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Cellist Anner Bylsma gestorben Trauer um Alte Musik-Pionier

Am 25. Juli ist der niederländische Cellist Anner Bylsma im Alter von 85 Jahren in Amsterdam gestorben. Gemeinsam mit dem Blockflötisten Frans Brüggen sowie dem Cembalisten und Organisten Gustav Leonhardt gehörte er zu den ersten Musikern, die sich in den Niederlanden dem Musizieren auf historischen Instrumenten widmete.

Cellist Anner Bylsma | Bildquelle: Thierry Martinot/Rue des Archive/Süddeutsche Zeitung Photo

Bildquelle: Thierry Martinot/Rue des Archive/Süddeutsche Zeitung Photo

"Mein Instrument ist, wie alle Instrumente, eine Erfindung für Leute, die eigentlich scheu sind, die es nicht wagen, publik zu sagen: Ich liebe dich, oder solche Sachen. Dafür haben wir ein Instrument." Dies sagte der Cellist Anner Bylsma. "Musiker, die ein Instrument spielen, sind eine Art von Bauchsprecher, wir haben eine Puppe auf dem Schoß. Wir verstecken uns." Bylsmas Instrument – das war ein Cello von Matteo Goffriller aus Venedig von 1699, zu hören auf seinen Aufnahmen über viele Jahrzehnte hinweg.Neben Nikolaus Harnoncourt und seinen Landsleuten Gustav Leonhardt, Frans Brüggen, den Kuijken-Brüdern und Ton Koopman war der Niederländer zweifellos einer der Pioniere der Historischen Aufführungspraxis und Originalklangbewegung. Immer auf der Suche nach unbekannten Werken, die er in Bibliotheken und Archiven entdeckte, nach differenzierten Klangfarben und der bestmöglichen Phrasierung.

Authentizität ohne Dogmen

Geboren wurde Anner Bylsma am 17. Februar 1934 in Den Haag. Zunächst lernte er auf einem modernen Cello, erhielt ersten Unterricht bei seinem Vater, dann am Königlichen Konservatorium seiner Heimatstadt, wurde Solocellist an der Nederlandse Opera in Amsterdam, gewann 1959 den Pablo-Casals Wettbewerb. Danach war er Erster Cellist am Concertgebouw Orchester, lehrte als Dozent an den Konservatorien von Amsterdam und Den Haag, in Berlin und New York. Und – er spezialisierte sich zunehmend auf die historische Aufführungspraxis, wobei er den Begriff "Authentizität" durchaus offen auslegte: "Man wird nie so spielen, wie Bach spielt, das geht nicht. Aber in jeder Generation nehmen wir aus dem, was wir richtig authentisch empfinden. Und in 10, 20 Jahren ist das wieder ganz anders."

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J.S. Bach : Cello Suite No.3 In C Major BWV 1009 - Anner Bylsma | Bildquelle: Art & Culture (via YouTube)

J.S. Bach : Cello Suite No.3 In C Major BWV 1009 - Anner Bylsma

Tanzendes Cello

Johann Sebastian Bachs Cellosuiten waren ein Meilenstein in Anner Bylsmas Diskographie, er nahm sie gleich zweimal auf, 1979 beim Label RCA und 1992 bei Sony. Sein Instrument, das heißgeliebte Gofrileri-Cello, ließ er dabei tanzen. Und, auch entscheidend in seinem lebendigen Bach-Spiel auf Darmsaiten: Es besticht mit einer atmenden, luftigen Artikulation, die den Hörer dazu einlädt, Rhythmen und Harmonien gedanklich zu ergänzen. Phrasierungsbögen sind dabei ganz aus dem Gesang abgeleitet.

Von Haydn bis Brahms

Sein Wissen gab Anner Bylsma auch im Alter noch charmant in vielen Meisterkursen weiter. Dabei suchte er immer gemeinsam mit seinen Schülern nach Lösungen, als "Meister" sah er sich nicht wirklich. Ebenso waren in der Kammermusik die Partner für ihn ebenbürtig. Mit seinem Ensemble L’Archibudelli spielte er seit den 1990er Jahren ein Repertoire vom 18. Jahrhundert bis zur Romantik. Meist auf historischen Instrumenten aus der berühmten Stradivari-Sammlung des Smithsonian Institute. Haydns drei letzte Streichquartette sind ebenso dabei wie Werke von Brahms, Mendelssohn, George Onslow, Bruckner oder Schubert.

Kleine Revolution mit Bach

Womit Anner Bylsma aber Interpretationsgeschichte geschrieben hat, war 1979 seine Gesamteinspielung von Bachs Suiten für Violoncello solo: sein neuer, sprechender, ungemein differenzierter Ansatz war nichts weniger als eine kleine Revolution und wird unvergessen bleiben.

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