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Jazz-Bassist Dieter Ilg "Beethoven gehört uns allen"

Der Freiburger Dieter Ilg hat sich unter anderem an der Seite von Größen wie Randy Brecker, Albert Mangelsdorf oder Charlie Mariano und als Stammbassist von Till Brönner einen Namen gemacht. In "Mein Beethoven" interpretiert die klassische Musik Beethovens neu und verwandelt sie in zeitlosen Jazz.

Dieter Ilg | Bildquelle: BMW Welt Jazz Award

Bildquelle: BMW Welt Jazz Award

BR-KLASSIK: Herr Ilg wie vollenden Sie den Satz, der folgendermaßen losgeht. Mein Beethoven …

Dieter Ilg: … gehört uns allen.

BR-KLASSIK: Und inwiefern gehört er Ihnen?

Dieter Ilg: Indem ich ihn in mein Kleid hinein gesteckt habe. Und er jetzt frei rumlaufen darf.

BR-KLASSIK: Also vorher war er quasi eingesperrt?!

Dieter Ilg: Nein. Vorher hatte er ein anderes Kleid an.

BR-KLASSIK: Sie nehmen sich Werke von Ludwig van Beethoven vor und improvisieren dazu mit ihrem Trio ganz unterschiedliche Sachen. Wonach wählen Sie solche Themen aus?

Dieter Ilg: Das sind reine Bauchentscheidungen. Also zuerst meistens Anhören, ein sich durch die Materie Durchwühlen, weil das Werk von Beethoven ist natürlich enorm vielseitig und reich. Ich lasse mich dann leiten von dem Moment, wo mich etwas ergreift. Da mach ich mir Notizen. Da schreibe ich mir Sachen auf und wenn sich das wiederholt, dann ist es für mich eine Bestätigung dessen, dass das erste Gefühl ein richtiges Gefühl war. Dann beschäftige ich mich mit dem entsprechenden Stück, Fragment oder der entsprechenden Musikform eingehender.

BR-KLASSIK: Und das heißt es gibt so mehrere Arbeitsprozesse, die das durchläuft. Das Erste ist das Bauchgefühl, das ist ja auch wahrscheinlich das musikalische Gefühl. Das sagt: "Oh ja das passt! Das spricht mich an!". Bei Improvisation bekommt es dann eine Struktur oder wie entsteht dann die Improvisation?

Dieter Ilg: Also ich nehme jetzt zum Beispiel eine Melodie - nehmen wir die Mondschein-Sonate - und nehme das harmonische Gerüst von Beethoven, bringe es in die Zeichensprache des Jazz mit Akkordabkürzungen. Die dann wiederum von meinen Musikern, in der von mir aufgeschriebenen Form, ad hoc improvisiert werden. Und Improvisation basiert ja auf sehr vielen Lernerfahrungen der Vergangenheit. Der perfekte Improvisator ist der, der aus der Vergangenheit das Gelernte in der Gegenwart optimal "umsetzt". Wobei optimal wieder ein subjektiven Faktor darstellt.

BR-KLASSIK: Aber dann kann man ja auch sagen, dass was Sie machen - die klassische Musik zu nehmen, also etwas Vergangenes dann ad hoc umzusetzen - ist eigentlich wunderbar. Dass Jazzer sich mit klassischer Musik auseinandersetzen.

Dieter Ilg: Wenn wir uns die Geschichte anschauen von Ludwig van Beethoven, dann ist eindeutig klar: der Mann wurde vor allen Dingen als improvisierender Pianist bekannt. Und was gibt es da als schönere Vorlage für einen Musiker wie mich, der im Jazz arbeitet und sich im Jazz ausdrückt, die Materie Beethovens auch als Improvisationsvorlage zu nehmen. Mit dem ganzen Hintergrund, die Klassik einfach in ein neues Kleid zu stecken. Ein neues Kleid, was ihm hoffentlich gut passt und was er genauso gerne anzieht wie das Kleid vorher.

BR-KLASSIK: Wenn ich mir die CD angucke - jetzt haben Sie die Mondschein-Sonate schon erwähnt und eben auch Klavier, Beethoven als Improvisator am Klavier - ist es auch deshalb so eine Tendenz, dass relativ viele Klavierwerke drin vorkommen? Ist es das, wo Sie sich dann haben inspirieren lassen?

Dieter Ilg: Das ist sicher ein mitentscheidender Gesichtspunkt gewesen. Der genauso mitentscheidende Gesichtspunkt war einfach die Tatsache, dass ich von den Klaviersonaten am meisten relativ schnell angesprochen wurde. Ich kann’s gar nicht sagen, weil ich bin kein Pianist. Ich bin noch nicht mal ein mittelmäßiger Pianist, sondern ich bin persönlich gesehen eigentlich ein Nicht-Pianist. Aber mit meiner Liebe zu meinem Instrument Kontrabass, mit meiner noch unerfüllten Liebe als nicht klavierspielender Bassist, war für mich die Widmung bei den Klaviersonaten einfach relativ schnell da. Da gibt´s dann letztendlich auch nur noch die Frage dessen, was mir dann zu etwas, was ich höre, einfällt.

BR-KLASSIK: Sie haben ja auch schon andere CDs gemacht - Parsifal war eins, Othello - gibt die Vorlage quasi, in diesem Fall Beethoven, gibt die Vorlage auch schon vor, wohin es sich überhaupt entwickeln kann?

Dieter Ilg: Wollen Sie jetzt vorgreifen, was das nächste Projekt sein könnte?

BR-KLASSIK: Nein. Einfach mal musikalisch gefragt, weil ich denke, Sie leben ja was. Also ich sag mal wie Kochen: Ich nehme bestimmte Zutaten und da kann nur etwas Bestimmtes rauskommen. Also gibt es das bei der Musik auch, dass wenn Sie Beethoven etwas nehmen, dass da nur was Bestimmtes rauskommen kann?

Dieter Ilg: Ich glaube nicht. Ich glaube es ist dann wiederum ganz stark davon abhängig, wer das interpretiert. Das heißt wenn Sie einen Koch aus dem Umkreis der Hopi-Indianer nehmen oder sie nehmen einen japanischen Sushi-Meister, werden Sie zu zwei völlig unterschiedlichen Ergebnissen bei den gleichen Grundnahrungsmitteln kommen.

BR-KLASSIK: Sie sind Kontrabassist und Sie haben gesagt Sie sind ein Nicht-Pianist. Gibt’s bei Beethoven irgendwelche Stellen für Kontrabass, wo Sie sagen, da könnten Sie drüber improvisieren?

Dieter Ilg: All die Stellen, die ich vielleicht vom Kontrabass her kenne sind aus der Orchestermusik, aus den Symphoniewerken Beethovens zum großen Teil. Und da gibt’s sicher etwas in der 9. Symphonie, was noch so bisschen bei mir auf dem weichen Kopfkissen liegt und irgendwann bearbeitet werden wird. Das ist innerhalb der 9. Symphonie. Wir haben jetzt aus der 9. Symphonie die "Ode an die Freude" genommen.

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