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Die Sopranistin Katharina Konradi "Fünf Tode, bevor ich auferstehen darf"

An der Hamburger Oper ist sie der neue Star, in Bayreuth wurde sie als Hirtenknabe im neuen "Tannhäuser" bejubelt. Nun debütiert Katharina Konradi beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Daniel Harding. Schwierige Zeiten liegen hinter ihr: Mit 15 Jahren kam sie aus ihrer Heimat Kirgistan nach Deutschland - ohne Deutsch zu sprechen. Wie sie bei ihrer steilen Karriere Bodenhaftung behält und wie sie Mahlers "Auferstehungssymphonie" erlebt, erzählt sie im Interview.

Die Sopranistin Katharina Konradi | Bildquelle: Peter Hundert

Bildquelle: Peter Hundert

BR-KLASSIK: Es geht alles wahnsinnig schnell gerade in Ihrer Karriere: Letztes Jahr haben Sie in Hamburg als Ensemble-Mitglied begonnen, dieses Jahr sangen Sie bei den Bayreuther Festspielen im "Tannhäuser" den Hirten, jetzt sind Sie unvorhergesehen eingesprungen beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Wie behält man da die Bodenhaftung, wenn man so abhebt?

Katharina Konradi: Zuerst muss ich sagen, dass dieser Einspringer jetzt wie ein großes Geschenk für mich kam. Ich bin ganz frisch aus meinem Urlaub zurück, hatte dann ein paar Tage frei und dann kam die Anfrage, ob ich das machen möchte. Und natürlich möchte ich das machen – man sagt nicht nein! Vor allem mit dieser wunderbaren Partie: Wenn man die schon mal gesungen hat, ist es keine große Herausforderung – außer, die Nerven zu behalten. Ich habe einen Partner, der mich immer wieder auf den Boden zurückholt, wenn solche Anfragen kommen und ich vor lauter Freude in der Wohnung herumspringe.

BR-KLASSIK: Was sagt er dann?

Katharina Konradi: Er sagt: Behalte die Nerven!

BR-KLASSIK: Und dann geht's?

Katharina Konradi: Dann geht's! Das ist natürlich auch eine Sache, die sich über die Zeit entwickelt hat. Wenn früher Anfragen zu einem tollen Engagement kamen, hatte man allein schon mit der Aufregung zu tun gehabt. Das legt sich. Je mehr man auf der Bühne steht, je mehr man mit Orchestern solche Stücke singt, wird das zu so einer körperlichen Sache: Es geht in den Körper rein, man kann es dann schneller abrufen und somit kommt auch die Ruhe.

BR-KLASSIK: Wie ist das, wenn "es" im Körper drin ist? Heißt das, man muss es nicht mit Kopf wollen, sondern der Körper will es schon von sich aus, ohne dass das Gehirn sozusagen Befehle gibt? Wie stelle ich mir das vor?

Katharina Konradi: Naja, die Musik ist in meinem Körper – das heißt, ich kann sie aufrufen, wenn es sein muss. Die Aufregung hat dann nicht mehr so viel zu melden.

Auf dieser großen Bühne zu stehen, das konnte ich mir vor drei Jahren noch nicht vorstellen.
Katharina Konradi

Heimkehr nach München

BR-KLASSIK: Sehr praktisch. Für Sie ist es ja fast eine Heimkehr, denn Sie haben in München Liedgesang studiert und den Master gemacht.

Katharina Konradi: Richtig, das war gestern auch eine kuriose Sache, als ich zur Probe kam. Ich kenne ja den Gasteig nur von der studentischen Seite, und dann bin ich dort durch die Gänge geirrt und hab' gedacht, bestimmt geht es dort irgendwo zum Künstler-Eingang. Ich fühlte mich wirklich wieder wie eine Studentin. Ja, das ist meine Heimkehr: Auf der anderen Seite zu stehen, auf der großen Bühne, das konnte ich mir vor drei Jahren noch nicht vorstellen.

