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Kostprobe | 11.07.2021 En Albion - Mittelalterliche Polyphonie in England

Großbritannien ist ein Teil von Europa – und eine Insel. Und diese Insel ist berühmt für seine ganz eigenen Entwicklungen. So hatte schon die spätmittelalterliche Musik in England einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung der frankoflämischen Vokalpolyphonie. Dieses spezielle Repertoire beleuchtet das Huelgas Ensemble auf seiner neuen CD "En Albion".

En Albion - Mittelalterliche Polyphonie in England | Bildquelle: © deutsche harmonia mundi

Bildquelle: © deutsche harmonia mundi

Albion, nach diesem antiken Namen für Großbritannien ist die neue CD vom Huelgas Ensemble benannt. Und der Name ist Programm: Paul van Nevel und seine Sängerinnen und Sänger widmen sich der englischen Polyphonie im späten Mittelalter. Von keiner der 13 hier versammelten Werke ist ein Komponist überliefert. Während Kontinental-Europa in der Musik bereits berühmte Persönlichkeiten hervorbrachte, waren es in England noch anonymen Diener einer höheren Kunst. In der Zeit von 1300 bis 1400 hatte sich in dieser Anonymität ein Stil ausgeprägt, der deutliche Eigenheiten aufwies. Vor allem war das der ausgiebige Gebrauch von Terzen und Sexten, oft in Parallelbewegungen. Die galten auf dem Kontinent noch als Dissonanzen.

'Aber die englische Musik hat noch mehr zu bieten. Dies war die Zeit des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich. Dabei ging es auch um die Besitztümer und damit den Einfluss der englischen Könige in Frankreich. Auf diesem Wege waren im englischen Repertoire auch typisch französische Merkmale vertreten, das ist vor allen die Technik der Isorhythmik.

Mustergültige Intonation

So entstand eine prachtvolle und experimentierfreudige Vielfalt, die das Huelgas Ensemble mit deutlicher Freude am Singen zum Klingen bringt. Diese formidable Vokalgruppe forciert niemals die Stimmen, rein lautstärkemäßig ist das äußerste ein Mezzoforte. Es ist beeindruckend, wie stark und expressiv der Stimmklang dennoch wirken kann. Da tut auch die mustergültige Intonation ihren Teil dazu.

Radikalität der Terz- und Sextklänge

Gerade weil in dieser englischen Musik die Eigenheiten der unterschiedlichen Stile direkt nebeneinander stehen, bekommt man einen guten Eindruck von der eigentlichen Radikalität der Terz- und Sextklänge - auch wenn das in diesen Kompositionen ganz natürlich und gewachsen klingt. Daran hat das Huelgas Ensemble einen großen Anteil, und kommt vielleicht dem tatsächlichen Musikgefühl im England des 14. Jahrhunderts ein Stück weit nahe. Das Huelgas Ensemble schaut gewissermaßen mit der Lupe auf diesen Nährboden einer der großen musikgeschichtlichen Umwälzungen. Und ein Stück darf in diesem Kontext auch nicht fehlen: Sumer is icumen in, einer der ältesten Evergreens der Alten Musik.

En Albion - Mittelalterliche Polyphonie in England

Huelgas Ensemble
Leitung: Paul van Nevel
Label deutsche harmonia mundi

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 11. Juli 2021, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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