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CD-Tipp – Capriccio Stravagante Renaissance Orchestra Dowlands Lachrimae mit Skip Sempé

Was, wenn es in der Renaissance nicht nur intime Gambenconsorts gegeben hätte, einsam vor sich hin präludierende Lautenspieler, säuselnde Blockflötengruppen? Sondern sogar ein ganzes Renaissance-Orchester? Skip Sempé hat diesen Traum Wirklichkeit werden lassen.

Bildquelle: Paradizo

Das Capriccio Stravagante Renaissance Orchestra, das der amerikanische Cembalist vor einiger Zeit gegründet hat, ist natürlich kein modernes Orchester mit Geigen, Oboen und Klarinetten. Sondern ein Orchester aus Instrumenten des 16. Jahrhunderts. Für sein neuestes Album mit Musik von John Dowland führt Sempé die Klangpracht von sechs Gamben, fünf Blockflöten, drei Posaunen, zwei Zinken und dazu noch drei Cembali zusammen.

Klangrausch der Renaissance

Das Ergebnis: ein Klangrausch, der im Bauch wummert, in die Beine geht und mitten ins Herz trifft. Kein Wunder: Im Capriccio Stravagante Renaissance Orchestra spielen viele Musikerinnen und Musiker mit, die sich auch solistisch einen Namen gemacht haben. Die Gambistin Lucile Boulanger zum Beispiel, der Cembalist Olivier Fortin oder der Zinkenist Doron Sherwin mit seinen kunstvollen Verzierungen.

John Dowlands Lachrimae

Im Zentrum des Albums steht der berühmte Zyklus "Lachrimae or Seaven Teares" – sieben tränenreich traurige Variationen über John Dowlands berühmtesten Song "Flow my tears". Ursprünglich komponiert für Gambenconsort, warten die sieben Pavanen mit Dissonanzen und harmonischen Wendungen auf, die in dieser intensiven Interpretation durch Mark und Bein gehen.

Sieben langsame Sätze, eine halbe Stunde lang – das kann im Konzert wie auf CD eine ziemlich dröge Angelegenheit werden. Aber Skip Sempé lässt nicht zu, dass wir in Melancholie versinken. Er bricht den Zyklus auf und kombiniert jede der sieben Pavanen mit einer spritzigen Gaillarde aus demselben Dowland-Druck. Die mitreißenden Tänze strafen das Bild vom ständig leidenden Dowland Lügen und wecken den Verdacht, dass sein Slogan "Semper Dowland, semper dolens" vielleicht doch nur ein Marketingtrick gewesen sein könnte.

Ein fulminantes Album

Abwechslungsreich ist auch Skip Sempés Instrumentierung: Dramaturgisch klug wechseln Streicher- und Bläsersätze, effektvoll wispern und rauschen die Virginale und Cembali, und auch wenn Dowlands Musik wahrscheinlich nie so aufgeführt wurde, wirkt dieses imaginäre Renaissance-Orchester doch absolut stilsicher. So entsteht eine veritable Dowland-Sinfonie. Ein faszinierendes Gedankenspiel, ein fulminantes Album.

Dowland: Lachrimae

John Dowland
Capriccio Stravagante Renaissance Orchestra
Skip Sempé (Leitung)
Label: Paradizo

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 16. Mai 2025, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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