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Igor Levit über den Jazzpianisten Fred Hersch "Ein Fixstern für mich!"

Am 1. Juli 2021 gastierte das Trio des US-Jazzers Fred Hersch im Münchner Jazzclub Unterfahrt – BR-KLASSIK zeichnete das Konzert auf. Mit im Publikum: Starpianist Igor Levit. Unser Autor sprach ihn an. Und Igor Levit erzählte ausführlich über den Jazzpianisten Fred Hersch, über dessen Musik und darüber, was er von ihm gelernt hat.

Igor Levit und Fred Hersch | Bildquelle: Felix Broede/Sony Classical; Ssirus Pakzad

Bildquelle: Felix Broede/Sony Classical; Ssirus Pakzad

BR-KLASSIK: Igor, wie kam es, dass du dieses Konzert von Fred Hersch in München besucht hast?

Igor Levit: Aus einer totalen Notwendigkeit heraus! Fred ist mir ein mehr als sehr wichtiger Freund. Ein Fixstern für mich, menschlich und auch künstlerisch. Ihn in meinem Leben zu wissen, gehört einfach zum Wertvollsten, was ich habe. Und wir haben uns so lange nicht gesehen – pandemiebedingt. Ich bin früher manchmal von hier auch gleich zu ihm nach New geflogen, nur um ihn ein, zwei Tage zu sehen. Als wir dann feststellten, wir überkreuzen uns in München, war einfach klar für mich: Ich muss dahin. Ich habe am gleichen Abend selbst ein Konzert gespielt. Danach habe ich alle Sachen gepackt und bin in den Jazzclub Unterfahrt gefahren. Das war einfach ein großes Glück!

Ihn in meinem Leben zu wissen, gehört einfach zum Wertvollsten, was ich habe.
Igor Levit über Fred Hersch

BR-KLASSIK: Du hast gesagt, Fred Hersch ist ein Fixstern für dich. Wie kommt es, dass ihr euch kennt?

Igor Levit: Vor einigen Jahren war ich in New York und ein guter Bekannter von mir, der Jazzpianist Aaron Diehl, schrieb mir und sagte: Heute Abend spielt Fred Hersch im Village Vanguard (A.d.R. legendärer Jazzclub in New York). Ich hatte den Abend frei und sagte: Klar, ich komme irgendwie ins Village und wenn du mich mitnehmen kannst, super gerne. Fred spielte dort mit seinem Trio. Es war ein absolut herausragender Gig.

Igor Levit und Fred Hersch auf BR-KLASSIK

Igor Levit spricht über Fred Hersch in "Classic Sounds in Jazz" - am Mittwoch, 22. September 2021, 19.05 - 20.00 Uhr auf BR-KLASSIK. Mit Musik aus der exklusiven BR-KLASSIK-Konzertaufzeichnung des Fred Hersch Trios vom 1. Juli 2021 aus dem Münchner Jazzclub Unterfahrt. Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer

Wie die drei miteinander geatmet haben, war einfach irre. Aber es war nichts im Vergleich mit dem, was dann kam: Am Ende seiner Sets spielt er immer Billy Joels "And so it goes". Er setzte sich hin, berührte dieses Instrument, und ich muss sagen: Das waren vier oder fünf Minuten Klavierspiel, die ich so in meinem Leben noch nie gehört habe. Diese Art des 'mit dem Instrument umgehen', diese Art des Klavierspiels, diese Art des Musikmachens am Klavier, dieses permanente Ausatmen – es hat mich wirklich gerissen!

Ich war Ende 20 und dachte, ich habe in meinem Leben noch keinen Ton so gespielt. Ich bin dann zu Fred gegangen und habe ihm das auch genauso gesagt. Dann blieben wir in Kontakt. Es entstand einfach eine sehr wertvolle und sehr nahe Freundschaft und Beziehung.

Ich war Ende 20 und dachte, ich habe in meinem Leben noch keinen Ton so gespielt.
Igor Levit über Fred Hirsch

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And So It Goes- (Billy Joel) | Bildquelle: Fred Hersch (via YouTube)

And So It Goes- (Billy Joel)

BR-KLASSIK: Gab es Dinge, die er dir geraten hat, die du dann auch wirklich geändert hast?

Igor Levit: Fred Hersch hat für meine Selbstbestärkung eine große Rolle gespielt, indem er mir zum Beispiel die Furcht nahm vor dem Weg, den ich gehe. Er hat mal sein Spiel wunderbar beschrieben: 'Ich fange an zu spielen, und dann gehe ich auf einem bestimmten Weg. Wenn er mir gefällt, gehe ich weiter auf diesem Weg. Und irgendwann kommt der Punkt, wo ich das Gefühl habe, ach nein, das mag ich jetzt nicht mehr. Und dann nehme ich einfach die nächste Ausfahrt und gehe woanders hin. Ich behaupte, das kannst du auch machen mit Musik, die notiert ist.'

Er hat mir eine ganze Menge mitgegeben, dass ich wirklich auch für mich übersetzt habe.
Igor Levit über Fred Hersch

Ich sitze seitdem auf der Bühne und denke: Okay, ich fange jetzt an, ein Stück von Schubert zu spielen. Oh, ein "a", ich habe jetzt einen Ton getroffen, der ist mir nahe, das funktioniert. Und irgendwann glaube ich, oh Gott nein, hier stimmt was nicht. Jetzt probiere ich mal was anderes. Dieses Ausprobieren, beim Konzert spielen, das habe ich sehr von ihm. Er hat mir eine ganze Menge mitgegeben, dass ich wirklich auch für mich übersetzt habe. Der Mann ist ein Idol für mich, und das meine ich sehr ernst.

Kommentare (1)

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Mittwoch, 22.September, 20:28 Uhr

ursula.borst@gmx.de

heue Abend

sehr berührend !!

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