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Die Künstlerwerkstatt in Pfaffenhofen macht zu Zwischen Sägen und Swingen

Sie gabs nur einmal. Die Künstlerwerkstatt in Pfaffenhofen war ein Platz abseits der Konventionen und mitten drin im pulsierenden Jazzleben. Diesen einzigartigen Jazz-Ort Bayerns gibt es nicht mehr.

Impressionen aus der Künstlerwerkstatt Pfaffenhofen | Bildquelle: Roland Spiegel

Bildquelle: Roland Spiegel

Wenn man einmal dort war, musste man immer Ausschau halten. Auf einer Zugfahrt von München nach Nürnberg kam man direkt an ihr vorbei. In Pfaffenhofen an der Ilm, gleich nach dem Bahnhof in Fahrtrichtung links, da stach einem ein gelbes langgezogenes Gebäude ins Auge. Schon aus dem Zugfenster heraus wirkt dieses Haus verwunschen.
Immer spürte man dem Drang, hier doch schnell auszusteigen und, wenn auch nur kurz, in die Künstlerwerkstatt schauen. „Wacky“ wäre sicher da. Ein bisschen den Duft von Sägemehl einatmen und entschleunigen.

Hühner flitzen hier völlig frei über den Hof, Büsche und Hecken durften einfach wuchern, gerne wurde auch das Gras etwas länger stehen gelassen. Golfrasen gab es woanders.
Ein besonderer Ort, den Bernhard „Wacky“ Singer geschaffen hatte, zusammen mit einigen Gleichgesinnten und Freunden. Die Obstbäume auf dem Grundstück hat Singer alle selbst gepflanzt und jeder, der möchte, darf sich an dem Obst bedienen.

Seit 1994 arbeitete und lebte der gelernte Tischler und Künstler dort. Er machte aus seiner Werkstatt auch eine Raum für Musik. Die großen Sägen, Bandschleifer und Hobelmaschinen wurden einfach auf die Seite geschoben und Stühle wurden aufgestellt. Anfangs kamen Bands aus München und dem Umland, in den letzten Jahren aber auch internationale Stars der Szene.
Und das, obwohl es in der Künstlerwerkstatt keine feste Gage gab. Es wurde ein Topf im Publikum herumgegeben und dabei kam wirklich immer etwas zusammen. Rund ein Duzend Konzerte gab es im Jahr. Der US-Starsaxophonist Don Braden gastierte ebenso dort, wie das 18-köpfige Andromeda Mega Express Orchestra.
„Wacky“ Singer hatte immer eine Vorliebe für expressive Musik, eine Stätte der Auseinandersetzung wollte er haben. Einen Ort, an dem Musik aufregend sein durfte und nicht nur unterhaltend war.

Nun ist Schluss mit der Künstlerwerkstatt Pfaffenhofen. Aus „persönlichen Gründen“, wie Singer es in einem Brief an die Freunde der Künstlerwerksattt schreibt, beendet er seine Tätigkeit, sowohl als Künstler, als auch als Veranstalter in Pfaffenhofen.
„Ich möchte jetzt dann erstmal los und weg und ich brauch einfach Pause. Es ist hier eine Tendenz, nicht nur in Pfaffenhofen, sondern grundsätzlich so, dass das Geld immer wichtiger wird und es geht nicht mehr um irgendwelche Werte. Also ich habe ein bisschen meinen Fußboden verloren, weil das Leben ja eigentlich eine einzige Chance ist und die sollte man nutzen.“
Das sagte er im BR-Interview. Diesen Jazz-Ort wird es also in Zukunft nicht mehr geben. Zwar wird schon geplant, an anderer Stelle in Pfaffenhofen Konzerte zu organisieren, aber konkret sind diese Pläne noch nicht.

Am 7. Juni 2019 werden die verbliebenen Kunstwerke von Bernhard „Wacky“ Singer versteigert und danach steigt eine letzte musikalische Session. Der Münchner Saxophonist Christoph Hörmann und seine Band werden das Konzert eröffnen, danach ist offene Bühne für die vielen Gäste, die erwartet werden.

Im Laufe der letzten Jahre entstanden mehrere Mitschnitte für BR-KLASSIK in der Künstlerwerkstatt in Pfaffenhofen. Einige Highlights aus diesen Konzerten präsentiert Roland Spiegel in der Jazztime am 19. Juli 2019.

Jazz auf Reisen:

Jazztime am 19. Juli 2019
Der Duft von Sägemehl und Kreativität. Zum Abschied eines Konzertorts: Highlights aus der Künstlerwerkstatt Pfaffenhofen – mit Musik von Eivind Aarset, Christy Doran’s New Bag, KUU und Braff Oester Rohrer in Aufnahmen des Bayerischen Rundfunks.
Moderation und Auswahl: Roland Spiegel

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