brubeck-Komposition (und vorher als Soloversion Brubecks existierte): "Two-part contention". Doch gerade die gelassen swingende und dennoch an klassischem Kontrapunkt geschulte Art, in der das Quartett hier die Evergreens interpretiert, macht beim Hörern Vergnügen. Brubeck griff offenbar voller Lust hier für seine kompakt-blockartigen Akkorde in die Tasten, und Paul Desmonds enorm feiner Schmelz am Altsaxophon ist bei diesen veredelten amerikanischen Allerweltsmelodien ein besonderer Genuss. Moment-Aufnahmen aus einer Zeit vor dem großen Durchbruch mit "Time Out".

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