Freiheit nach sechs schwierigen Schuljahren

BR-KLASSIK: Als Sie mit 15 aus Kirgistan, ihrer Heimat, nach Deutschland gekommen sind, mussten Sie sich komplett neu orientieren. Insofern haben Sie ja sowieso viele Heimaten. Was war das für ein Moment damals, und wie hat er Sie geprägt?

Die Sopranistin Katharina Konradi | Bildquelle: Bernd Hartung Katharina Konradi | Bildquelle: Bernd Hartung Katharina Konradi: Es war ein schwieriger Moment für mich, weil ich kein Deutsch konnte. Die Kultur war ganz anders. Man konnte sich ja nicht verständigen, konnte nicht sagen, was man will oder was man braucht. Also habe ich immer eine Hilfe von außen geholt, die dann übersetzt hat. Auch in der Schule waren das schwierige Jahre des Lernens – nicht nur Deutsch, sondern es mussten Mathematik und alle anderen Fächer auf Deutsch gelernt werden. Das waren sechs schwierige Schuljahre, die ich aber gut überstanden habe. Und dann war ich frei und konnte mich in die Musikwelt stürzen.

Als ich begann, in Berlin Gesang zu studieren, fing ich erst an, richtig frei zu sprechen.
Katharina Konradi

Sich befreien und den Weg gehen

BR-KLASSIK: Sie sprechen akzentfrei Deutsch. Das ist sicher auch die Musikalität, die einem dabei hilft, oder?

Katharina Konradi: Das glaube ich auch. Als ich begann, in Berlin Gesang zu studieren, fing ich erst an, so richtig frei zu sprechen. Es hatte für mich auch damit zu tun, sich zu befreien und den Weg zu gehen, den ich immer gehen wollte, und das ist der Weg der Musik.

Solisten und Chor als i-Tüpfelchen

BR-KLASSIK: Jetzt singen Sie im Konzert eine gar nicht so große Partie, die aber dennoch sehr wichtig ist: im Finale von Mahlers "Auferstehungssymphonie". Was sagt Ihnen dieser Text? Auferstehen, Leben nach dem Tod – das sind ja Dinge, mit denen man sich nicht den ganzen Tag im normalen Alltagsleben beschäftigt...

Katharina Konradi: Also ich muss sagen, man fühlt sich schon sehr wichtig, weil die Worte auch wirklich Großes bedeuten. Selbst Mahler hat gesagt, ihm sei das gesungene Wort das Wichtigste, um diese Symphonie abzurunden und das Werk zu vervollständigen. Und da sind natürlich die beiden Solisten und der Chor quasi das i-Tüpfelchen auf dem Ganzen...

BR-KLASSIK: Sie bringen die Lösung in einem riesigen Konflikt ...

Der Komponist Gustav Mahler. Photographie, 1884 | Bildquelle: picture-alliance / Imagno Der junge Gustav Mahler | Bildquelle: picture-alliance / Imagno Katharina Konradi: Richtig. Zuerst mit der Keule in den Boden gestampft, wie auch Mahler selber gesagt hat, und dann auf Engelsflügeln in den Himmel gehoben. Das ist die Schwierigkeit: Zuerst sitzen wir mitten im Orchester. Es ist laut, es ist unglaublich emotional, man wird erschlagen von diesen ganzen musikalischen Kontrasten und Emotionen. Dann aufstehen und diesen leisen Satz beginnen – "ganz leicht hervortretend", wie Mahler schreibt –  da sterbe ich erst mal fünf Tode, bis ich endlich "auferstehen" darf in diesem Satz!

Infos zum Konzert in München

Donnerstag, 26. September 2019, 20:00 Uhr
Freitag, 27. September 2019, 20:00 Uhr
Samstag, 28. September 2019, 19:00 Uhr
München, Philharmonie im Gasteig

Gustav Mahler:
Symphonie Nr. 2 c-Moll ("Auferstehungssymphonie")


Katharina Konradi (Sopran)
Okka von der Damerau (Mezzosopran)
Chor des Bayerischen Rundfunks
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Daniel Harding

Freitag, 27. September: Live-Übertragung im Radio und im Videostream auf br-klassik.de/concert

Infos zu Tickets und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des BR-Symphonieorchesters.

Sendung: "Leporello" am 25. September 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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