Die Texte für das Deutsche Requiem von Brahms stammen aus der Barockzeit. Aber wie klingt die Brahms’sche Text-Auswahl in barocker Vertonung? Vox Luminis gehen der Frage nach.
Bildquelle: Ricercar
Beim ersten Lesen stolpert man über den Titel: Ein deutsches Barockrequiem steht da auf dem blaugrau gehaltenen Cover neben Dürers "Betenden Händen". Viele denken da vielleicht an das wenig barocke, sondern tiefromantische "Deutsche Requiem" von Johannes Brahms. Und das stand tatsächlich auch beim neuen Projekt des Ensembles Vox Luminis Pate, wie Lionel Meunier, der künsterlische Leiter erklärt: "Wir haben uns gefragt, ob es nicht möglich wäre, die Texte, die Brahms verwendet hat, auch in Vertonungen aus dem 17. Jahrhundert zu finden, in weniger bekannten Stücken."
Gesagt, getan. Tatsächlich hat Brahms in seinem Werk verhältnismäßig alte Texte aus der lutherischen Tradition vertont, die z.B. auch Heinrich Schütz in seinen "Muscialischen Exequien" verwendet hat, wie etwa "Selig sind die Toten", ein Text des 1605 geborenen Simon Dach. Auf der CD zu hören ist aber nicht das Standard-Werk von Schütz, sondern eine barocke Vertonung des heute wenig bekannten Komponisten Johann Philipp Förtsch. Die CD ist somit auch ein Schatzkästchen gefüllt mit unbekannterer Barockmusik von Komponisten wie Christian Geist, Tobias Michael oder eben Johann Philipp Förtsch.
Die Interpretation von Vox Luminis ist Wohlklang pur. Das Ensemble nähert sich dieser sehr vom Vokalen aus gedachten Musik mit einem großen Gespür für den Text und einer beglückenden Perfektion. Das gilt für die Instrumentalparts und besonders für die vokalen Chor- und Solostellen. Für das CD-Projekt hat sich Lionel Meunier auf einer Reise durch Ostdeutschland letzte Inspirationen geholt. Leipzig, Gera und Wittenberg lagen beispielsweise auf seiner Route. Er fühlt sich dieser Gegend, aus der die Musik der neuen CD zu großen Teilen stammt, sehr verbunden.
Inzwischen war Lionel Meunier schon mehrfach dort, das erste Mal während einer späteren Phase der Pandemie. Covid habe die Menschen zum Nachdenken gebracht, sagt er, über den Tod und die Vergänglichkeit. Gerade das mache die Inhalte der CD wieder relevant und aktuell: "Wir hatten in den letzten 30, 40 Jahren großes Glück hier in Europa. COVID und auch der Krieg in der Ukraine hat uns Europäern das wieder bewusst gemacht. Und ich denke, die Leute werden diese Texte lesen und die Musik verstehen, die noch unter dem Eindruck des 30-Jährigen Krieges entstanden ist. Das berührt die Menschen in besonderer Weise." Doch auch die Musikerinnen und Musiker lässt diese eindringliche Musik nicht kalt, wie Lionel Meunier schließlich zugibt: "Das ist das erste Mal, dass ich während einer Aufnahme weinen musste. Und das ist mir in 15 Jahren nie passiert, zumal der Musiker doch immer Herr seiner Gefühle bleiben sollte. Aber ich hoffe, das Album wird gut angenommen und dass es die Menschen berührt!"
Andreas Hammerschmidt, Johann Hermann Schein, Christian Geist, Andreas Scharmann, Tobias Michael, Johann Philipp Förtsch
Vox Luminis, Lionel Meunier (Leitung)
Label: Ricercar
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 04. Juni 2023, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK