Beethoven im Taschenformat - die Compagnia di Punto spielt Beethovens erste drei Sinfonien in Arrangements für Nonett. Das ist nicht nur historisch korrekt, sondern sorgt auch für gute Laune - und zeigt uns Beethoven von einer ziemlich aufgeknöpften Seite.
Bildquelle: © Deutsche Harmonia Mundi
Von Gardiner bis Norrington, von Brüggen bis Harnoncourt - jahrzehntelang hat sich die Historische Aufführungspraxis bemüht, das erstarrte Beethoven-Bild wieder zu beleben, sein Denkmal vom Sockel zu holen und die Weihrauchschwaden um den Wiener Klassiker zu vertreiben, nach dem Motto: Aufklärung statt Mythos. Alles vergebens! Denn ausgerechnet im Beethoven-Jahr scheint es, als läge die Deutungshoheit wie eh und je wieder bei den traditionellen Sinfonieorchestern, bei den gedankenzerfurchten Maestri und bei den Stars am Steinway - fast so, als hätte es die Originalklangbewegung nie gegeben. Doch glücklicherweise sorgt nun ein Kölner Kammermusik-Ensemble für frischen Wind: die Compania di Punto um den Hornisten Christian Binde.
Präzise statt bräsig, transparent statt tranig - die Compania di Punto präsentiert einen Beethoven im Taschenformat: seine ersten drei Sinfonien in Bearbeitungen seiner Zeitgenossen Carl Friedrich Ebers und Ferdinand Ries, für jeweils nur neun Instrumente. Sie wurden damals in den Salons der Reichen und Schönen gespielt, halfen Beethovens Musik bekannt zu machen und ließen seine Kasse klingeln.
Die Überraschung: da fehlt nichts! Zumindest bei den ersten beiden Sinfonien. Die kommen bei der Compagnia di Punto wunderbar frisch daher, quirlig, mitreißend. Die Streicher um den Geiger Evgeniy Sviridov stürmen vibratofrei voran, die historischen Blasinstrumente leuchten und funkeln dazu. Und man versteht: Dieser Beethoven war gar kein Titan, sondern eher ein angry young man. Oft klingt er dementsprechend ruppig - manchmal aber auch rührend.
Das Verfahren der Verschlankung - bei der Eroica freilich stößt es an seine Grenzen. Oder besser gesagt: Es entlarvt, wie sehr Beethovens Dritte vom Pathos, von der orchestralen Wucht lebt. Auf ein Nonett reduziert, wirkt gerade der Kopfsatz manchmal ein bisschen simpel, die Synkopen harmlos, die Forte-Stellen wie ein Dackel, der Schäferhund spielt. Dafür kann die Compagnia di Punto dann den funkelnden Witz des Finales voll zur Geltung bringen. Überhaupt stellen die Kammerfassungen Beethovens Lust an der Kombinatorik deutlicher heraus als die Originale. Und so sind die beiden CDs eine gelungene Überraschung. Und ein Geburtstagsgruß, der dem unwirschen Genie bestimmt ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätte.
Compagnia di Punto
Christian Binde
Label: Deutsche Harmonia Mundi
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 22. März 2020, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK